Unsere geschätzten Leser haben bestimmt schon einmal die Rubrik "Kennen Sie den noch?" studiert. Dort stellen wir Autos von früher vor, die inzwischen fast vergessen sind. Doch was ist mit den Modellen, die durchaus noch zahlreich im Straßenverkehr umherfahren? Jene Typen, die jeder kennt, die schon deutlich über 20 Jahre, teilweise aber auch viel weniger auf dem Buckel haben.
Werden sie einmal Oldtimer? Das birgt Zündstoff für kontroverse Diskussionen. Einige dieser Modelle wollen wir in unserer Reihe "Klassiker der Zukunft?" vorstellen.
Heutzutage ist der VW Golf Variant ein fester Bestandteil der Modellpalette und bei jeder neuen Generation fest eingeplant. Dabei mussten Golf-Kunden ziemlich lange auf einen Kombi verzichten. Sowohl den Golf I als auch den Golf II gab es nicht als Variant, in den 1970er- und 1980er-Jahren verwies man auf den (zunächst auch nur 4,20 Meter langen) Passat Variant.
Hatte man noch 1974 in der Entwicklung aus Kostengründen auf einen Kombi verzichtet, so hatte man später in Wolfsburg Angst davor, den Passat zu kannibalisieren. Erst beim Passat B3, der 1988 auf 4,57 Meter anwuchs, ergab sich die nötige Lücke. Zudem dürften nicht wenige Kunden protestiert haben, warum sie einen teuren Passat kaufen müssen, um einen Kombi der Marke VW zu bekommen.
Nicht zuletzt hatte die Kompakt-Konkurrenz von Ford, Opel und aus Japan schon lange einen Kombi im Angebot, selbst Peugeot (beim 305) oder Fiat (beim Regata) konnten liefern. Bevor noch mehr Kunden abwanderten, brachte VW anno 1993 endlich einen Golf Variant auf den Markt.
Laut Golf-Chronist Russell Hayes war diese Version aber angeblich nicht von vornherein beim Golf III eingeplant gewesen. Das zeige laut Hayes der Verlauf der hinteren Seitenlinie. Tatsächlich basierte der 4,34 Meter lange Golf Variant auf der Stufenheck-Limousine VW Vento. Den Kunden dürfte das schnuppe gewesen sein. Sie griffen sofort in Scharen zu und erfreuten sich an einem Meter Breite zwischen den Ladekästen.
Dachhoch beladen schluckte der Kombi-Golf 1.425 Liter und damit nur unwesentlich weniger als sein Passat-Cousin. Normal gefüllt waren es zwischen 440 und 800 Liter, die Zuladung betrug bis zu 500 kg. Die Hinterradaufhängung war übrigens neu gestaltet worden. Im Angebot war der Golf Variant zunächst als CL, GL und GT/GTD. Die Benziner reichten von 60 PS bis zu 115 PS, die Diesel von saugenden 64 PS, dessen Turbo-Ableger mit 75 PS bis zum TDI mit anfangs 90, später auch 110 PS.
Selten blieb im Variant der VR6, die absolute Spitze des Variant-Angebots markierte dessen 190-PS-Version mit 2,9 Liter Hubraum und Allrad. Er benötigte nur 8,1 Sekunden auf Tempo 100 und rannte bis zu 222 km/h. Kostenpunkt: Fast 50.000 DM.
Bildergalerie: VW Golf III Variant VR6 und Golf 8 R Variant
Am anderen Ende: Der Variant CL 1.4 mit 60 PS und Bereifung 175/70 R13 (!) für 25.550 Mark, was rund 3.000 Mark Aufpreis zum Dreitürer ausmachte. 16,9 Sekunden auf 100, 154 km/h Spitze. Noch einmal zwei Sekunden lahmer war der Saugdiesel. Und wie bei VW üblich war vieles aufpreispflichtig, von der Dachreling über die Gepäckraumabdeckung bis zu Kopfstützen im Fond.
Farblich konnte man sch laut Prospekt von 1995 kaum minder austoben. Die Palette reichte von braven und günstigen Uni-Farben wie Schwarz, Weiß, Rot und dem dunklen Maritimblau bis zu zeitgeistige Tönen wie "Electronicgreen Metallic" oder "Mysticblue Perleffekt". Während der normale Golf schon 1997 abgelöst wurde, durfte der Variant noch bis 1999 weiterleben. Gut 4,8 Millionen Golf III wurden gebaut, wie viele davon ein Kombi waren, ist nicht bekannt.