Jetzt ist es beschlossene Sache: Die EU-Verkehrsminister haben das Verbrennerverbot ab 2035 verabschiedet, allerdings auf Druck Deutschlands mit der Ausnahme von sogenannten e-Fuels. Was bedeutet das konkret in der Praxis? Müssen Autofahrer dann um ihren fahrbaren Untersatz fürchten? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Was hat man beschlossen?

Am 14. Februar 2023 hatte das Europaparlament das Aus für Neuwagen mit Verbrenner ab 2035 beschlossen. Es gab grünes Licht für die neuen CO2-Reduktionsziele für neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge im Rahmen des Pakets "Fit für 55".

Die neuen Regeln ebnen den Weg zu dem CO2-Flottenziel der EU. Demnach sollen neue Pkw und leichte Nutzfahrzeuge bis 2035 emissionsfrei werden, man will die CO2-Emissionen im Vergleich zu 2021 um 100 Prozent reduzieren. Zwischenziel bis 2030 ist, die Emissionen bei Neuwagen um 55 Prozent und bei leichten Nutzfahrzeugen um 50 Prozent zu senken.

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Hersteller, die pro Kalenderjahr nur kleine Mengen produzieren – also 1.000 bis 10.000 neue Pkw oder 1.000 bis 22.000 neue leichte Nutzfahrzeuge –, können bis 2035 von den Verpflichtungen ausgenommen werden. Hersteller, die weniger als 1.000 Neufahrzeuge pro Jahr produzieren, sind auch in Zukunft davon ausgenommen. Dies würde etwa Kleinserienhersteller wie Bugatti oder Pagani betreffen.

Das Verbrennerverbot ist Teil des sogenannten European Green Deal. Dahinter verbirgt sich eine langfristige Wachstumsstrategie, um die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die EU ihre Emissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 senken.

Schadet das nicht der deutschen Autoindustrie?

Das wird sich zeigen. Allerdings hat die Mehrheit der Hersteller schon längst einen eigenen Fahrplan aufgestellt, zumal auch andere Regionen der Welt die Zukunft für Verbrenner nicht einfacher machen. Jaguar wird sich bereits 2025 vom Verbrennungsmotor verabschieden und Renault, Volvo, Ford of Europe, Bentley sowie Rolls-Royce werden bis 2030 folgen.

In sieben Jahren werden die meisten (wenn nicht alle) Stellantis-Marken auf Benzin- und Dieselmotoren verzichten. Audi wird ab 2026 nur noch Elektroautos neu auf den Markt bringen und beabsichtigt, die Produktion von Verbrenner-Modellen bis 2033 einzustellen. BMW und Mercedes werden noch vor 2030 auf reine Elektroautos umsteigen, sollte dies in bestimmten Märkten innerhalb der EU zur Pflicht werden. Allerdings schließen beide nicht aus, auch nach 2035 noch Verbrenner zu bauen, jedoch für andere globale Märkte.

Bildergalerie: Volkswagen ID.2all (2023)

Kia und Hyundai werden ab 2035 in Europa ausschließlich Elektroautos verkaufen, fünf Jahre nach der hauseigenen Luxusmarke Genesis. VW will bis 2027 rund 120 Milliarden Euro in den Ausbau der E-Mobilität und in die Digitalisierung investieren. Volkswagen-Konzernchef Blume hält den europaweiten Ausstieg aus dem Verbrennermotor von 2035 an für ein ehrgeiziges, aber erreichbares Ziel.

Dafür brauche es gute Produkte, eine funktionierende Ladeinfrastruktur und ausreichend erneuerbare Energien. Im Interview mit dem NDR sagte Blume, Volkswagen habe sich klar für ein straffes Hochfahren der Elektromobilität entschieden. "Wir sind fest davon überzeugt, dass die Elektromobilität dem Verbrennermotor in Kürze überlegen sein wird."

Darf ich dann mein älteres Auto mit Verbrenner noch fahren?

Ja. Das beschlossene Verbot für Verbrenner gilt nur für Neuzulassungen. Wer zu diesem Zeitpunkt noch einen Benziner oder Diesel besitzt, kann ihn theoretisch in alle Ewigkeit fahren. Allerdings könnten immer mehr Fahrverbotszonen in Städten diese Form der Mobilität erschweren.

Mercedes W 124 Taxi

Darf auch nach 2035 noch gefahren werden: Der legendäre Mercedes 200 D Taxi-Diesel

Jedoch ist eine kalte Enteignung aller Verbrenner-Besitzer rechtlich kaum möglich, man denke nur an die Werte, die bei einigen Oldtimersammlern in der Garage stehen. Hinzu kommt ein ganz praktisches Problem: Laut KBA wurden 2022 noch immer 45 Millionen Pkw mit fossilen Brennstoffen angetrieben, dem gegenüber steht eine Million reiner Elektroautos.

Bis zum Jahr 2030 hofft die deutsche Bundesregierung auf 15 Millionen Elektroautos. Aber selbst dann gäbe es immer noch 30 Millionen Pkw mit Verbrenner und auch 2035 noch einige Millionen. Denn selbst wenn E-Autos bis dahin bezahlbar sind: In jeder Epoche gibt es Menschen, die sich schlicht keinen Neuwagen leisten können oder wollen.

Was sind diese e-Fuels?

Auf Druck der deutschen Seite will sich die EU-Kommission um die Einführung einer neuen Fahrzeugkategorie kümmern. Diese soll Fahrzeuge umfassen, die ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen betankt werden. Dabei soll mit technischen Einrichtungen sichergestellt werden, dass das Auto nicht gestartet werden kann, wenn Benzin oder Diesel im Tank ist.

In einem weiteren Schritt soll dann durch einen so genannten delegierten Rechtsakt festgelegt werden, dass die CO2-Emissionen der e-Fuels-Fahrzeuge mit null bewertet werden.

Bislang ist die Produktion besagter Kraftstoffe noch gering, da sie viel Energie benötigt. e-Fuels werden mit Hilfe von Strom aus erneuerbaren Energien, Wasser und CO2 aus der Luft hergestellt und setzen damit im Gegensatz zu herkömmlichen Kraft- und Brennstoffen kein zusätzliches CO2 frei, sondern sind in der Gesamtbilanz klimaneutral.

Siemens Energy prognostiziert eine Beimischung von 42 Prozent e-Fuels im Jahr 2035 und 100 Prozent im Jahr 2050. Dann könne man synthetische Kraftstoffe kostengünstig herstellen. Kritiker sagen, mit dem dafür aufgewandten Strom könne man direkt Elektroautos laden, deren Wirkungsgrad deutlich über dem von Verbrennern liegt. Befürworter hoffen auf eine günstige Herstellung etwa mit Solarenergie in Ländern, in denen die Sonne intensiv scheint.  

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Wird es 2035 genügend Ladeinfrastruktur für Elektroautos geben?

Das bleibt zu hoffen, je mehr der Markt von E-Autos durchdrungen wird. Derzeit gibt es in Deutschland gut 100.000 Ladepunkte für die bereits erwähnten eine Million reinen Elektroautos. In diesem Punkt sind Bund, Länder und Kommunen gefragt. Neben finanziellen Aspekten sind hier auch die rechtlichen Voraussetzungen kompliziert.

An Autobahnen und Fernstraßen in der EU soll es künftig alle 60 Kilometer eine Ladesäule für Elektroautos geben. Darauf einigten sich Unterhändler des EU-Parlaments und der Mitgliedstaaten. Für Wasserstoff soll es alle 200 Kilometer eine Tankstelle geben.

Betrachtet man sich die gesamte EU, gibt es hier ein deutliches Gefälle: Insbesondere Länder in Osteuropa, aber auch Griechenland oder Spanien hinken noch deutlich hinterher, was den Anteil von Elektroautos und Ladepunkte angeht. Abseits der Wissing-e-Fuels-Debatte könnte das Verbrennerverbot ab 2035 also womöglich in wirtschaftlich schwächeren EU-Staaten für Probleme sorgen, von potenziellen EU-Beitrittskandidaten ganz zu schweigen.