Es gibt eine vorübergehende mentale Trennung, als das Pace Car vor mir gerade gestartet ist– ich drücke die Kupplung, lege den ersten Gang ein und die 19 Zoll großen Pirelli P-Zeros drehen sich. Ich habe die entmutigendste Strecke der Welt vor mir: den Nürburgring.
Fast sofort bin ich im zweiten Gang, bis zum dritten, vierten. Ich hebe ab, bevor ich an „Hohenrain“ vorbeifahre, ein Sprotzeln und Knallen erfüllt die Kabine. Das ist kein Mercedes-AMG oder Aston Martin, der diesen Sound macht, wohlgemerkt, es ist ein Hyundai. Genauer gesagt, ist es das erste Hyundai-Performance-Modell für den US-Markt: der Veloster N.
Europa hat seine Version, den i30 N (in den USA wird der normale i30 als Elantra GT angeboten), bereits bekommen und fährt voll drauf ab. Seit dem Marktstart im November 2017 sind allein in Deutschland bereits 4.000 Bestellungen eingegangen.
Ein Dreitürer der besonderen Art
Und was ist mit dem Veloster N? Werfen wir einen kurzen Blick zurück: Im Jahr 2011 brachte Hyundai den ersten Veloster. Es war ein schrulliger, frontgetriebener Wagen mit drei Türen: eine auf der Fahrerseite, zwei auf der Beifahrerseite. Wie alle Hyundais jener Zeit bot er viel Ausstattung fürs Geld, aber seine Leistung war ein wenig mau.
Bald darauf folgte der Veloster Turbo mit einem 1,6-Liter-Vierzylinder, der für 201 PS und 265 Newtonmeter Drehmoment gut war. Er verfügte über ein verbessertes Fahrwerk sowie ein Sechsgang-Schaltgetriebe. Alles schön und gut, aber es fehlte immer noch das letzte Quäntchen Dynamik, vor allem im Vergleich zum VW Golf GTI, vom Ford Focus RS ganz zu schweigen. In Deutschland blieb der Veloster eine Randerscheinung, zumal hier der Turbo mit 186 PS auskommen musste. Ende 2016 stellte Hyundai den Import ein. Die zweite Veloster-Generation (natürlich wieder mit drei Türen) ist seit 2018 nur ein Vergnügen für Länder außerhalb Europas.
Doch zurück zum neuen Veloster N: Jetzt fliegen wir auf den „Flugplatz“, viel zu sehr auf die Strecke konzentriert, um mit den fünf Fahrmodi zu spielen, aber ein tiefer Eindruck bleibt: Wir sind in einem Hyundai mit einem fähigem Frontantrieb und wir haben Spaß.
Trotz eines 2,0-Liter-Twin-Scroll-Turbo, der mit dem Performance Pack 275 PS leistet – eine 250-PS-Version ist Standard – ist der Veloster N nie wahnwitzig schnell, aber er bietet einen gut nutzbaren, unterhaltsamen Auftritt. Das bislang einzig erhältliche Getriebe ist eine Sechsgang-Schaltung (Enthusiasten werden das begrüßen), eine Achtgang-Automatik soll aber in Arbeit sein. Klar, damit kann man in den USA mehr Punkte sammeln. Hyundai sagt, dass der handgerührte Veloster N mit Launch Control in 6,1 Sekunden die 100-km/h-Marke knackt.
Keine Angst vor Kurven
Vielleicht am wichtigsten: Zum ersten Mal hat ein Auto mit dem Hyundai-Logo keine Angst vor Kurven. Es gibt relativ wenig Untersteuern, und es ein schönes Gefühl, wenn man durch Kurven fährt. Der ehemalige BMW-M-Mann und heutige Vizepräsident der Hyundai Group R&D, Albert Biermann, sagt, dies sei beabsichtigt. Biermann ergänzt, dass die Marke N zwar für Namyang – Hyundais Forschungs- und Entwicklungsheim in Korea – steht, aber auch für den Nürburgring, da alle N-Autos in Hyundais Werk am „Ring“ ihre Endabstimmung bekommen. Das "N"-Logo selbst soll übrigens eine Schikane darstellen. Unbestreitbar ist, dass viel Arbeit in die Dynamik investiert wurde.
Interessanterweise hat Hyundai auf Brembo-Bremsen verzichtet. "Wir hätten Brembos leicht einbauen können, aber dann steigen die Kosten. Wir wollen, dass dieses Auto zu einem erschwinglichen Preis angeboten wird, daher bieten wir die Brembos in teuereren Modellen an", sagt Biermann. In der Tat: Sowohl der Kia Stinger als auch der Genesis G70 verfügen beide über Brembos in ihren 3,3-Liter-Turbomodelle.
Der Veloster N bekommt wie der i30 N in der Performance-Version vorne 345-Millimeter-Scheiben, beim normalen N sind es 330 Millimeter Durchmesser. Wir bremsten oft auf dem Ring, wo ein schnelles Stoppen vielleicht sogar noch wichtiger ist, als flott auf Touren zu kommen. Das Urteil? Schnuppertest bestanden, auch bei harter Belastung riecht nix. In der Tat, die Bremsen sind geradezu beeindruckend, sowohl vom Pedalgefühl als auch in der Effektivität. Die Ingenieure haben ein Bremssystem entwickelt, auf das sie stolz sein können.
Stimmiges Gesamtpaket
Am nächsten Tag hatten wir ein bisschen mehr Einblick in das Gesamtpaket des Veloster N. Während man auf dem Nürburgring in nur zwei Runden viel lernen kann, wollten wir in der Lage sein, in unserem eigenen Tempo zu fahren und mit allen Modi unter verschiedenen Fahrbedingungen zu spielen.
So konnten wir auch das Styling mit einbeziehen. Unsere Testmodelle waren in einem babypuderblau lackiert, jenes „Performance Blue Uni“ werden Besitzer eines Hyundai i30 N kennen. Hinzu kommen rote Akzente. Außerdem gibt es einen großen Wabengrill, Lufteinlasskanäle vorne zur Unterstützung der Bremsenkühlung, einen leichten Flügel als Teil der Dachlinie und ein auffälliges LED-Design am Heck. Unten sind die Endrohre, einer an jedem Ende, weit auseinander gespreizt, um die Breite zu betonen, sagt Thomas Bürkle, Leiter des europäischen Designzentrums von Hyundai. Natürlich soll sich so der N aber auch von seinen schwächeren Veloster-Brüdern mit 149 und 204 PS absetzen.
Innen gibt es einen attraktiven 8-Zoll-Touchscreen mit spezieller N-Grafik, ein N-Lenkrad mit Fahrmoduswippen am Lenkrad, einen sportlichen Schaltknauf mit feiner Haptik und Sportsitze, die dich umarmen, aber nicht unbequem sind. Auch die Rücksitze sind nutzbar, mit viel Beinfreiheit und genug Kopffreiheit für die meisten Erwachsenen.
Fahrmodi für jeden Geschmack
Anschließend haben wir uns auf die Straßen rund um die Rennstrecke begeben und mit den verschiedenen Modi gespielt. Interessanterweise können drei der Modi über eine Taste auf der linken Seite des Lenkrads ausgewählt werden - Eco, Normal, Sport. Die beiden anderen "N"-Modi können über eine Taste auf der rechten Seite ausgewählt werden. Einer davon ist N Custom, mit dem Sie die Einstellungen nach Ihren Wünschen ändern können, während der reine N-Modus der aggressivste ist, einschließlich Lenkung, Beschleunigung, Federung und fetterem Sound.
Im Gegensatz zu früheren Hyundais bieten die Fahrmodi hier wirklich eine gewisse Differenzierung. Aufgrund begrenzter Zeit haben wir es nicht wirklich mit „Eco“ versucht, aber wir sind in „Normal“ gefahren. Das ist der ideale Modus für den Alltag. Nicht besonders sportlich, das Ansprechen des Gaspedals wird etwas zurückgenommen, der Sound deutlich leiser und die Lenkung abgekoppelt und weicher. Der Sportmodus, so stellt sich heraus, trifft einen schönen Mittelweg. Alles strafft sich, der Sound wird verstärkt, das Auto ist schneller und eben sportlicher.
Natürlich werden die maximale Geschwindigkeit und der beste Sound im N-Modus erreicht, doch im Gegenzug hüpfen wir über den Asphalt. Das Fahrwerk ist nicht wirklich ideal für die Landstraßen, auf denen wir unterwegs waren, aber vielleicht am besten für die Rennstrecke. Hier kann man im Custom-Modus auch ein individuelles Set-Up vornehmen.
Das bisher spaßigste Auto von Hyundai
Trotz relativ kurzer Fahrtzeit haben wir gemerkt, dass Hyundai hier auf einem guten Weg ist. Das Unternehmen hat die Marke N auf der IAA 2015 angekündigt und schnell damit begonnen, die notwendigen Personen zusammenzustellen.
Der daraus resultierende Veloster N ist das bisher spaßigste Auto von Hyundai, und ein weiteres Zeichen - zusammen mit dem Stinger und dem G70 - dass der Hyundai-Kia-Konzern massiv die Fahrdynamik seiner Autos verbessert.
Sollten Sie, werter deutscher Leser, den Veloster N hierzulande schmerzlich vermissen: Es gibt ein Trostpflaster. In der zweiten Jahreshälfte 2018 stellt Hyundai den i30 Fastback N vor. Er soll voraussichtlich im Januar 2019 auf den Markt kommen.
Bildergalerie: Hyundai Veloster N im ersten Test
2019 Hyundai Veloster N