Was ist das?

Vermutlich das größte Geschenk, das Porsche den wahren, den echten Enthusiasten machen konnte. Wenn Sie noch wissen, was ein Saugmotor ist oder dieses Ding da in der Mitte ... ähm, genau ... ein Schalthebel, wenn Sie noch wissen, was man tun muss, wenn da unten drei Pedale rumlungern oder wie sich anarchisch-mechanisches 8.000-Touren-Geschrei hinterm eigenen Rücken anhört, dann ist es völlig in Ordnung, wenn Ihnen jetzt der Speichel nur so aus den Mundwinkeln trieft. Frohlocken Sie, liebe Puristen, denn Cayman GT4 und Boxster Spyder sind zurück.

Als der erste Cayman GT4 2015 auf den Markt kam, war er vom Fleck weg ein absoluter Überraschungshit. 385-PS-Sechszylinder, manuelle Sechsgang-Box, Fahrwerk vom 911 GT3, kein Schnickschnack, relativ bezahlbar. Das musste förmlich durch die Decke gehen. Wenn der 911 immer schwerer, breiter und komplexer wird, gibt es ganz offensichtlich eine Menge Menschen, die sich eine Reduzierung aufs Wesentliche wünschen, eine Besinnung auf die guten alten Tugenden. Klar, du kannst deinen halben Kühlschrank in den Thermomix werfen und es wird was halbwegs Anständiges dabei herauskommen, aber du kannst verdammt nochmal auch zum Markt fahren, frisches Zeug kaufen, dein Steak auf richtigem Feuer brutzeln und deine Soße selber rühren. Du musst ein bisschen mehr ackern, aber es wird viel besser schmecken und es wird dich viel glücklicher machen. Das ist der GT4.

Letztlich war Porsche von der Nachfrage völlig überwältigt. Zahllose Interessenten schauten in die Röhre. Jetzt aber kriegen sie alle eine zweite Chance. Und die - um im Bild zu bleiben - hat das Potenzial, noch deutlich besser zu munden. Nicht nur, weil viel mehr Menschen einen der beiden bekommen werden. Die Produktion ist nicht mehr streng limitiert. Gebaut wird bis 2021.

Ich bin erregt. Was ist neu?

Herrje, eine ganze Menge. Jedes Mal, wenn Porsche-GT-Chef Andreas Preuninger und seine Jünger etwas Neues beginnen, scheint kein Weg zu weit, kein Aufwand zu groß, um letztendlich das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Zuerst einmal wäre da der Motor. Bisher gab es im 718 Cayman und Boxster ausschließlich Vierzylinder-Turbos. Schnell, effizient … nichts, wovon Sie noch Ihren Enkeln erzählen würden.

Jetzt gibt es einen neuen 4,0-Liter-Sechszylinder-Boxer, bei dem weit und breit keine Turbos zu sehen sind. Seltsamerweise handelt es sich dabei nicht um das Aggregat aus 911 GT3, Speedster und Co. Das aufwendige Meisterwerk hätte wohl nur mit Ach und Krach in den kleinen 718 gepasst. Außerdem wäre es zu teuer gewesen für Autos, die bei unter 100 Riesen anfangen. Stattdessen pflunzt hier eine komplette Neuentwicklung hinter Ihrem Gesäß. Es handelt sich um eine Ableitung des 9A2Evo-3,0-Liter-Biturbo aus dem 992. Für das richtige Motorsport-Mojo sorgen unter andrem eine steifere Schmiedestahl-Kurbelwelle, eine Kunsstoff-Ölwanne (36,5 Prozent leichter als das alte Guss-Teil) und hydraulische Ventile. Dazu gibt es Start-Stopp und eine Zylinder-Abschaltung.

Die Leistung beträgt 420 PS bei 7.600 Touren und 420 Nm Drehmoment zwischen 5.000 und 6.800 Touren. Maximal dreht das gute Stück 8.000 U/min. Was bleibt ist eines der besten Sechsgang-Schaltgetriebe der Welt. Sollten Sie ein Halbtags-Asket sein: 2020 wird Porsche noch ein 7-Gang-PDK nachschieben. Von 0-100 km/h geht es in 4,4 Sekunden, von 0-200 in 13,8. Maximal sind beim Boxster Spyder 301 km/h drin, der Cayman GT4 schafft 304 km/h.

Beide Autos (diesmal also auch der Spyder) erhalten die Vorderachse aus dem 911 GT3, hinten hat man eine verstärkte Leichtbau-Achse entwickelt (aufgrund der anderen Motorlage des 718 kann man hier nicht einfach die GT3-Teile übernehmen). Vorne wie hinten kommen die Dämpfer, die Quer- und Längslenker, die Fahrschemel und die steiferen Uniball-Lager aus dem GT3 zum Einsatz. Das PASM-Fahrwerk ist adaptiv und wenn Sie einen Wagenheber und ein wenig Zeit haben, können Sie vortrefflich daran herumdoktern. Stabilisatoren und Feder-Dämpfer-Einheiten sind einstellbar. Genauso wie die Aerodynamik. Entfernen Sie ein paar Plastikteile an den vorderen Diffusor-Kanälen, dann drehen Sie zum Ausgleich den Heckflügel um 3 Grad nach unten und schwupps - mehr Abtrieb.

Bildergalerie: Porsche 718 Spyder (2019) im Test

Apropos Abtrieb: Es gibt jetzt viel mehr davon. Der neue Heckflügel des GT4 mag nicht so arg anders aussehen als bisher, liefert aber 20 Prozent mehr Downforce. Der neue Heckdiffusor als Endstück eines voll verkleideten Unterbodens steigert den Abtrieb sogar um 30 Prozent. Damit er seine volle Wirkung entfalten kann, musste extra die Auspuffanlage quasi um ihn herum gelegt werden. 50 Prozent mehr Heck-Anpressdruck verlangen nach entsprechendem Ausgleich am Vorderwagen. Die Lösung: Ein massiveres Spoilerschwert und eine sogenannte Gurney-Flap unterhalb der Motorhaube, welche aus der heranströmenden Luft eine Art Sog-Wirkung erzeugt. Bei Topspeed generiert der GT4 122 Kilo Downforce. All das passiert, ohne negative Beeinflussung des cW-Werts. Der Spyder muss naturgemäß ohne den fetten Wing auf dem Heckdeckel auskommen. Der Rest des Aero-Pakets ist aber gleich. Gegenüber einem 718 Boxster GTS wurde der Auftrieb um 50 Prozent reduziert. Das hier ist der erste Boxster, der am Heck tatsächlich Downforce kreiert.

Wie bisher liegen GT4 und Spyder 30 mm tiefer, haben fette GT3-Style-20-Zöller mit 245er und 295er Michelin Cup2 Pneus, 380-mm-Bremsen, dickere Schürzen und im Falle des Cayman natürlich diesen gloriosen Flügel auf seinen schicken Alu-Füßen. Dazu kommt ein Alcantara-Interieur mit 360-mm-Lenkrad und auf Wunsch für den Cayman ein Clubsport-Paket (3.927 Euro) mit Überrollbügel, Sechspunkt-Gurt und Feuerlöscher. Das hier ist topseriöses Rennstrecken-Material und ganz nebenbei mal wieder anbetungswürdig attraktiv.

Porsche 718 Cayman GT4 (2019) im Test
Porsche 718 Cayman GT4 (2019) im Test

Wo so viel Licht ist, ist aber auch ein wenig Schatten. Der GT4 wiegt jetzt leer 1.420 Kilogramm, satte 80 Kilo mehr als bisher. Porsche will nicht so recht sagen, woran das liegt. Ein bisschen Motor, ein bisschen Diffusor vermutlich, dazu ein schwererer Anlasser. Der Nordschleife-Zeit hat es offensichtlich nicht geschadet. 7:28 Minuten stehen jetzt zu Buche. 12 Sekunden schneller als der Vorgänger. 4 Sekunden schneller als vor 15 Jahren ein gewisses Supercar namens Carrera GT. Meine Herren ...

Wie fahren sie?

Wenn Sie gestatten, würde ich zuerst auf den Cayman GT4 eingehen. Wir sind auf dem Knockhill Raceway, der berühmtesten Rennstrecke Schottlands. Mit zwei Kilometern nicht besonders lang, dafür aber ein ausgesprochen hinterhältiges Biest. Mit allerlei Kompressionen und blinden Kuppen, die nur darauf warten, Material oder gleich ganze Fahrzeuge zu morden. Nichts für schlechte Fahrwerke ... oder Mägen. 

Einmal schön tief hineingeplumpst in die glorreichen Carbon-Schalensitze (5.355 Euro, die man definitiv investieren sollte), kurz links am Schlüssel gezupft und mit einem zornigen Groll-Schrei klappt der Vierliter-Sauger die Augen auf. Puh, Gott sei Dank - kehlig, basstrommelig und ordentlich laut. Trotz zweier Partikelfilter hat Porsche hier die absolut richtige Kassette eingelegt. 

Raus auf den Track und schon nach zwei, drei Manövern wird klar, dass hier ein geschliffeneres Auto unterwegs ist. Der alte GT4 fühlte sich irgendwie roher, mechanischer, ein bisschen ungehobelter an. Der neue wirkt etwas sanfter, liegt lockerer in der Hand. Das ist nicht unbedingt weniger charismatisch, nur stressfreier in der Handhabung. Die Kupplung ist deutlich leichter, der verkürzte Schalthebel flutscht noch müheloser durch die Gassen. Einlenken, Richtungswechsel - gefühlt noch ein bisschen zackiger. Mit dieser leichtgängigen, positiven, ultrapräzisen und vor Gefühl berstenden Lenkung.

Porsche 718 Cayman GT4 (2019) im Test
Posche 718 Cayman GT4 Steff Wagner

Auf der Straße wirkt dieses Auto durchaus straff, wirklich straff. Also bei eher gemächlichem Tempo.  Hier aber fliegt es über Kuppen, taucht in Senken hinein, knallt über Kurbs, frisst hinterhältige Wellen auf, als wäre es nichts. Die Dämpfung ist unglaublich gut komponiert. Wie dieses Auto seine Bewegungen auch im Extremen im Griff hat, die Balance mit der es dich durch die komplette Kurve trägt - es dürfte verdammt schwer sein, derzeit etwas Besseres zu finden. Der GT4 quasselt dich permanent voll mit Information. Er kommuniziert und kommuniziert und kommuniziert. Du weißt immer genau, wann er gedenkt, vorne mit dem Grip aufzuhören und du weißt immer genau, wann er hinten anfangen will, zu rutschen. Du kannst ihn akkurat und sauber fahren. Ganz easy mit zwei Fingern runterschalten. Anbremsen. Nur wenn du voll in die Eisen gehst, wird er hinten etwas wackeln. Jetzt einlenken. Jap, das geht so zackig. Das Mehrgewicht merkst du nicht. Gar nicht. Drauf auf den Pinsel. Genießen, wie der GT4 sich aufpumpt, mehr und mehr Seitenführungskräfte aufbaut und sich mit beeindruckend viel Grip wieder aus der Kurve hinausbaggert. Du kannst ihn aber auch so herrlich locker leicht hindurchfliegen lassen, wenn du willst. Bisschen schneller, bisschen unsauberer rein in die Biegung, dieses leichte Rutschen - ausbalanciert, harmonisch, herrlich.

Und, ist es gut einen 718 mit Saugmotor zu fahren?

Oh ja. Dieses Aggregat ist eine echte Schönheit. Ansprechverhalten, Drehvermögen, Klang - drei Dinge, die einem letztlich doch noch das grösste Grinsen in die Fresse meißeln. Auch wenn er durch die OPFs akustisch vielleicht nicht mehr gar so um sich haut wie vorher, liefert er doch reichlich Sensationen fürs Ohr.

Ansonsten ist er so fein ausmodelliert, dass er Ihnen jederzeit genau das geben kann, was Sie von ihm verlangen. Wie haarfein und punktgenau man ihn befehligen kann, das kennt man ja heutzutage vor lauter Turboladern gar nicht mehr.

"Die absolute Verspieltheit, die Inbrunst und der Drang bis ganz hinauf auf 8.000 Touren sind bei diesem neuen Vierliter mal wieder eine helle Freude."

Und bevor Sie fragen: Ja, der GT4 ist noch immer zu lang übersetzt. Auf der Landstrasse ist das relativ egal, weil der neue Motor schon gut mehr Punch hat. Auf der Rennstrecke ist es manchmal ein wenig problematisch. Zwischen zweitem, drittem und viertem Gang kommt es oft zu Situationen, wo man nicht genau weiß, welche jetzt die bessere Option ist. Man tendiert dann dazu eher mal im dritten zu bleiben. Eigentlich eine Schande, wenn man bedenkt, wie sensationell das Getriebe ist. Es hat jetzt auch einen neuen Auto-Blip-Knopf fürs Zwischengas beim Runterschalten. Selbiges ist nun also nicht mehr an den Sport-Modus gebunden, was bedeutet, dass Sie jederzeit selbst entscheiden können, ob Sie ihr Hacke-Spitze-Künste zum Einsatz bringen wollen (oder vielleicht besser auch nicht).

Die absolute Verspieltheit, die Inbrunst und der Drang bis ganz hinauf auf 8.000 Touren sind bei diesem neuen Vierliter mal wieder eine helle Freude. An die völlig entfesselte, hirnfrostende Gier des 911-GT3-Aggregats, an das was mit dem eigenen Körper passiert, wenn dieses abartige 500-PS-Teil auf 9.000 U/min eskaliert, kommt die neue GT4-/Spyder-Maschine aber nach wie vor nicht heran. 

Ach ja, der Spyder. Fährt er anders?

Nun, da er nun den exakt gleichen Motor, das exakt gleiche Fahrwerk und große Teile der Aerodynamik an Bord hat, muss man wohl schon sehr penible Sensoren haben, um irgendwelche Unterschiede festzustellen. Vor allem, weil ich den Spyder nur auf der Landstraße bewegt habe. Wenn Sie auf viel frische Luft stehen, nichts gegen ein bisschen Verdeck-Gefummel haben und große Heckflügel hassen, dann kaufen Sie die offene Variante.

Soll ich ihn/sie kaufen?

Der Boxster Spyder hat sicher am meisten profitiert, weil es jetzt quasi keine Unterschiede mehr zum GT4 gibt. Klar, er kostet mindestens 93.350 Euro, aber es gibt für dieses Geld nichts, was auch nur annähernd ein derart wunderbares Chassis mit einem großartigen Saugmotor und so viel Frisuren-Zerstörungspotenzial verbindet. Abgesehen davon, ist es wirklich keine allzu große Qual, das Teil jeden Tag zu fahren.

Gleiches gilt für den mindestens 96.206 Euro teuren 718 Cayman GT4. Er ist wohl ein bisschen sanftmütiger und leichter zugänglich geworden. An Charakter und Handling hat er hingegen nichts eingebüßt. An den ultimativen Kick, dieses Manische, Fieberhafte eines 911 GT3 reicht er natürlich nicht heran. Nichtsdestotrotz liefert der neue GT4 Chassis- und Motor-mäßig besser ab als je zuvor. Ein unglaublich unterhaltsames Gerät. Brillant bis in die letzte Schraube. Sicher der beste Sportwagen, den man in diesem Preissegment kaufen kann. 

Fazit: 9/10

+ unglaublich fähiges, perfekt ausbalanciertes Chassis; hervorragender, klanggewaltiger Saugmotor mit einem der besten Schaltgetriebe der Welt; so einfach zugänglich, dass er selbst im Alltag funktioniert

- Getriebe etwas lang übersetzt; mittlerweile ziemlich schwer (obwohl man es nicht merkt); nicht ganz so manisch und einnehmend wie ein 911 GT3

 

 

Bildergalerie: Porsche 718 Cayman GT4 (2019) im Test

Technische Daten und Preis Porsche 718 Cayman GT4

Motor Sechszylinder-Boxermotor; 3.998 ccm
Antrieb Hinterradantrieb
Getriebeart Sechsgang-Schaltgetriebe
Leistung 309 kW (420 PS) bei 7.600 U/min
Max. Drehmoment 420 Nm bei 5.000-6.800 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h 4,4 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 304 km/h
Leergewicht 1.495 kg
Kofferraumvolumen 150 Liter
Verbrauch Normverbrauch: 10,9 Liter
Emission 249 g/km CO2
Basispreis 96.206 Euro