Der Jaguar, lateinisch „Panthera onca“, pirscht sich lautlos an seine Beute heran. Exakt genauso macht es nun die nach der Raubkatze benannte Automarke. Mit dem komplett elektrischen I-Pace haben die Briten eine echte Kampfansage auf die Räder gestellt. Neben Tesla dürften auch die deutschen Hersteller aufhorchen, schließlich kommt der Audi e-tron erst Ende 2018 auf den Markt, der Mercedes EQC im Jahr 2019. Wird der I-Pace seiner Vorreiterrolle gerecht? Wir haben ihn getestet.

Zwischen SUV und Coupé
Zunächst stellt sich die Frage: Was ist der I-Pace eigentlich? Nun, Jaguar spricht selbst von einem „Performance-SUV“. Dazu passt das Design mit kurzem Überhang und weit vorgerückter Kabine. Klar, bei einem Elektroauto braucht es keine lange Haube für einen dicken Motor. Im I-Pace ist in die Vorder- und Hinterachse jeweils ein 78 Kilogramm schwerer Elektromotor integriert, hinzu kommt ein Akku mit 90 Kilowattstunden Kapazität in Unterflur-Bauweise. Das sorgt in Verbindung mit 2,99 Meter Radstand für ein üppiges Platzangebot in Fond. Vorne weniger aufgrund des wuchtigen Armaturenbretts, doch dazu später mehr. Am Heck wiederum erinnert der I-Pace an eine Coupé-Variante des Jaguar F-Pace im Stil von BMW X4 und X6. Nur gut, dass Jaguar unzählige Kameras einbaut, denn die Sicht nach hinten ist sehr bescheiden. Detail am Rande: Aufgrund ausgeklügelter Aerodynamik ist kein Heckscheibenwischer nötig.

Auf Augenhöhe mit Tesla
Wo sortiert sich der Jaguar I-Pace größenmäßig ein? Mit 4,68 Meter ist er fünf Zentimeter kürzer als der F-Pace, bietet aber zwölf Zentimeter mehr Radstand. Zugleich ist der I-Pace damit etwa so groß wie ein Tesla Model 3. Deutlich länger, nämlich 4,90 Meter, ist der kommende Audi e-tron. Überraschend geräumig ist der Kofferraum des I-Pace: 656 Liter im Normalzustand sind F-Pace-Niveau, erst oben heraus verringert die Dachlinie das Volumen auf 1.453 Liter (F-Pace: 1.740 Liter).

Durchdachter Arbeitsplatz
Ich steige in den Jaguar I-Pace und blicke mich um: Kein Vergleich zum Tesla Model 3 mit seinem maximal reduzierten Cockpit, in dem ein riesiger Bildschirm dominiert. Und das ist gut so: Im I-Pace ist der Arbeitsplatz klar gegliedert. Digital animierte Instrumente, in der Mittelkonsole ein Zehn-Zoll-Touchscreen für Navi und Co., darunter ein Fünf-Zoll-Bildschirm plus Klima-Drehregler. In Letzteren befindet sich ein klar ablesbares Display. Leider ist der kleine Monitor dazwischen bei starkem Sonnenschein kaum ablesbar. Unabhängig davon gewöhne ich mich schnell an die Bedienung. Für 600 Euro Aufpreis informiert zusätzlich ein Head-up-Display den Fahrer, Besitzer eines Tesla Model 3 dürften hier neidisch werden. Negativ ist aber das insgesamt wuchtig ausgefallene Armaturenbrett. Besonders als Beifahrer fühlt man sich eingeengt. Positiv und ein Pluspunkt gegenüber Tesla: Verarbeitung und Materialien sind so, wie man es in der 80.000-Euro-Klasse erwarten darf.

Das neue Fahren
Doch nun: Start-Knopf gedrückt und los! Auf den ersten Kilometern greift mein Mitfahrer ins Steuer. Aber ich bin irritiert, dass er oft hart abbremst und beschleunigt. Sind wir hier in der Fahrschule? Nein, überhaupt nicht. Ihn trifft keine Schuld, sondern die bissig zupackende Rekuperation. In der höchsten von zwei Stufen entschleunigt sie so rabiat, dass auch ich mir zunächst wie ein Anfänger vorkomme. Aber nach etwas Gewöhnung klappt die Fortbewegung im Ein-Pedal-Modus. Nur in Extremsituationen muss ich auf die Bremse treten, ansonsten reicht das Lupfen des Gaspedals. Merke: Elektrisch zu fahren ist ein neues Fahren. In jeder Hinsicht. Bis Tempo 130 ist die elektrische Sitzverstellung das lauteste Geräusch an Bord, erst dann dominieren Wind- und Abrollgeräusche.

Kein Leichtgewicht
Hauptargument für den Jaguar I-Pace ist sein Drehmoment von 696 Newtonmeter. Und zwar von Anfang an. Die Folge ist ein in jeder Lage geschmeidiger Antritt. Vor dem Hintergrund des Gewichts von 2,2 Tonnen sind 4,8 Sekunden auf 100 km/h sehr bemerkenswert. Soweit erfüllt der I-Pace also den erhobenen Performance-Anspruch. Durchwachsener wird es bei flotter Kurvenfahrt, die ich auf der Rennstrecke austeste. Zwar hat Jaguar fahrdynamisch das Beste aus dem I-Pace herausgeholt: Ein um 130 Millimeter niedrigerer Schwerpunkt als im F-Pace und die Vorderradaufhängung vom F-Type. Aber die 2,2 Tonnen (trotz 94 Prozent Alu-Anteil) sind nicht wegzuzaubern: Je enger es ums Eck geht, desto mehr spürt man die Wuchtigkeit.

Elektrisch am Berg
Ein Tipp, den Sie unbedingt beherzigen sollten: Verzichten Sie auf die 22-Zoll-Leichtmetallfelgen, auch wenn diese schick aussehen. Im Vergleich zur 20-Zoll-Bereifung verschlechtert sich der Abrollkomfort spürbar, zudem erhöht sich der Lenkaufwand. Weniger ist klar mehr und man spart je nach Ausstattung zwischen 2.500 und 5.000 Euro. Geld, welches im optionalen Luftfahrwerk besser angelegt ist. Mit seiner Hilfe hebt sich der Jaguar I-Pace im Offroad-Modus um 50 Millimeter an. Sie lesen richtig: Offroad. Tatsächlich kraxele ich im I-Pace deftige Steigungen hoch und durchquere sogar ein kleines Flüsslein (Wattiefe: 500 Millimeter). Die beiden Motoren sorgen für elektrischen Allradantrieb. Für ihre nächste Anden-Überquerung sollten Sie trotzdem eher bei Land Rover vorbeischauen.

Kaum Konkurrenz
Ich fasse zusammen: Elektroauto kann der Jaguar I-Pace überzeugend, SUV auch, Sportwagen mit Abstrichen. Zweieinhalb Autos in einem gewissermaßen. Nur die Umwelt retten, das wird der I-Pace eher weniger. Zu heftig ist der Verbrauch (24 Kilowattstunden auf 100 Kilometer im Testmittel), zu hoch der Preis. Bei 77.850 Euro geht los, immerhin baut Jaguar vieles schon serienmäßig ein. Diverse Fahrassistenz-Pakete werden aber extra berechnet. Und was kostet die Konkurrenz? Noch hat der I-Pace keine. Spannend wird aber sein, wo das Tesla Model 3 landen wird (zumal mit optionalem Allradantrieb), wenn es 2019 zu uns kommt. Fest steht: Der Jaguar I-Pace wird das Leben für Tesla nicht einfacher machen.

Wertung

  • ★★★★★★★★★☆
  • Hut ab vor Jaguar! Deutlich vor der deutschen Premium-Konkurrenz bauen die Briten mit dem I-Pace ein überzeugendes Elektroauto. Gewiss, er ist kein Auto für die Massenmobilität. Doch er zeigt dank eines durchdachten Gesamtkonzepts und hoher Reichweite, wie gut das Fahren mit Strom funktionieren kann.

    + starker Antritt, feines Interieur, sogar geländetauglich

    - schlechte Sicht nach hinten, hohes Gewicht

  • Antrieb
    95%
  • Fahrwerk
    90%
  • Karosserie
    90%
  • Kosten
    80%

Preisliste


Jaguar I-Pace

Grundpreis: 91.720 Euro
Modell Preis in Euro
S 77.850
SE 85.760
Ausstattungen Preis in Euro
ABS Serie
ESP Serie
ASR Serie
Airbag Fahrer Serie
Airbag Beifahrer Serie
Seitenairbags vorn Serie
Kopfairbags vorn Serie
Kopfairbags hinten Serie
elektr. Fensterheber vorn Serie
elektr. Fensterheber hinten Serie
elektr. verstellbare Außenspiegel Serie (inklusive Heizung)
Klimaautomatik Serie (zwei Zonen)
Zentralverriegelung mit Fernbed. Serie
Bildschirmnavigation Serie
elektr. Schiebedach 1.280 (Panoramadach)
Metalliclackierung 990
Leichtmetallfelgen Serie (20 Zoll)
Sitzhöheneinstellung Serie (Fahrer und Beifahrer, elektrisch)
Tempomat Serie (adaptiv)
Lederausstattung Serie
LED-Matrixlicht Serie
Vordersitze kühlbar Serie
Sitzheizung hinten Serie
Surround-Kamerasystem Serie
Luftfederung 1.580
Head-up-Display 600

Datenblatt

Motor und Antrieb
Motorart Zwei Elektromotoren 
Leistung in PS 400 
Leistung in kW 294 
Drehmoment in Nm 696 
Antrieb Allradantrieb 
Getriebe Planetengetriebe 
Fahrwerk
Spurweite vorn in mm 1.624 
Spurweite hinten in mm 1.643 
Radaufhängung vorn Einzelradaufhängung 
Radaufhängung hinten Mehrlenker 
Räder, Reifen vorn 235/65 R18 
Räder, Reifen hinten 235/65 R18 
Lenkung elektromechanische Servolenkung 
Geländekompetenz
Wattiefe in mm 500 
Maße und Gewichte
Länge in mm 4.682 
Breite in mm 1.895 
Höhe in mm 1.565 
Radstand in mm 2.990 
Leergewicht in kg 2.208 
Kofferraumvolumen in Liter 656 
Kofferraumvolumen, variabel in Liter 1.453 
Fahrleistungen / Verbrauch
Höchstgeschwindigkeit in km/h 200 
Beschleunigung 0-100 km/h in Sekunden 4,8 
Weitere Informationen
1/moreName 21,2 kWh 
2/moreName 480 
3/moreName 90 kWh 
4/moreName 85 Minuten 
5/moreName 40 Minuten 


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