Kein anderer Modellname existiert bei VW länger: Anfangs noch als 511 überlegt, kam 1973 der erste Passat auf Basis des Audi 80 auf den Markt. Eine günstige Lösung aus der finanziellen Not geboren, aber die endgültige Wende zum Frontantrieb und ein enormer Erfolg für den Volkswagen-Konzern.

Mit mehr als 30 Millionen verkauften Exemplaren ist das Mittelklasse-Modell nach dem Golf und noch vor dem Käfer der meistverkaufte Volkswagen seit Bestehen der Marke. Schon deswegen müsste man eigentlich von der "Generation Passat" sprechen. Hochgerechnet könnte der Passat schon drei Generationen begleitet haben.

Bildergalerie: Volkswagen Passat Historie

Nummer 9 darf kommen

Auch deshalb mochten die Verantwortlichen den Passat nicht sterben lassen. Anders als etwa namhafte Konkurrenten wie ein Ford Mondeo oder Opel Insignia. Gut, die Passat Limousine wurde zwar 2019 beerdigt, aber gekauft hat sie auch niemand. Der Variant ist eindeutig König und Liebling der Flottenkunden.

Und nicht nur er: Allein im vergangenen Jahr wurden zusammen mehr als eine Million neuer Tiguan und Passat produziert. Jetzt hat VW die beiden Erfolgsmodelle überarbeitet und neu gestaltet. Sie kommen im ersten Quartal 2024 auf den Markt.

Volkswagen hat bei der Entwicklung des neuen Passat Variant und des neuen Tiguan nicht nur das Potenzial des MQB, sondern das gesamte Potenzial der Marke und des Konzerns genutzt. Das soll Kosten sparen und ermöglicht den Zugriff auf Technologien anderer Baureihen.

VW Passat Variant (2024) im Vorserientest

Der MQB evo ist daher bewusst mit Schnittstellen zu den weiteren Baukästen der Marke und des Konzerns ausgestattet, um auch hier Skaleneffekte nutzen zu können. Ein Beispiel für diese Kompatibilität sind die neuen Infotainmentsysteme beider Baureihen. Hier nutzt man Synergien mit den neuen ID.-Modellen.

Deutsch-tschechische Zusammenarbeit

Damit nicht genug: Damit es Passat Nummer 9 überhaupt geben kann, dockt er beim ungefähr zeitgleich erscheinenden neuen Skoda Superb an. Dieser kommt wie gehabt als Limousine und Combi, das gesamte Trio läuft künftig in Bratislava vom Band. Soviel sei nach einem bereits erfolgtem Erstkontakt mit dem Superb verraten: Gewisse Gemeinsamkeiten wird es auch optisch geben.

Aber der neue VW Passat Variant ist natürlich kein Skoda, auf den man nur das VW-Emblem gepappt hat. Sowohl mit als auch ohne Tarnung ist er ganz klar als Passat erkennbar. Leichte Ähnlichkeiten gibt es zum aktuellen Golf Variant, vor allem aber zum derzeitigen Passat. Im Gegensatz zu diesem ist die Dachlinie im hinteren Bereich flacher, wenngleich ein recht langer hinterer Überhang ins Auge fällt.

VW Passat Variant (2024) im Vorserientest
VW Passat Variant (2024) im Vorserientest
VW Passat Variant (2024) im Vorserientest

Insgesamt wirkt der neue Passat deutlich dynamischer. Ein Grund: Er soll auch die bisherigen Kunden des VW Arteon Shooting Brake abholen, da dieser nicht fortgeführt wird. Auffallend zudem: Das durchgehende LED-Leuchtenband vorne.

Mächtig gewachsen

Ein typisches Passat-Merkmal ist geblieben: Platz ohne Ende. Allerdings ist der neue Passat Variant auch deutlich größer geworden als sein Vorgänger. Mit 4.917 mm wuchs die Länge um 144 mm, der Radstand legte um 50 auf 2.841 mm zu. Ähnlich blieb die Höhe mit 1.482 mm (plus 7 mm).

Bei der Breite ergibt sich ein Plus von 20 mm auf 1.852 mm. Die neue Länge vergrößert den Fußraum um weitere 50 mm. Hinten finden selbst lange Beine locker Platz. Das Kofferraumvolumen wächst um 40 Liter auf 690 Liter (bei Beladung bis zur Höhe der Rücksitzlehnen). Bei umgeklappter Rücksitzbank wächst das Volumen gegenüber dem Vorgänger sogar um 140 auf 1.920 Liter.

VW Passat Variant (2024) im Vorserientest

Somit könnte der neue Passat Variant zur Alternative für die Mercedes E-Klasse werden, die es künftig nicht mehr mit Taxi-Paket geben soll. Praktisch: Das Gepäckraum-Rollo fährt bei automatischer Betätigung der Heckklappe von selbst vor und zurück.

Was gibt es innen an Neuigkeiten? Das "Akustikpaket" beinhaltet für die Windschutzscheibe und die Seitenscheiben der ersten und zweiten Sitzreihe eine Doppelverglasung und eine auf das Glas laminierte Akustikfolie. Der Infotainment-Touchscreen ist werksseitig 12,9 Zoll groß, auf Wunsch gibt es 15 Zoll. Sehr gut: Weiterhin klassische Tasten auf dem Lenkrad.

Die künftigen Ausstattungslinien: Basis, Business, Elegance und R-Line. Serienmäßig gibt es den Passat nur noch mit Automatik (vulgo DSG), weshalb er einen Wählhebel rechts ans Lenkrad gepflanzt bekommt: nach vorn auf "D" drehen zum Vorwärtsfahren, nach hinten auf "R" drehen zum Rückwärtsfahren, seitlich drücken, um die Parkbremse zu aktivieren. Kennt man so von den ID.-Modellen.

VW Passat Variant (2024) im Vorserientest
VW Passat Variant (2024) im Vorserientest
VW Passat Variant (2024) im Vorserientest

So fährt er sich

Mit dem neuen DCC Pro wird die Kombination aus adaptiver Fahrwerksregelung und Fahrdynamikmanagement laut VW weiter verbessert. Im Gegensatz zum bekannten DCC mit herkömmlichen 1-Ventil-Dämpfern sind die Dämpfer des neuen DCC Pro mit zwei Ventilen ausgestattet. Damit verbunden ist ein angepasster Regelalgorithmus für die getrennte Zug- und Druckstufenregelung.

Die schneller arbeitenden 2-Ventildämpfer ermöglichen eine bessere und ruhigere Anbindung der Karosserie an das Fahrwerk und gleichzeitig – durch die noch präzisere Regelung der Zug- und Druckstufe – eine optimierte Fahrdynamik. Bisher wurden 2-Ventildämpfer nur in Verbindung mit Mehrlenkerachsen in der Ober- und Luxusklasse eingesetzt, die Integration in MacPherson-Federbeine ist neu.

Und tatsächlich: Der neue Passat gibt sich leise und komfortabel, wenngleich nicht als extreme Sänfte. Aber man möchte mit ihm spontan auf Langstrecke gehen. Was mir positiv auffällt: Die Lenkung bietet jetzt deutlich mehr Rückmeldung, im Sport-Modus ist sie sogar sehr präzise ansprechend. Eine intuitive Lenkung nennt es der VW-Ingenieur neben mir, ich ergänze ihn: linear.

VW Passat Variant (2024) im Vorserientest

Der Diesel bleibt, PHEV mit mehr Reichweite

Beinahe hätte ich die Motorenauswahl vergessen. Fest steht: Zum Passat gehört der Diesel wie die Weißwurst zu Bayern. Eine generelle Besonderheit des MQB ist, dass alle gängigen Antriebsarten in einer Baureihe realisiert werden können: Dieselmotoren, Benziner, Mild- und Plug-in-Hybridsysteme und sogar reine Elektroversionen, wie der e-Golf (Generation VII) gezeigt hat. Die Rolle des Elektro-Passat übernimmt aber künftig der ID.7.

Alle MQB-Modelle verfügen über Front- oder – je nach Ausführung und Leistungsstufe – Allradantrieb. Der neue Passat Variant wird mit Turbodieselmotoren (TDI), Turbobenzinern (TSI), Mild-Hybrid-Turbobenzinern (eTSI) und Plug-in-Hybridsystemen (eHybrid) angeboten.

Am Teilzeit-Stromer hält VW wohl auch mit Blick auf Dienstwagen und deren Vergabe sowie Besteuerung fest. Die neuen Plug-in-Hybridantriebe entwickeln eine Systemleistung von 150 kW (204 PS) respektive 200 kW (272 PS). Im Vergleich zu den Vorgängern steigt die elektrische Reichweite je nach Ausstattung auf rund 90 bis 120 Kilometer. Zudem wird in allen eHybrid-Versionen das AC-Laden schneller und das DC-Schnellladen erstmals serienmäßig möglich sein.

Ende August 2023 sollen die Hüllen beim neuen VW Passat Variant endgültig fallen. Er könnte somit auch auf der IAA zu bewundern sein. Die Erfolgschancen von Nummer 9 stehen gut: Weiterhin Diesel im Angebot, dazu immer weniger Konkurrenz in der bürgerlichen Mittelklasse. König Kombi hat noch lange nicht abgedankt.

Bildergalerie: VW Passat Variant (2024) im Vorserientest