Frage: Warum haben nicht mehr Autos ihre Motoren in der Mitte? Die einfache Antwort ist, dass solche Entwicklungen teuer und zu kompliziert sind, hinzu kommt eine erschwerte Wartungsfreundlichkeit. Ganz zu schweigen davon, dass die meisten Unternehmen einfach nicht glauben, dass die Kunden mehr für solch eine Form der Exotik berappen wollen. Aber Hyundai ist nicht wie die meisten Unternehmen.

Seit der ehemalige BMW-M-Chef Albert Biermann Leiter der Forschung und Entwicklung bei Hyundai ist, arbeitet der Konzern daran, sein sogenanntes, mittelmotoriges "Racing Midship"-Konzept zu perfektionieren. Oder kurz gesagt: RM. Die erste Version sorgte 2012 noch für Aufsehen, und sie half schließlich, den Veloster N zu entwickeln, jenen US-Ableger des von uns heiß geliebten Hyundai i30 N.

Aber sieben Jahre Entwicklung tun viel Gutes: Der neueste RM19-Prototyp beweist, dass die Möglichkeit eines serienmäßigen, mittelmotorigen "Hot Hatch" von Hyundai real ist und sich abzeichnet. Obwohl der jüngste Neuzugang in der RM-Serie noch nicht reif für die Straße ist, mögen wir den RM19-Prototypen schon so wie er ist, inklusive aller Ecken und Kanten.

Hyundai RM19 Prototype: First Drive
Hyundai RM19 Prototype: First Drive
Hyundai RM19 Prototype: First Drive

Die Technik

Hyundai sagt, dass die Produktion des RM19 zum jetzigen Zeitpunkt noch "unentschieden" ist. Aber unsere kurze Zeit mit dem Fahrzeug zeigt uns, dass es noch viel zu tun gibt. Das überarbeitete Veloster-Fahrwerk und die renntaugliche Aufhängung machen den RM19 - wie wir annehmen würden - auf öffentlichen Straßen fast nutzlos. Der turboaufgeladene 2,0-Liter-Motor sitzt nun hinter dem Fahrer, so dass es keine Rücksitze gibt. Und mit nur 10 Zentimeter Bodenfreiheit (niedriger als bei einem McLaren 720S) will die Wahl der Straßen wohl bedacht sein.

Es gibt einige offensichtliche Parallelen zum straßentauglichen Veloster; die Keilform des RM und das Gesicht der Hyundai-Familie wirken bekannt. Aber der Rest der Karosserie setzt auf wild ausgestellte Radhäuser, eine Hot Wheels-ähnliche Optik und einen gigantischen Heckflügel. Die einzigen echten Serienteile sind die Scheinwerfer und der Kühlergrill - und wir sind uns nicht einmal sicher, ob erstere funktionsfähig sind.

Der Innenraum ist immerhin etwas alltagstauglicher. Hyundai spendiert hier Leder-Sportsitze mit Sechs-Punkt-Gurten von Sabelt und den 8,0-Zoll-Touchscreen des Veloster N. So ziemlich jede andere Innenraumkomponente stammt dagegen aus dem Veloster-TCR-Rennwagen: das knopflastige Alcantara-Lenkrad, die massiven Kohlefaser-Paddel und das sequenzielle Sechsgang-Renngetriebe. Von diesen Elementen werden wir in einem Serienmodell nichts wiederfinden, sofern ein Serienmodell überhaupt kommt.

Hyundai RM19 Prototype: First Drive
Hyundai RM19 Prototype: First Drive

Unglaublich schnell, wahnsinnig agil

Da der RM19 in seinem jetzigen Zustand noch weit von der Serienproduktion entfernt ist, übergab Hyundai uns (und etwa einem Dutzend anderer Journalisten) die Schlüssel zu seinem privaten kalifornischen Testgelände. Die Anlage erstreckt sich über 4.300 Hektar in der Wüste nahe der Stadt Mojave in Kalifornien und verfügt über mehr als 120 Kilometer fahrbare Teststrecken. Wir bekommen nur fünf dieser Kilometer, um den RM19 zu testen, aber es reicht.

In drei Runden übertrifft der Mittelmotor-RM19 die flüchtigen Erwartungen, die wir an diesen einst geheimnisvollen Prototyp hatten. Das sequentielle Sechsgang-Renngetriebe ist phänomenal. Hochschalten fühlt sich wie eine Millisekunde an. Ebenso schnell schaltet man zurück. Und das befriedigende metallische Geräusch, das das Sechsgang-Getriebe liefert, wenn man an einer der großen Kohlefaser-Schaltwippen zieht, grenzt an Erotik.

Das Getriebe, das aus einem Veloster N TCR-Rennwagen stammt, funktioniert wie eine traditionelle manuelle Schaltung, da es das Niederdrücken der Kupplung erfordert, um zuerst einzukuppeln. Danach nutzt man nur noch die Schaltwippen, um ohne Kupplung den Gang zu wechseln. Wie viele der Komponenten dieses Autos wird auch das komplizierte Getriebe nicht in Serie gehen. Aber vielleicht sollte es das. Wir können uns nicht vorstellen, dass irgendein straßenzugelassenes Auto so schnell schaltet; selbst McLarens gelobtes Siebengang-Getriebe fühlt sich im Vergleich dazu lethargisch an.

Wir können uns nicht vorstellen, dass irgendein strassenzugelassenes Auto so schnell schaltet.

Ebenso hervorragend ist der turboaufgeladene 2,0-Liter-Mittelmotor (wiederum aus dem TCR-Rennwagen gerissen und nun mit Hinterradantrieb ausgestattet). Mit 395 PS und 400 Newtonmeter Drehmoment, die auf eine Rennkarosserie mit leichtem Monocoque-Rahmen treffen, sind die Fähigkeiten des RM19 auf gerader Strecke absurd. Über 4.000 Umdrehungen liefert dieses heiße Eisen auf den längeren Geraden der Strecke und einer guten Portion Punch aus den Kurven heraus eine Performance auf Supercar-Niveau. Dieses Ding ist so schnell, dass Hyundai den Kurs mit behelfsmäßigen Schikanen an bestimmten Stellen übersäte, um uns davor zu bewahren, zu viel Spaß zu haben (und Unfälle zu bauen).

Aber auch Pylonen können nicht verhindern, dass der RM19 brutal viel Spaß macht; in nur drei Runden schaffen wir es, das Auto ziemlich heftig über die Strecke zu jagen. Die Einlenkfähigkeiten sind wiederum anders als alles, was wir je erlebt haben. Die Lenkung ist schnell und gestochen scharf. Die Federung ist straff und reaktiv, was dazu beiträgt, das Auto auch in den fiesesten Kurven flott bewegen zu können. Und dank der Abtriebskraft der Aerodynamik-Komponenten, ganz zu schweigen von den superhaftenden Pirelli P Zero-Reifen (245/30 ZR20 vorne und 305/30 ZR20 hinten), ermutigt einen der RM19, den Gasfuß unten zu halten. Es gibt einfach so viel Grip.

Absurde Geschwindigkeit und Handling erfordern jedoch hervorragende Bremsen. Und dank der großen Sechskolben- (vorne) und Vierkolben- (hinten) Bremssättel des RM19 brauchen wir nicht brutal auf dem Bremspedal zu stehen, um das Momentum dieses Autos am Ende der Geraden zu stoppen. Die großen Zangen leisten die meiste harte Arbeit für uns. Wie Motor und Getriebe stammen auch die Bremskomponenten aus dem TCR-Rennwagen.

Hyundai RM19 Prototype: First Drive
Hyundai RM19 Prototype: First Drive
Hyundai RM19 Prototype: First Drive
Hyundai RM19 Prototype: First Drive

So. Verdammt. Gut.

Seien wir ehrlich: Aktuell wird man nicht in der Lage sein, eine dieser Versionen so wie sie ist zu kaufen (zumindest nicht in einer straßenzulässigen Version). Hyundai entwickelte den RM19-Prototypen, um sowohl die Grenzen des Machbaren in seiner Produktpalette zu erweitern als auch den Wagen als Testfeld für zukünftige Produkte zu nutzen. Aber das Unternehmen verspricht einen RM20 mit einem anderen Getriebe und einem neuen Motor. Dieser sollte in naher Zukunft straßenfreundlicher und hoffentlich für die Kunden zugänglich sein.

Aber wir lieben den RM19 so wie er ist. Mit all seinen Ecken und Kanten. Das Getriebe ist phänomenal, wenn auch komplett für den Rennsport ausgelegt. Die Lenkung und die Aufhängung sind es auch. Und sogar mit einer knappen Kabine, die eindeutig nicht dazu bestimmt ist, Passagiere komfortabel zu befördern, kann man nicht umhin, sich in den RM19 zu verlieben, selbst in nur ein paar Minuten hinter dem Steuer. Wir bitten Hyundai: Baut das Ding ... oder zumindest einen Ableger davon!

Bildergalerie: Hyundai RM19 Prototyp im ersten Fahrbericht

Hyundai RM19 Prototyp

Motor 2,0-Liter-Turbo-Vierzylinder (TCR-Spezifikation)
Leistung 395 PS / 400 Nm
Max. Drehmoment 400 Nm
Getriebeart Sequenzielles Sechsgang-Getriebe (TCR-Spezifikation)
Antrieb Hinterradantrieb
Beschleunigung 0-100 km/h rund 4,0 Sek.
Höchstgeschwindigkeit 250 km/h
Anzahl der Sitze 2
Bodenfreiheit 10 cm