Unsere geschätzten Leser haben bestimmt schon einmal die Rubrik "Kennen Sie den noch?" studiert. Dort stellen wir Autos von früher vor, die inzwischen fast vergessen sind. Doch was ist mit den Modellen, die durchaus noch zahlreich im Straßenverkehr umherfahren? Jene Typen, die jeder kennt, die aber auch schon gut 20 Jahre, aber teilweise auch viel weniger auf dem Buckel haben.

Werden sie einmal Oldtimer? Das birgt Zündstoff für kontroverse Diskussionen. Einige dieser Modelle wollen wir in unserer neuen Reihe "Klassiker der Zukunft?" vorstellen.

Bereits vor geraumer Zeit hatte ich mit Blick auf den Ford Fiesta der 1980er-Jahre geschrieben: Kleinwagen haben keine Lobby, wenn sie in die Jahre kommen. Hier ist noch so ein Beispiel: Der Opel Corsa B kam 1993 heraus, also vor inzwischen 27 Jahren. In nicht allzu ferner Zeit könnten die ersten Modelle ein H-Kennzeichen kriegen. Ein Corsa B! 

Überkommt Sie da nicht auch ein komisches Gefühl? (Neben der Tatsache, dass man plötzlich merkt, wie alt man ist.) Ein H-Kennzeichen an so einem Auto? Plastik-Massenware aus den Neunzigern. Über vier Millionen Mal verkauft. Ist wie ein uraltes Handy von damals: So etwas hebt doch keiner auf. Wozu auch? Ein Hoch dem technischen Fortschritt!

Aber genauso dachte man mit zeitlichem Abstand über einen Mercedes Strich-Acht, Opel Ascona oder VW Passat. Heute freut man sich, diese Typen wieder zu sehen. Lassen Sie uns also einen näheren Blick auf den Opel Corsa B werfen.

Opel Corsa B (1993-2000)

Zunächst fällt auf, wie lange damals die Modellzyklen waren: Der damals neue Corsa beerbt 1993 seinen Vorgänger nach elf Jahren. Trotz des Erfolges des Corsa A entschließt man sich in Rüsselsheim, den Nachfolger als echten Frauenliebling zu positionieren.

Also macht sich Designer Hideo Kodama an die Arbeit und gestaltet einen wesentlich runderen, weicheren Corsa, dessen Scheinwerfer als hübsche Kulleraugen ganz und gar dem klassischen Kindchenschema entsprechen.

Opel Corsa B (1993-2000)

Grundlage für seine Arbeit ist die Studie Opel Junior von 1983. Gleichzeitig wird der 3,73 Meter lange Corsa B individueller gestaltet. Ganz im Geist der Neunziger gibt es etwa in der Joy-Ausstattung (siehe Foto) grell-türkise Schalter und Instrumente, ebenso poppige Farben außen.

Im März 1993 debütiert zunächst der dreitürige Corsa B, im August des Jahres folgt der Fünftürer. Er unterscheidet sich sichtbar durch ein drittes Seitenfenster, eine steilere C-Säule und andere Rückleuchten. 

Opel Corsa B (1993-2000)

Der Corsa B legt zehn Zentimeter an Länge zu und wird im Innenraum deutlich geräumiger als sein Vorgänger. Zudem sorgt er mit ABS, Seitenaufprallschutz und vorderen Airbags (die indes erst später serienmäßig sind) für neue Sicherheitsstandards in seinem Segment. 

Die Benzinmotoren verfügen bereits über Einspritztechnik und Katalysatoren, sind aber an der Basis zunächst alte Bekannte: Die Aggregate mit 1,2 und 1,4 Liter Hubraum respektive 45 und 60 PS stammen noch aus dem Corsa A. Erst im Sommer 1997 kommt ein völlig neu konstruierter Dreizylinder-Benziner mit 54 PS. Sein Ableger mit vier Zylindern bringt es auf 65 PS. 

Im Triebwerk des Corsa GSi tanzt beim B-Modell ein Ballett von 16 Ventilen. Es sorgt zunächst für 109 PS, später sind es 106. Nicht ganz so rabiat ist der Corsa Sport mit 82 PS (ab September 1994: 90 PS). Das mag heute nicht nach viel klingen, doch der Corsa B wiegt nur zwischen 835 und 1.135 Kilogramm.

Opel Corsa B (1993-2000)

Der Diesel bekommt Turboaufladung, als unzerstörbar gilt unter Insidern bis heute der von Isuzu stammende 1,7-Liter-Saugdiesel mit 60 PS und ohne Servolenkung, weil dafür konstruktiv kein Platz blieb. Doch die Selbstzünder bleiben im Corsa B selten, die spätere Steuergesetzgebung macht den Überlebenden den Garaus.

Für spezielle Märkte stellt Opel der Schräghecklimousine einen Kombi, einen Pick-up und erneut eine Stufenheckversion zur Seite. Der Kombi wird in Argentinien gebaut und sogar nach Italien exportiert. Zwar wird der Corsa B im November 2000 vom C abgelöst, doch er lebt global weiter: Südafrika, Indien, Südamerika, Japan, Ostafrika, China und Ozeanien sind nur einige der Regionen.

Nicht zu vergessen natürlich Großbritannien, wo der Corsa als Vauxhall angeboten wird. Oft wird der Corsa B rund um den Globus zum Chevrolet. In China beerdigt man ihn erst 2009, als Chevrolet Celta lebt er stark modifiziert in Brasilien sogar noch bis 2015.  

Opel Tigra A (1994-2001)
Opel Tigra A (1994-2001)

Apropos modifiziert: In Europa mutierte der Opel Corsa B zum Tigra, einem kleinen Sportcoupé, das manchem noch durch die Werbung mit Schwimmstar Franziska van Almsick bekannt sein dürfte. Der Tigra hat gewiss Sammlerpotenzial, aber ein gewöhnlicher Corsa B?

Wie fast immer bei gealterten Kleinwagen wandern zunächst die unverbastelten Sportversionen in Liebhaber-Hände, in unserem Fall also der Corsa B GSi und mit Abstrichen der Sport. Ansonsten wird es schwierig, zumal die zweite Corsa-Generation wie fast alle Opel der 1990er-Jahre ein fieser Roster war. Erst mit dem Facelift im Sommer 1997 besserte sich die Rostvorsorge.

Technisch dagegen gilt der Corsa B typisch Opel als relativ solide. Nur sind die Brot-und-Butter-Autos wenig aufregend, wenn nicht gar reizarm. Einen Corsa mit 45 PS und 145 km/h Spitze muss man mögen. ("Untermotorisiert" schrieb 1996 der ADAC angesichts von 20 Sekunden auf 100 km/h. Grundpreis damals übrigens: 17.700 DM.) Hier liegt der Charme in der Ausstattung und Farbe: Innen wie außen türkis ist sehr zeitgeistig. 

Fazit: 5/10

Fest steht: Wer unbedingt einen Opel Corsa B retten will, hat derzeit noch freie Auswahl, solange es kein GSi oder Diesel sein soll. Die Preise sind im Keller, weshalb man stets das bessere Auto vorziehen sollte. Noch mag es gepflegte Corsa B von Hausfrauen und Rentnern geben. Aber auch hier lautet das Damoklesschwert: Rost! Kleinwagen haben es schwer, alt zu werden. Das gilt ganz besonders für den Corsa.

Bildergalerie: Opel Corsa B (1993-2000)