Was ist das?

Etwas polemisch ausgedrückt, ist es das, was bisher kein deutscher Hersteller auch nur ansatzweise hinbekommen hat: Ein alltagstaugliches, vergleichsweise bezahlbares Elektroauto mit einer sehr sehr brauchbaren Reichweite. Der Name ist auch relativ plausibel, denn dieses Gefährt heißt schlicht Hyundai Kona Elektro. Das emissionsfreie Klein-SUV ist in zwei Ausführungen erhältlich. Die Basisversion kommt mit einer 39,2-kWh-Batterie, hat 136 PS/395 Nm, soll 300 Km weit fahren und das zu Preisen ab 34.500 Euro.

Das Auto, das uns zum Test aufgetischt wurde, ist quasi die große Variante. Mit einer 64-kWh-Batterie, 204 PS/395 Nm, einer Reichweite von 449 Kilometer und einem Preisschild ab 39.000 Euro. So viel Reichweite gab es bisher nicht im Traum für unter 40 Riesen. Wenn irgendwann in diesem Jahr der Audi e-tron und der Mercedes EQC aufschlagen, werden sie etwas weniger bieten, aber in etwa das Doppelte kosten. Das gilt auch für den bereits erhältlichen Jaguar I-Pace. Klar sind das deutlich schnellere, größere, wertigere Fahrzeuge, aber wenn wir wollen, dass mehr Menschen Elektroautos kaufen, ist der Hyundai-Weg ziemlich sicher der deutlich bessere.  

Aber natürlich ist das in der Realität mit Dingen wie Kälte und Autobahnfahrten absolut nicht zu machen, oder?

Eben doch und das ist exakt der Punkt an dem sich der Hyundai Kona Elektro so herzerfrischend von allem absetzt, was bisher so in seinem Umfeld umher stromerte. Hier bedeuten 449 Kilometer angegebene Reichweite, dass man eben auch locker über 400 Km schafft, wenn die Bedingungen nicht perfekt sind. Auch bei Kälte übrigens. Eine Akkuheizung sorgt hier für weniger Energieverluste.

In der Realität heißt das: Ich kann auch Klima/Heizung/Sitzheizung/Lenkradheizung/Heckscheibenheizung oder den Sportmodus (ja, den gibt es wirklich) aktivieren, ohne im Instrumentendisplay gleich einen haarsträubenden Kollaps der Restreichweite herbeizuführen. Und das, was im Display angezeigt wird, das packt der E-Kona auch. In unserem großen E-Auto-Reichweitentest fuhren wir den Kona, bis er leer war und erreichten 435 Km. Top.

Aber Spaß macht das nicht, oder?

Das kommt ganz darauf an. E-Auto-Veteranen werden mir vermutlich zustimmen, wenn ich behaupte, dass man seine Einstellung zum Fahren und seinen Fahrstil in einem Stromer bereits nach wenigen Kilometern angepasst beziehungsweise komplett umgestellt hat. Plötzlich erzeugt es eine Art innere Befriedigung, vorausschauender zu fahren. Und das Rekuperieren macht irgendwann sogar etwas ähnliches wie Spaß. Gerade, wenn einem wie im E-Kona eine Anzeige sagt, wie viele Meter zusätzliche Reichweite man mit dem letzten Bremsvorgang gerade eingeheimst hat.

Hyundai Kona Elektro im Test

Der Antrieb selbst fühlt sich in den meisten Situationen verblüffend kräftig an. Hier von einer gelungenen "Motorabstimmung" zu sprechen wäre natürlich trotzdem irgendwie seltsam. Der E-Motor hat ja nicht wirklich eine Charakteristik. Er ist eben einfach da und macht, wie ihm befohlen. An oder aus, ja oder nein, so in etwa fühlt sich das an. 0-100 km/h passieren in 7,6 Sekunden. Das reißt keinen Sitz aus der Verankerung, wirkt aber immer erstaunlich flott. Inwieweit das „vorgekaukelt“ wirkt, weil es eben keine gewohnte Leistungsentfaltung gibt, sondern die Leistung sofort da ist, sei mal dahingestellt. Aber der Kona beschleunigt erstaunlich zügig und die Gasannahme ist natürlich der Wahnsinn. Allerdings gibt es erhebliche Unterschiede in den einzelnen Fahrmodi: Eco macht die Klima aus und nimmt spürbar Temperament zurück. Sport macht das Gegenteil, dort wirkt das Auto wirklich recht schnell. Schön für die Autobahn: Auch bei 140 km/h geht hier noch richtig was nach vorne. Bei knapp 170 ist dann Schluss.

Aber irgendwann muss man ihn doch laden und das nervt unglaublich, stimmt's?

Das kann man so sagen. Das Laden und seine Kona-spezifischen Tücken ... das war während unserer zwei Wochen mit dem Auto ein ständiger Grund für hitzige Diskussionen und brachte uns einen Haufen Recherche-Arbeit ein. Wie bei jedem reinen E-Auto mit brauchbarer Reichweite (sprich: mit einem Akku, der größer ist als der eines handelsüblichen Handstaubsaugers ..äh .. normalen Plug-in-Hybrids ), kann man das Laden an der heimischen Steckdose im Prinzip vergessen. Bei einer Leistung von den dort üblichen 2,1 kW dauert es fast eineinhalb Tage, bis der Kona wieder voll ist.

Ein großes Problem: Öffentliche Ladesäulen, die eigentlich mit bis zu 22 kW laden, pumpten unseren Kona mit lediglich 4,1 kW voll. An der heimischen Wallbox ist es übrigens das gleiche Dilemma. Einphasiges Laden mit Wechselstrom ist in deutschen Stromnetzen nämlich auf 4,6 kW begrenzt um Schieflast (Netzüberlastung) zu unterbinden. Quälende 17 Stunden dauert so ein kompletter Ladevorgang. Das einphasige Laden sollte bei einem 2018 eingeführten Elektroauto eigentlich nicht mehr vorkommen. Dreiphasiges Laden sollte/müsste hier möglich sein. Im E-Kona muss der Wechselstrom aus der Säule per Onboard-Charger für die Batterie in Gleichstrom umgewandelt werden. Selbst wenn es die Schieflast-Grenze in Deutschland nicht gäbe, flössen so maximal 7,2 kWh. Die Ladedauer wäre noch immer episch. Bei dreiphasigem Laden gingen hingegen die vollen 22 kW. In weniger als drei Stunden wären die Batterien auf 100 Prozent . 

Das alles ändert sich natürlich beim Laden an einer 50- oder-100-kW-Schnellladestation. Die kann Gleichstrom und stopft die Kona-Akkus in einer knappen Stunde voll. Aber leider sind diese Supercharger (noch) nicht wirklich weit verbreitet. So ist das Aufladen einer der wenigen Schwachpunkte des Kona Elektro.

Hyundai Kona Elektro im Test

Ich wette, er ist in etwa so dynamisch wie ein Wohnblock auf Rollerblades?

Naja, er ist ein 1.800 Kilo schweres Klein-SUV mit Frontantrieb und Öko-Attitüde. Dafür schlägt sich der Kona Elektro im Kapitel Fahrdynamik erstaunlich gut. Dank des tiefen Schwerpunkts liegt er sehr ordentlich,  sehr satt, erlaubt verblüffend hohe Kurvengeschwindigkeiten.  Das Multilenker-Fahrwerk ist eher auf der straffen Seite (nicht zu straff) wodurch Wankbewegungen sehr gut unterdrückt werden. Man kann also auch mal ambitionierter in die Kurve, ohne dass der E-Kona komplett zusammenbricht. Für etwa 0,03 Prozent der Kona-Elektro-Fahrer dürfte das tatsächlich von Bedeutung sein, aber jetzt wissen Sie, dass es geht. Die Lenkung ist relativ präzise, wenn auch komplett frei von Gefühl. Etwas problematisch wird es bei Nässe, wo die Vorderreifen durch den instant anstehenden Drehmomentberg schnell überfordert sind.

Gewöhnen muss man sich auch an die neue Art zu bremsen. Die Stärke der Rekuperation stellt man an den Lenkradpaddles ein. Bei maximaler Energierückgewinnungsstufe muss man selbst kaum noch eingreifen, der E-Kona haut bei jedem vom Gas gehen den Stachel rein, dass man regelrecht gestaucht wird. Das Problem ist nur: Vor lauter Rekuperation scheinen die Koreaner ein bisschen die „normale“ Bremse des Autos vergessen zu haben. Die initial zur Verfügung gestellte Bremskraft wirkt nicht besonders vertrauenerweckend, was zur Folge hat, dass man reintreten muss, wie ein Bekloppter. Das wiederum ist nicht besonders schön, weil das Pedalgefühl sehr weich und schwammig ist. Klar bremst der Kona, wie er muss, aber besonders gut fühlt es sich nicht an.

Ansonsten gibt es wenig zu meckern. Das Fahren im Kona ist zügig, sehr leichtgängig, unglaublich leise und insgesamt sehr angenehm. Selten waren wir ein einem vergleichsweise kleinen Auto entspannter und stressfreier unterwegs.

Kommt schon ... irgendwelche gravierenden Schwächen? Er ist ziemlich teuer, oder?

Das Kapitel "Schwächen" ist überraschend übersichtlich. Einige Menschen könnten mit der etwas herausfordernden Optik des Kona Probleme haben. Auf der anderen Seite: Nennen Sie mir mal ein kompaktes E-Auto, das nicht aussieht wie ein Unfall auf der Enterprise. 

Innen wirkt der E-Kona eher funktional und gewöhnlich als gezwungen futuristisch. Für uns ist das absolut positiv. Abzüge gibt es beim Platzangebot im Fond. Dass ein 4,18-Meter-Pimpf kein veritables Raumwunder sein kann, ist klar. Was aber nervt: Die Lehnen der Vordersitze ziehen sich so weit nach unten, dass man seine Füße nicht mehr drunterschieben kann. Der Kofferraum ist mit 332 bis 1.114 Liter etwas kleiner als bei den herkömmlichen Konas, wirkt aber nicht zugebaut, hat keine seltsamen Stufen oder ähnliches. 

Hyundai Kona Elektro im Test
Hyundai Kona Elektro im Test

Und teuer? Nun, wie man's nimmt. Unser Testwagen in der "Premium"-Ausstattung lag bei 45.600 Euro, was für einen kleinen, etwas abstrus aussehenden Hyundai auf den ersten Blick wirkt, wie ein miserabler Scherz. Aber erstens blicke man noch einmal auf den Einstieg in diesen Test - Sie werden derzeit kein günstigeres E-Auto mit vergleichbarer Reichweite finden. Und zweitens ist der Kona für dieses zugegebenermaßen erkleckliche Sümmchen verblüffend gut und technologisch fortschrittlich ausgestattet.

Mit dabei sind (und vorsicht, jetzt wird's lang) ein Head-up-Display, ein 7-Zoll-Instrumentendisplay, ein 8-Zoll-Touchscreen mit Navi und Rückfahrkamera, Apple CarPlay und Android Auto, das wuchtigere Krell-Soundssystem, elektrische/beheizte/klimatisierte Ledersitze, ein beheiztes Lenkrad und LED-Scheinwerfer.  Dazu kommt das volle Programm an Fahrhilfen bestehend aus einem adaptiven Tempomaten mit Stop&Go-Funktion, einem aktiven Spurhalteassi, einem Stauassistenten, einem Querverkehrswarner, einem autonomen Notbremsassistenten, einer intelligenten Verkehrszeichenerkennung und einem Totwinkelwarner. 

Gut: Der Spurhalteassistent gehört zu den Besseren, spielt also nicht Ping-Pong zwischen den Linien, sondern hält den E-Kona schön in der Spurmitte. Weniger gut: Irgendwas scheint in diesem Auto immer zu piepsen und nach jedem Start ist der Spurhalter grundsätzlich aktiviert. Nicht schön für ein selbstbestimmtes Leben, aber wohl einfach der Versuch, dieses (und andere) Leben so lang wie möglich zu erhalten. 

Also soll ich ihn kaufen?

Es spricht sehr wenig dagegen. Der Hyundai Kona Elektro ist vermutlich das erste voll alltagstaugliche E-Auto, das man sich auch ohne monströsen Gehaltscheck leisten kann. Natürlich ist die fehlende Möglichkeit, dreiphasig zu laden, ein halbwegs dicker Malus. Gerade für Vielfahrer. Allerdings ist die tatsächlich erzielbare Reichweite - auch im Winter, auch wenn man nicht fährt, wie ein Verkehrshindernis - nun keine Ausrede mehr.

Wahrscheinlich tut dieser Koreaner mehr für die E-Mobilität als alle Teslas oder Audi e-trons zusammen, weil er sie wirklich relativ massentauglich macht. Verglichen mit einem Nissan Leaf ist er einfach deutlich besser, verglichen mit einem BMW i3 das deutlich bessere Angebot. Außerdem ist er kein futuristisches Raumschiff für Tech-Freaks, sonder in seiner ganzen Handhabung einfach ein sehr normales Auto. Und das ist wohl letztlich sogar das größte Lob.  

Fazit: 9/10

+ realistische Reichweite von 400+ Kilometer; und das ab unter 40.000 Euro; gute Fahrleistungen; sehr einfache, gut durchdachte Bedienung; hervorragende Ausstattung; 5 Jahre Garantie

- knapp 40.000 Euro (oder mehr) für einen Hyundai Kona; lange Ladezeiten durch suboptimales Ladesystem; relativ wenig Platz im Fond; schlabberige Bremse

Bildergalerie: Hyundai Kona Elektro (2018) im Test

Bild von: Fabian Grass

Hyundai Kona Elektro

Motor Permanen-Synchronelektromotor (Wechselstrom)
Leistung 150 kW(204 PS)/ 395 Nm
Getriebeart Einstufiges Reduktionsgetriebe
Antrieb Frontantrieb
Batterie 64 kWh
Elektrische Reichweite 449 km (WLTP); Testreichweite: 435 km
Beschleunigung 0-100 km/h 7,6 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 167 km/h
Verbrauch 14,6 kWh/100 Km
Kofferraumvolumen 332-1.114 Liter
Leergewicht 1.818 kg
Zuladung 410 kg
Basispreis 39.000 Euro
Preis des Testwagens 45.xxx Euro