Supersportwagen gibt es inzwischen gefühlt wie Sand am Meer. Doch dieses Hypercar sticht in vielerlei Hinsicht aus der Masse hervor: der Czinger 21C. Das Kürzel "21C" steht für 21st Century, also das 21. Jahrhundert. Und die Macher rund um Kevin Czinger (Aussprache: Singer mit scharfem S) sind nicht einfach auf Shoppingtour gegangen, um das Resultat mit ihrem Namen zu versehen.
Der 21C ist weit innovativer, wie uns Kevin Czinger und sein Sohn Lukas im persönlichen Motor1-Interview im Rahmen des Festival of Speed in Goodwood erläutert haben. Bereits die ungewöhnliche Optik sticht ins Auge.


Motor1: "Ein außergewöhnliches Auto, vor allem von innen. Das Cockpit sieht aus wie direkt aus einem Flugzeug."
Lukas Czinger: "Das stimmt. Unsere Inspiration war die Lockheed SR-71 Blackbird, ein Spionageflugzeug mit Mach 3,3 Höchstgeschwindigkeit."
Kevin Czinger: "Sie hat uns zu der 1+1-Sitzanordnung inspiriert. Es ist auch sehr viel "Form folgt Funktion" dabei. Wir haben sorgfältig auf die aerodynamische Leistung des Autos geachtet. Es gibt auch mehr Platz für die Kotflügel usw., um Abtrieb zu erzeugen. Dieses Auto erzeugt einen Abtrieb von bis zu 2,5 Tonnen bei 200 mph (322 km/h), das ist der höchste Abtrieb, der je bei einem Serienauto erreicht wurde."
Sehen wir uns die Technik des 21C genauer an: Der Hybrid-Antriebsstrang basiert auf dem laut Czinger leistungsstärksten Serienverbrennungsmotor der Welt. Es handelt sich um einen 2,88-Liter-V8 mit flacher Kurbelwelle und zwei in der Fahrzeugmitte angeordneten Turbos. Eckdaten: 950 PS und 745 Nm maximales Drehmoment.

Jener V8 ist mit einem 800-Volt-Elektroantrieb und einem Regenerationssystem gekoppelt. Ein Elektromotor treibt jedes Vorderrad an, und die Batterien werden während des Betriebs sowohl durch regeneratives Bremsen als auch durch eine Motor-Generator-Einheit (MGU) aufgeladen, die ein am Verbrennungsmotor angebrachtes Getriebe nutzt. Das gesamte starke Hybridsystem liefert eine Spitzenleistung von 1250 PS. Der Antriebsstrang umfasst zudem ein sequentielles Siebengang-Transaxle-Getriebe mit einer elektrohydraulisch betätigten Lamellenkupplung, die den gesamten Antriebsstrang komplettiert.
Motor1: "Eine der Fragen, die Sie wahrscheinlich oft hören: Warum noch einen weiteren Supersportwagen bauen?"
Czinger: "Ich denke, Sie stellen genau die richtige Frage. Wenn dies nur ein weiterer Supersportwagen wäre, auf keinen Fall! Hier wird etwas gezeigt, das es noch nie zuvor auf der Welt gab. Der gesamte Herstellungsprozess basiert auf digitalen Werkzeugen, mit denen die Ingenieure ihre technische Kreativität perfekt in eine Form bringen können. Diese Form wird auf Maschinen mit von uns entworfenen Materialien gedruckt und dann zusammengebaut."

Der Czinger 21C, das erste Modell einer auf 80 Exemplare limitierten Serie exklusiver Hochleistungsfahrzeuge, wurde zum Teil mit additiven Fertigungstechnologien hergestellt. Jedes mit dieser Technologie gefertigte Bauteil wird mit Hilfe von künstlicher Intelligenz computergestützt entwickelt, in Bezug auf Gewicht und Leistung optimiert und von Hand vollendet.
Der 21C weist seit seiner ersten öffentlichen Vorstellung im März 2020 im Vorfeld des abgesagten Genfer Automobilsalons bedeutende Updates auf, darunter eine aktualisierte Breite von 2050 mm. Mit 1.250 PS und einem Trockengewicht von weniger als 1240 kg erreicht der 21C ein echtes Leistungsgewicht von 1:1. Ein Upgrade um 100 PS bietet 1350 PS.
Zudem ist der 21C ist für den Betrieb mit einer Reihe von Kraftstoffen ausgelegt, darunter mit recyceltem Methanol und anderen E-Fuels, so dass er als emissionsfreies Fahrzeug betrieben werden kann. Offiziell stehen 10,4 Liter auf 100 km und ein CO2-Ausstoß von 250 Gramm pro km nach WLTP zu Buche.


Motor1: "Der Motor und der Antriebsstrang des Fahrzeugs sind von Ihnen selbst entwickelt worden?"
Czinger: "Es ist unser eigener Antriebsstrang. Sie wollen das ultimative Auto, mit dem Sie im Elektromodus fahren können, um ein Stück Pizza zu holen und dann auf die Rennstrecke zu gehen und den Streckenrekord zu brechen."
Motor1: "Es ist also ein außergewöhnlicher Antriebsstrang, aber keine Raketenwissenschaft?"
Czinger: "Sie steigen ein und es ist, als würden Sie mit einem Elektroauto bei niedriger Geschwindigkeit zum Supermarkt fahren. Wenn man dann auf die Rennstrecke geht, nutzt man die Leistung des Mittelmotors und die des Elektromotors. Und dann ist er ein absolutes Rennstrecken-Biest. Das Außergewöhnliche an ihm ist: Es ist ein Serienauto, das, je schneller man fährt, desto linearer ist. In die Kurve schneiden, aus der Kurve kommen."
Mit Fahrer und Beifahrer in der Mittelposition für optimale Gewichtsverteilung, Aerodynamik und Fahrereingriff liegt die Viertelmeilenzeit bei 8,1 Sekunden, die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h erfolgt in 1,9 Sekunden, von 300 km/h auf 0 in 13,8 Sekunden und von 400 km/h auf 0 in 27,1 Sekunden, von 300 km/h auf 186 km/h in 8,5 Sekunden und von 400 km/h auf 248 km/h in 21,3 Sekunden. Spitze? 407 km/h. Der 21C hat ein Auftriebs-Widerstands-Verhältnis von >3:1 mit 615 kg Abtrieb bei 100 mph und bereits erwähnte 2.500 kg bei 200 mph (Konfiguration mit hohem Abtrieb).
Das zeigt Wirkung: Czinger Vehicles fuhr zum Circuit of the Americas (COTA) in Austin, Texas - und ließ den bisherigen Rundenrekord für Serienfahrzeuge eines McLaren P1 um mehr als 6 Sekunden hinter sich.
Jener Czinger 21C wurde in kompletter Straßenversion mit kompletter Innenausstattung, Beleuchtung und Michelin Pilot Cup 2R Straßenreifen gefahren. Die Rekordzeit wurde am 23. September 2021 mit dem Fahrer Joel Miller am Steuer aufgestellt. Die Rundenzeit von 2:11:33 wurde mit mehreren GPS-Systemen aufgezeichnet. Der bisherige Rekord lag bei 2:17:12.

Das Hypercar wird in Los Angeles entworfen, konstruiert und hergestellt. Dabei kommen modernste Technologien zum Einsatz, die in ein patentiertes Produktionssystem integriert sind. Dieses System umfasst automatisierte KI-basierte Design- und Optimierungssoftware, patentierte additive Fertigungsverfahren, hochpräzise automatisierte Montage und neuartige Hochleistungsmaterialien.
Kevin Czinger dazu: "Wir haben von Grund auf unsere eigene Konstruktionssoftware, unsere eigene Fertigungstechnologie und unsere eigenen Materialien sowie unser eigenes Montagesystem entwickelt. Das ist der Grund, warum das Auto Marken wie McLaren oder Aston Martin auf der Rennstrecke schlagen kann, nicht weil wir das, was sie tun, besser machen. Wir machen etwas anderes."
Jedes Bauteil, das rechnerisch entwickelt, gedruckt und montiert wird, liegt an der Grenze der theoretischen Leistungsfähigkeit. So ist beispielsweise der vordere obere Querlenker hohl und verfügt über interne Strukturen, die im Vergleich zu einer herkömmlichen, mit Werkzeugen gefertigten Variante erhebliche Gewichtseinsparungen ermöglichen, wodurch die ungefederten Massen erheblich reduziert werden.

Der 21C ist in hohem Maße anpassbar, sowohl in Bezug auf die Spezifikationen als auch auf die individuelle Gestaltung. Der 21C wird in zwei vollständig homologierten Spezifikationen präsentiert, einer leichten Konfiguration mit hohem Abtrieb und einer Konfiguration mit geringem Luftwiderstand.
Während des Festivals in Goodwood stellte Czinger auch seine Partnerschaft mit Alcantara vor, einem italienischen Unternehmen, das in der Automobil-, Design-, Mode-, Unterhaltungselektronik- und Schifffahrtsindustrie stark vertreten ist.
Die Partnerschaft macht sowohl für Czinger als auch für Alcantara Sinn, da sich beide Unternehmen der Nachhaltigkeit verschrieben haben und Stil und Innovation in den Mittelpunkt ihres jeweiligen Geschäfts stellen: Beide Designteams arbeiteten zusammen, um eine breite Palette von innovativen Anwendungen für die leichten Alcantara-Materialien zu entwickeln und den Innenraum des Czinger 21C extrem individuell zu gestalten.
Die Auslieferung der ersten vollständig homologierten Czinger 21C ist für Ende 2023 geplant. Sie werden in Amerika entwickelt und hergestellt. Eines der 80 geplanten Exemplare soll rund 2 Millionen Dollar kosten und auch in Deutschland erhältlich sein. Doch damit nicht genug, wie uns die Czingers verraten ....
"Bereits in ein paar Wochen werden wir unser nächstes Modell vorstellen. Das wird ein viersitziges Fahrzeug zu einem niedrigeren Preis sein. Höheres Volumen, aber immer noch sehr exklusiv. Mehr Volumen für unsere Verhältnisse.
Wir wollen High-Performance-Autos mit geringeren Stückzahlen herstellen, damit wir immer die neuesten Entwicklungen anbieten können. Aber wir haben eine Technologie, mit der man völlig neue und andere Strukturen herstellen kann, ohne in neue Guss- und Stanzwerkzeuge zu investieren, so dass wir sehr unterschiedliche Fahrzeuge herstellen können.
Am Ende des Jahrzehnts, im Jahr 2030, werden Sie sechs oder sieben verschiedene Modelle haben, von denen jedes sehr unterschiedlich sein wird und ein etwas anderes Segment definiert."