Weissach hat viel zu tun. Es mag da gerade so eine globale Pandemie geben, aber das hält die Ingenieure im Porsche Entwicklungszentrum nicht davon ab, an neuen Modellen zu arbeiten.

Während ich am Besucherempfang warte, rollt ein Prototyp des neuen 911 GT3 durch das Werkstor. Die letzten Reste Tarnfolie dürften wirklich niemanden mehr hinters Licht führen, schließlich hat sich der fokussierteste 911 in den letzten zwölf Monaten zum absoluten Liebling der Erlkönigjäger entwickelt.

An sich wäre es schon aufregend genug, den Neuen überhaupt in freier Wildbahn zu sehen, aber heute ist alles ein bisschen anders. Ich darf nämlich in einem dieser GT3-Prototypen sitzen. Als Beifahrer von Porsches GT-Chef Andreas Preuninger.

2021 Porsche 911 GT3 Prototype front quarter hero
2021 Porsche 911 GT3 Prototype rear quarter tracking

Emissionslabyrinth

Preuninger und sein Team sind gerade dabei, eine Handvoll Prototypen der finalen Validierung zu unterziehen. Quasi der letzte Feinschliff, bevor das Serienauto Anfang 2021 in den Verkauf geht. Diese Erprobungsfahrten nutzt man bei Porsche traditionell für ein wenig Pressearbeit. Und keiner ist dafür besser geeignet als der charismatische Chef höchstpersönlich. 

Freundlicherweise hat er sich also eine kleine Pause freigeschaufelt, um mich durch die Gegend zu chauffieren und sich mit Fragen bombardieren zu lassen. Fangen wir mal mit dem Motor an.  Wir wissen ja bereits seit einiger Zeit, das es eine Weiterentwicklung des 4,0-Liter-Saugboxers 991.2 Speedster sein wird.

Es gibt Änderungen am Motor, sagt Preuninger. Aber sie zielen in erster Linie darauf ab, das, was im Grunde ein Rennmotor ist, an die Straßenverkehrsordnung anzupassen. Der Otto-Partikelfilter etwa war fürs GT3-Team wohl eine ordentliche Herausforderung.

Es gibt Änderungen am Motor, sagt Preuninger. Aber sie zielen in erster Linie darauf ab, das, was im Grunde ein Rennmotor ist, an die Straßenverkehrsordnung anzupassen.

"Wenn man einen Auspuff mit großen Katalysatoren verstopft und einen großen [Partikelfilter] nimmt, ist das zunächst ein Problem, denn ein Motor ist eine Luftpumpe - Luft rein, Luft raus", sagt Preuninger. "Wenn die Luft nicht herauskommt, haben wir ein Problem. Das müssen wir mit Kompression, mit der Ansaugung, mit Timing ausgleichen. Das Timing hat auf der anderen Seite auch einen sehr großen Einfluss auf die Emissionen. Man muss wirklich einen Weg durch das Labyrinth finden, um das beste Ergebnis zu erzielen."

Das beste Ergebnis in diesem Fall? Die selben 9.000 Umdrehungen und 520 PS wie im Speedster - 10 PS mehr als in der vorherigen GT3-Generation. Das kann sich wahrlich sehen lassen. Es klingt auch ziemlich speziell, mit einem bassigen, satten Timbre bei niedrigen Drehzahlen, das sich in ein markerschütterndes Schreien verwandelt, wenn die Nadel in den roten Bereich stürmt. Preuninger demonstriert dieses gloriose Schauspiel auf den ihm vertrauten Straßen so oft wie möglich.

2021 Porsche 911 GT3 Prototype rear distance
2021 Porsche 911 GT3 Prototype front quarter dynamic
2021 Porsche 911 GT3 Prototype rear quarter dynamic

Ein 80/20-Ding

Preuninger räumt ein, dass rund 80 Prozent der Entwicklungsarbeit nur dafür draufgehen, den GT3 für die zahllosen globalen Vorschriften (Emissionen, Lärm, Verbrauch, Crash etc.) zu rüsten. Mit den restlichen 20 Prozent Hirnschmalz versucht man dann, die Messlatte nochmal höher zu legen.

Das Auto bei relativ gleicher Leistung besser zu machen, bedeutet eine stärkere Konzentration auf das Fahrwerk und die Aerodynamik. Preuninger spricht von Effizienzsteigerungen in allen Bereichen, um die Performance des GT3 zu verbessern.

Ob das alles wie gewünscht funktioniert hat, erkennt man in der Regel an der Rundenzeit auf der Nordschleife, aber heute will er dieses Thema noch nicht im Detail diskutieren. Man wird sich die medienwirksame Zahl vermutlich bis zur offiziellen Vorstellung des GT3 aufheben. Preuninger attestiert dem Auto jedoch leicht verschmitzt eine ordentliche Verbesserung gegenüber der Vorgänger-Generation.

Preuninger räumt ein, dass rund 80 Prozent der Entwicklungsarbeit nur dafür draufgehen, den GT3 für die zahllosen globalen Vorschriften zu rüsten.

Über andere Kennzahlen des 992 GT3 spricht der Boss dann aber gerne. Übers Gewicht etwa. Hier herrscht eindeutig Zufriedenheit.  Mit knapp über 1.400 Kilo ist das Auto nämlich genauso schwer wie der 991 GT3. Trotz der deutlich schwereren und insgesamt größeren Plattform des 992.

Der GT3 erreicht sein Gewichtsziel mit den üblichen Methoden - Polyurethan-Stoßfänger vorne und hinten, dünneres Glas (abgesehen von der Windschutzscheibe), Reduzierung von Dämm-Material, Entfall der Rückbank und leichtere Materialien, wo immer das möglich ist.

Es gibt eine neugeformte Motorhaube aus Kohlefaser, in die sehr viel Arbeit floss, ehe sie die Fußgänger-Crash-Vorschriften erfüllte. Das ist nur ein Beispiel dafür, wohin diese erwähnten 80 Prozent des Aufwands gehen. "Der ganze Prozess der Entwicklung eines Autos ist so komplex geworden", sagt Preuninger.

Das gilt insbesondere für ein Fahrzeug wie den GT3, der so einzigartig in seinem Fokus ist. Deshalb sind die meisten Konkurrenten mit Turbolader oder Hybridantrieb unterwegs, was die GT-Abteilung so lange wie möglich vermeiden möchte.

2021 Porsche 911 GT3 Prototype hood
2021 Porsche 911 GT3 Prototype fascia
2021 Porsche 911 GT3 Prototype wing

Knifflige Luft

So frustrierend der immer komplexere Regulations-Irrsinn auch sein mag, er ist eine Herausforderung, die Porsche gerne annimmt. Den GT3 schneller, präziser und unterhaltsamer zu machen, hat sehr viel mit Effizienz zu tun. Die Aerodynamik ist hierbei der Schlüssel - die Verbesserungen am 992 GT3 sorgen für 50 Prozent mehr Abtrieb. Bei gleichbleibendem Luftwiderstand. Das Management der Luft rund um die Front, unter dem Auto und vor allem am Heck ist dabei von zentraler Bedeutung.

"Die Form folgt der Funktion. Immer. Vor allem [beim Heckflügel]. Rennwagen haben alle hängende Flügel, weil die ansaugende Seite (die Unterseite) genauso wichtig, ja sogar noch wichtiger ist als die Seite oben, auf die der Druck ausgeübt wird", sagt Preuninger und fügt hinzu, dass der Heckspoiler sogar den Luftstrom in den Motorraum sauberer gestaltet.

"Wir leben in Deutschland", sagt er. "Ich will kein langsames Auto auf der Autobahn. Ich will nicht, dass das Auto bei 250 km/h wegen des Windwiderstands an Grenzen stößt. Es muss beim Beschleunigen schnell sein, auch bei höheren Geschwindigkeiten."

Vorne erkennt man einen breiteren Splitter, der die Luft dorthin leitet, wo sie benötigt wird. Er sorgt sowohl für Kühlung als auch für aerodynamische Stabilität. Am Heck ergänzt ein deutlich größerer Diffusor den neuen Schwanenhals-Heckflügel. Alles in allem ermöglichen die neuen, sehr rennsportlichen Ergänzungen dem GT3 seinen gewaltigen Sprung in puncto Abtrieb, während gleichzeitig der von Preuninger benötigte geringe Luftwiderstand erhalten bleibt.

"Wir leben in Deutschland", sagt er. "Ich will kein langsames Auto auf der Autobahn. Ich will nicht, dass das Auto bei 250 km/h wegen des Windwiderstands an Grenzen stößt. Es muss beim Beschleunigen schnell sein, auch bei höheren Geschwindigkeiten."

2021 Porsche 911 GT3 Prototype exhaust
2021 Porsche 911 GT3 Prototype sills
2021 Porsche 911 GT3 Prototype wheels/brakes
2021 Porsche 911 GT3 Prototype wing detail

Das Regal mit den richtigen Teilen

Abseits der Autobahn und auf anspruchsvolleren Landstraßen wird der GT3 jedoch erst richtig lebendig. Was auffällt, ist die hohe Qualität des Abrollkomforts. Trotz einer um 25 Prozent steiferen Federrate schafft das Fahrwerk die schwierige Verbindung aus maximal präziser Kontrolle und vernünftigem Fahrkomfort. Die Dämpfung ist hier der Schlüssel, und Preuninger und sein Team haben unzählige Stunden damit verbracht, sie abzustimmen.

Das ist umso beeindruckender,  da es beim neuen Auto keine Elastokinematik in der Aufhängung gibt. Die Hinterachse wurde weitgehend vom 991.2 GT3 übernommen, es handelt sich also um eine Mehrlenkerachse mit Hinterradlenkung. An der Vorderachse jedoch hat es radikale Veränderungen gegeben. Anstelle des üblichen Elfer-Setups mit klassischen MacPherson-Federbeinen findet man hier nun  einen Satz geschmiedeter Aluminium-Querlenker.

Die Querlenker stammen aus dem Teileregal der Porsche-Rennwagen. Sie verändern die Front des GT3 grundlegend.

"Rennwagen haben fast immer Doppel-Querlenker", sagt Preuninger. "Wir waren uns nicht sicher, ob wir dieses System zum Funktionieren bringen können - wir hatten viele Diskussion und waren uns einig, dass wir hier vor einer ziemlichen Mammut-Aufgabe stehen. Aber wir haben es geschafft, und es hat sich gelohnt."

Die Querlenker stammen aus dem Teileregal der Porsche-Rennwagen. Sie verändern die Front des GT3 grundlegend. Sie reagieren schneller auf Unebenheiten und es gibt weniger Reibung in der Aufhängung. Außerdem können die Dämpfer leichter sein, da sie keine Bremskräfte mehr zu bewältigen haben.

2021 Porsche 911 GT3 Prototype rear quarter dynamic

"[Die Querlenker] verlangten auch bei der Lenkung eine völlig andere Herangehensweise", so Preuninger. "Wir mussten bei Null anfangen - es gibt unterschiedliche Widerstandswerte an der Vorderachse. Es handelt sich um die gleiche Hardware, aber sie reagiert anders, weil die Kräfte, auf die sie beim Drehen des Rades trifft, ganz andere sind."

Laut Preuninger gibt es immer noch sehr viel Gefühl, und vom Beifahrersitz aus sieht man, dass das Einlenken schnell und präzise erfolgt. Der Chef verlangte, dass sich der GT3 bei jeder Geschwindigkeit, nicht nur bei höheren, unterhaltsam und detailreich anfühlt.

Preuninger verlangte, dass sich der GT3 bei jeder Geschwindigkeit, nicht nur bei höheren, unterhaltsam und detailreich anfühlt.

Parallel zum Auto sind auch die Räder gewachsen. Sie messen nun 9,5x20 Zoll vorne und 12x21 Zoll hinten. Bezogen sind sie mit 255er- beziehungsweise 315er-Michelin Pilot Sport Cup 2. Auch die Bremsen sind mal wieder größer geworden. Vorne kommen nun 400-mm-Scheiben zum Einsatz hinten sind es 380er-Discs. Sie sind nicht gelocht, sondern mit Vertiefungen versehen, ein weiterer Verweis auf die eigenen Rennautos. Optional wird es wieder eine Carbon-Keramik-Bremse geben.

2021 Porsche 911 GT3 Prototype driver's seat
2021 Porsche 911 GT3 Prototype gauges
2021 Porsche 911 GT3 Prototype seats

Die Erwartungen erfüllen

Im nur leicht gestrippten Innenraum befinden sich GT3-spezifische Instrumente mit Schaltlichtern, die sich um den zentralen Drehzahlmesser wölben. Anders als im Standard-Carrera gibt es im GT3 nur die drei Fahrmodi Normal, Sport und Track. Sie haben Einfluss auf den Motor, den Klang, das Adaptiv-Fahrwerk sowie die Stabilitäts- und Traktionskontrollsysteme. Bei GT3s mit PDK-Doppelkupplung ändert sich mit den Modi auch das Getriebe-Mapping.

Das PDK-Getriebe verfügt über Schaltwippen und - anders als in den übrigen 992 mit ihrem winzigen Schaltknubbel -  einen großen Schalthebel (er ist vorhanden, weil Preuninger es vorzieht, mit dem Schalthebel zu wechseln). Die Puristen werden sich darüber freuen, dass Porsche sowohl beim beflügelten GT3 als auch beim subtileren Touring weiterhin ein Schaltgetriebe anbieten wird.

Der Chefingenieur sagt: "Der GT3 ist ein Motorsport-Auto, also muss er dieser Erwartung gerecht werden. Die Emotionen und der Spaß am Fahren, der Drang, sich hineinzusetzen, sich darauf einzulassen, eine Runde damit zu drehen, das ist das Wichtigste. Das ist es, was die Menschen dazu bringt, das Auto vom Herzen bis in den Magen zu wollen. Das ist definitiv der Hauptantrieb, um des Fahrens willen zu fahren."

Die erste Mitfahrt mit dem nahezu fertigen Prototypen unterstreicht das nur zu gut. Ein ganzer Tag auf dem falschen Sitz war großartig und grausam zugleich. Wir können es kaum erwarten, den neuen GT3 vom richtigen Sitz aus zu testen ...

Die Konkurrenten des 911 GT3 im Test:

Bildergalerie: Porsche 911 GT3 2021 Prototype: Erste Mitfahrt

2021 Porsche 911 GT3 Prototype

Motor 4.0-liter H6
Leistung 510 Horsepower / 346 Pound-Feet (est)
Getriebeart Seven-Speed Dual-Clutch
Antrieb Rear-Wheel Drive
Beschleunigung 0-60 mph 3.5 Seconds (est)
Höchstgeschwindigkeit T.B.D.
Verbrauch T.B.D.
Leergewicht 3,116 Pounds (est)
Anzahl der Sitze 2
Basispreis $145,000 (est)
Marktstart 2021