Dieses Auto muss ein Erfolg werden. Es geht gar nicht anders: Das meistverkaufte SUV der Welt plus eine Antriebsform, die gerade weggeht wie warme Semmeln. Gestatten: Der neue Toyota RAV4 Plug-in Hybrid.
Dank einer Systemleistung von 225 kW (306 PS) ist er das kraftvollste Modell der RAV4-Familie und das derzeit leistungsstärkste Hybridfahrzeug von Toyota. Zeitgleich zeichnet er sich aber auch durch eine bemerkenswerte Wirtschaftlichkeit aus. So sagt es zumindest der Hersteller. Stimmt das wirklich? Wir sind den RAV4 Plug-in Hybrid gefahren.
Gibt es Unterschiede zum "normalen" RAV4?
Kaum. Nur wenige Details heben den RAV4 Plug-in Hybrid optisch von seinem Schwestermodell mit reinem Hybridantrieb ab. Hierzu zählen zum Beispiel der metallisch-helle Look der unteren Spoiler-Lippe und der Zierleiste über dem Kennzeichen am Heck, dunkle Chrom-Einfassungen für die Hauptscheinwerfer, die glänzend schwarze Beschichtung des Kühlergrills und der schwarz lackierte Einsatz der hinteren Schürze. Die Anschlussmöglichkeit für das Ladekabel verbirgt sich unter einer Karosserieklappe im hinteren rechten Kotflügel.
Hinzu kommen zusätzliche Dämmmaterialien und Akustikglas, der Boden des Kofferraums liegt um drei Zentimeter höher. Ansonsten bleibt alles so, wie es ist. Gut so: Das Platzangebot im 4,60 Meter langen RAV4 Plug-in Hybrid ist besonders im Fond großzügig.
Das Cockpit ist übersichtlich gestaltet, Tasten statt Touchscreen-Wahnsinn lautet hier die Devise. Die Verarbeitung ist solide, etwas überraschend sind die Gummiringe um die Klimaregler.

Toyota hat das Plug-in-Hybridsystem des RAV4 so geschickt in das Fahrzeug integriert, dass es praktisch ohne Auswirkungen auf das Raumangebot im Interieur, die Platzverhältnisse im Gepäckabteil oder das Volumen des unverändert 55 Liter großen Benzintanks bleibt. Allein der durchgehend flache Boden des Kofferraums wurde um 35 Millimeter angehoben. Das Fassungsvermögen beträgt 520 Liter im Normalzustand (490 Liter ohne Unterflurstaufach) oder vier Golftaschen. Das Ladekabel findet unter einer Abdeckung Platz.
Werden die im Verhältnis 60:40 geteilten Rücksitze umgeklappt, entsteht eine weiterhin ebene Ladefläche. Da keine Einbuchtungen, Schwellen oder Kanten im Wege stehen, eignet sie sich auch für den Transport größerer Gegenstände. Als Zugmaschine darf der RAV4 Plug-in Hybrid gebremste Anhänger mit einem Gewicht von bis zu 1,5 Tonnen an den Haken nehmen.
Bis hierhin nichts Besonderes im positiven Sinne. Wir können uns also der Technik zuwenden. Für den Prius Plug-in Hybrid hatte sich Toyota auf die Ausweitung der elektrischen Autonomie konzentriert und den bewährten 53-kW-Motor des Hybridmodells mit einer größeren Hochvoltbatterie kombiniert.
Bildergalerie: Toyota RAV4 Plug-in Hybrid (2020) im Test
Im RAV4 Plug-in Hybrid wiederum liegt der Schwerpunkt auf einer stärkeren Antriebsleistung und höheren Reisegeschwindigkeiten im rein elektrischen Modus bei ebenfalls längeren Reichweiten. Er setzt auf einen kraftvolleren Motor, auch die Batterie und der Inverter fielen größer aus.
Im Zusammenspiel mit dem 2,5 Liter großen Saugbenziner summiert sich dies zu einer Systemleistung von 225 kW (306 PS). Damit übertrifft der RAV4 Plug-in Hybrid das reine Hybridmodell um 38 Prozent und macht eine Beschleunigung von null auf 100 km/h in 6,0 Sekunden möglich – 2,1 Sekunden schneller als der RAV4 Hybrid.
Wie sehr die Fahrbarkeit und die Agilität des Antriebsstrangs profitieren, zeigt auch dieses Beispiel: Bei 60 km/h stehen 50 Prozent mehr Leistung zur Verfügung. Im reinen Elektromodus erreicht der RAV4 Plug-in Hybrid Tempo 100 aus dem Stand in 10 Sekunden.

Die neue Lithium-Ionen-Batterie besitzt eine Kapazität von 18,1 kWh. Sie besteht aus 96 Batteriezellen, die über die Klimaanlage des Fahrzeugs gekühlt werden, und arbeitet mit einer Spannung von 355,2 Volt. Auch dank eines speziellen Boost-Konverters in der Steuereinheit liegt ihre Leistungsabgabe signifikant über jenem Niveau, das die Batterie des RAV4 Hybrid erreicht.
Durch die Positionierung unterhalb des Fahrzeugbodens senkt sie den Schwerpunkt des RAV4 Plug-in Hybrid, ohne Platz im Innen- oder Kofferraum zu kosten. Der leise Gleichstrom-Spannungswandler baut besonders kompakt und zeichnet sich durch höhere Effizienz sowie eine bessere Kühlung aus. Er wanderte ebenfalls platzsparend unter die Rücksitze.

Der Elektromotor an der Vorderachse entwickelt 134 kW und ist damit 46 kW stärker als jener des RAV4 Hybrid. Die Elektromaschine an den hinteren Rädern leistet unverändert 40 kW. Je nach Grad ihrer Unterstützung kann der Vierzylinder des Hybridsystems mit niedrigen Drehzahlen arbeiten.
Das Plug-in-Hybridsystem des RAV4 verfügt über vier verschiedene Fahrprogramme:
- EV-Modus (Electric Vehicle) – das Standardprogramm
- HV-Modus (Hybrid Vehicle) – Hybridantrieb
- Auto HV/EV-Modus – automatische Steuerung
- Batterielademodus
Der RAV4 Plug-in Hybrid startet grundsätzlich mit Elektroantrieb: Der EV-Modus wird automatisch beim Anlassen des Fahrzeugs aktiviert und behält auch bei höherer Leistungsabfrage Priorität. Erst wenn die rein elektrische Reichweite ausgeschöpft wurde, wechselt die Steuerung von sich aus in das Hybridprogramm.

Darüber hinaus hat der Fahrer natürlich die freie Wahl, ob er von Beginn an im Hybridmodus unterwegs ist oder den Elektroantrieb zu einem späteren Zeitpunkt aktiviert – etwa, um die Effizienz zu verbessern oder bei Fahrten im städtischen Bereich.
Im Auto HV/EV-Modus schaltet das System automatisch den Hybridantrieb hinzu, wenn zum Beispiel bei starker Beschleunigung zusätzliche Motorkraft gefragt ist. Anschließend kehrt die Steuerung wieder in das EV-Programm zurück.
Der Lademodus greift ein, wenn die Batteriespannung auf ein Niveau sinkt, der für reinen EV-Antrieb nicht mehr ausreicht. Dann generiert der Vierzylinder-Benziner über die Elektromotoren, die als Generator dienen, Strom zum Auffüllen des Akkus.

Eine Besonderheit des RAV4 Plug-in Hybrid ist seine Wärmepumpe, die thermische Energie der Außenluft zum Heizen des Innenraums nutzt. Hierdurch wirkt sich die Klimaanlage weniger stark auf die lokal emissions- und verbrauchsfreie Reichweite des Fahrzeugs aus.
Toyota stattet den RAV4 Plug-in Hybrid grundsätzlich mit dem intelligenten Allradsystem AWD-i aus, das auch im RAV4 Hybrid zum Einsatz kommt. Die kompakte und besonders leichte Antriebskomponente sieht einen 40 kW starken Elektromotor an der Hinterachse vor.
Sperrbare Differenziale unterstützen die Offroad-Eigenschaften des allradgetriebenen RAV4 Plug-in Hybrid. Sie lassen sich über einen Schalter im Armaturenbrett aktivieren und werden automatisch per Bremseingriff tätig, sobald ein Rad auf losem Untergrund die Traktion verliert und durchzudrehen droht.

Auf diese Weise lenkt der "Trail Mode" das Antriebsmoment zu jenen Reifen mit dem höheren Grip, passt zugleich aber auch das Ansprechverhalten auf Gaspedalbewegungen sowie die Schaltstrategie des Getriebes an.
Die bordeigene Ladeeinrichtung unterstützt eine Ladegeschwindigkeit von bis zu 6,6 kW, ohne sich negativ auf die Dauerhaltbarkeit des Akkus auszuwirken. In der Konstellation mit dem serienmäßigen Schuko-Ladekabel ist ein vollständiger Ladevorgang an einer mit 10 Ampere abgesicherte Haushalts-Steckdose nach 7,5 Stunden abgeschlossen.
Mit dem im Zubehör erhältlichen Typ 2-Ladekabel reduziert sich - in Verbindung mit einer Wallbox - eine komplette Batteriefüllung im deutschen Stromnetz auf lediglich 4,5 Stunden.
Und wie fährt er sich?
Laut WLTP-Norm ist eine rein elektrische Reichweite von gut 75 Kilometern möglich, und die Höchstgeschwindigkeit von 135 km/h eignet sich auch für lokal verbrauchs- und abgasemissionsfreie Autobahnfahrten. Gemessen nach WLTP-Norm für den Stadtverkehr steigt die Reichweite sogar auf bis zu 98 Kilometer.
Das wollen wir doch mal sehen! Der erste Teil meiner Testroute führt mich über die Autobahn. Dank Baustellen und viel Verkehr sind hier eh kaum mehr als 120 km/h möglich. Schnell fällt mir die unglaubliche Ruhe im RAV4 Plug-in Hybrid auf. Klar, elektrisch, kein Thema. Aber sogar als ich mal auf 150 beschleunige, ist das Umschalten auf den Verbrenner kaum zu spüren.

Wie bereits erwähnt, zieht der Toyota flott voran. Etwas nachteilig ist das straffe Abrollen der 19-Zoll-Bereifung in der Topausstattung, es bleibt Geschmackssache. Doch zurück zum Antrieb. Tatsächlich schaffe ich die ersten 50 Kilometer zu 90 Prozent rein elektrisch. Auf dem Rückweg ist die Batterie natürlich irgendwann leer, aber die Reichweite entsprach tatsächlich rund 70 Kilometer. Ein guter Wert.
Weiter geht es mit dem Benziner. Auch er hält sich dezent zurück. Um ihn zum Aufheulen zu bringen, muss ich schon brutal aufs Gaspedal treten. Doch das ist nicht nötig, denn der RAV4 Plug-in Hybrid unterstützt gelassen-flottes Dahingleiten. 180 km/h wären maximal möglich, auf meiner Route sind es mal 100, mal 150. Am Ende stehen exakt 4,0 Liter auf dem Bordcomputer.
Nicht schlecht. Und was kostet er?
Die Basisversion des RAV4 Plug-in Hybrid bleibt mit einem Nettopreis von 39.908 Euro (46.293 Euro brutto mit 16 Prozent MwSt.) knapp unter der magischen 40.000-Euro-Grenze. So bekommt man die volle staatliche Kaufprämie von 6.750 Euro.
In absoluter Vollausstattung stehen 50.328 Euro netto (58.380 Euro brutto) zu Buche. Nicht gerade wenig. Aber man muss bedenken, was dann alles inklusive ist und auch die enorme Systemleistung gegenrechnen. Zum Vergleich: Der jüngst geliftete VW Tiguan kostet als 2.0 TDI mit "nur" 200 PS, Allrad und Automatik in R-Line-Ausstattung mindestens 46.195 Euro, mit Extras sind weit über 50.000 Euro kein Problem. Was dort der angekündigte Plug-in-Hybrid mit 245 PS Systemleistung kosten soll, ist noch offen.
Der Toyota RAV4 mit Stecker steht ab dem 19. September 2020 beim Händler. Für das volle Jahr 2021 erwartet man 3.000 verkaufte Einheiten. Die Chancen dafür stehen gut.
Fazit: 8/10
Mit dem RAV4 Plug-in Hybrid ist Toyota ein formidables Gesamtpaket gelungen. Man spürt hier die lange Hybrid- und Plug-in-Hybrid-Erfahrung der Marke. Kraftvoll, laufruhig und eine realistische Elektroreichweite von 70 Kilometer: Dieses SUV macht den Diesel überflüssig.
Toyota RAV4 Plug-in-Hybrid (2020)