Unsere geschätzten Leser haben bestimmt schon einmal die Rubrik "Kennen Sie den noch?" studiert. Dort stellen wir Autos von früher vor, die inzwischen fast vergessen sind. Doch was ist mit den Modellen, die durchaus noch zahlreich im Straßenverkehr umherfahren? Jene Typen, die jeder kennt, die schon deutlich über 20 Jahre, teilweise aber auch viel weniger auf dem Buckel haben.
Werden sie einmal Oldtimer? Das birgt Zündstoff für kontroverse Diskussionen. Einige dieser Modelle wollen wir in unserer Reihe "Klassiker der Zukunft?" vorstellen.
Wir schreiben den 19. Januar 1992: In Wiesbaden erfahren Vertreter deutscher und internationaler Medien auf der bis zum 31. Januar andauernden Pressepräsentation alle Vorteile der neuen Stufenhecklimousine Vento (italienisch: Wind), die die Nachfolge des Jetta antritt. 4,38 Meter ist der Vento lang, dazu rund 1,40 Meter hoch und 1,70 Meter breit. Es gibt ihn nur noch als Viertürer, eine zweitürige Version wird mangels Absatzperspektive verworfen.
Mit einem neuen Namen will VW dem Wagen mehr Schwung verleihen. Doch jedem Beobachter ist klar: Das ist ein Golf III mit Rucksack. Immerhin ist der wie schon beim Jetta hoch abschließende Hintern sehr geräumig. Zwischen 550 und 1.053 Liter Gepäck passen hinein. Zwar bemüht sich die Frontpartie mit Rechteck-Scheinwerfern um Eigenständigkeit, doch spätestens innen ist alles wie gehabt Golf.
Das gilt auch für die Antriebe: Mit vier Benzinmotoren mit einer Leistung zwischen 55 kW (75 PS) und 128 kW (174 PS) sowie zwei Dieselmotoren mit einer Leistung von 47 kW (74 PS) und 55 kW (75 PS) lässt sich der Vento schneller als eine Windböe oder auch so sanft und sparsam wie ein Windhauch bewegen.
Unbestrittenes Highlight ist der schon aus dem Golf bekannte Sechszylinder: Mit dem VR6-Motor erreicht der Vento eine Höchstgeschwindigkeit von 225 Stundenkilometern, mit dem Turbodiesel bei konstant 90 Stundenkilometern einen Verbrauch von 4,9 Liter auf 100 Kilometer. Der Einstiegspreis der in Mexiko und Südafrika gefertigten Stufenhecklimousine liegt bei 25.960 DM.
Doch wie seine Vorgänger und Nachfolger mit Stufenheck bleibt auch der Vento in den Verkaufszahlen überschaubar. Ein anfängliches Hoch kann VW in Ostdeutschland verzeichnen, dort räubert aber ab 1996 der Skoda Octavia. Lediglich in den USA ist der Vento erfolgreich, dort behält er aber den Namen Jetta. Das bleibt auch beim Nachfolger Bora auf Golf-IV-Basis so.
International gesehen, kommt der VW Vento sogar auf eine relativ hohe Stückzahl, rund zwei Millionen Limousinen laufen bis 1998 vom Band. 2010 reaktiviert VW den Namen Vento noch einmal und pappt ihn an eine Art Polo Stufenheck für Indien.
Heute ist der Ur-Vento wie erwähnt auf dem Weg zum H-Kennzeichen. Doch eine Schwemme muss niemand befürchten. Lediglich die relativ seltene Version mit VR6 hat ihre Fans gefunden. Doch die Brot-und-Butter-Ventos sind trotz aller Geräumigkeit eher reizarm und in großer Zahl in den Export oder die Schrottpresse gewandert. Hinzu kommt der vom Golf III bekannte Hang zum Rost plus das Rentner-Image. So ist der Vento ein Fall für die VW-Ultras.