Was ist das?

Dieses sehr sinister dreinblickende Ungetüm ist der neue Abt RS6-R, die wohl ultimative Ausbaustufe des neuen Audi RS 6 Avant mit haarsträubenden 740 PS. Klar, es wird Unternehmen geben, die Ihnen noch mehr Leistung versprechen, aber wenn Sie nicht wollen, dass Ihr Achtzylinder nach zwei Wochen explodiert, dann sind Sie hier vermutlich an der richtigen Adresse. 

Der RS6-R ist sowas wie das Markenzeichen von Abt. Eine Art RS 6 Plus Plus, den Audi so nie anbieten würde. Die Reputation des weltrgößten VW- und Audi-Tuners ist aber so groß, das dieses Auto von seiner Kundschaft betrachtet wird, wie ein Serienfahrzeug. Und diese Kundschaft ist größer als man vermuten würde. 125 Fahrzeuge wird man in Kempten bauen, der Großteil ist etwa zwei Wochen nach der offiziellen Präsentation bereits verkauft. Trotz eines Preisschilds von mindestens 205.900 Euro. Die Kunden warteten regelrecht auf den RS6-R, heißt es von Abt. Sobald Audi einen neuen RS 6 ankündige, kämen die Anfragen herein.

Was ist so besonders an diesem Auto?

Der Audi RS 6 hat sich in seiner inzwischen 18-jährigen Karriere den Ruf als absolutes Speedmonster für alle Tage und alle Wetter erworben. Zuletzt wurde auch die Optik immer brachialer. Die Menschen lieben diese Kombination und Abt setzt in beide Richtungen nochmal gehörig einen drauf, ohne den Alltagsnutzen merklich einzuschränken. 

Man muss die Carbon-Spoilerorgie am RS6-R nicht gut finden, aber die Radhausentlüftungen an allen Kotflügeln sind schon ziemlich cool. Und wenn dieses grimmige Gesicht mit fetter Frontlippe, all den Blades, Streben und Flics auf einen zurollt, dann löst das schon was aus. Unter anderem auch Angst um den sündteuren Carbon-Frontsplitter, der wirklich verdammt tief über der Asphaltnarbe lungert. Aber dazu gleich mehr.

Und mechanisch?

Na, in erster Linie dreht sich natürlich alles um das sogenannte Abt Power R-Leistungskit. Es besteht aus einem geänderten Turbolader, einem neuen Ladeluftkühler und der Anpassung der Motorelektronik. 140 PS und 120 Nm mehr holt der Tuner so aus dem 4,0-Liter-Biturbo-V8. Bedenkt man dessen Serienleistung von 600 PS und 800 Nm, setzt kurzfristig die Schnappatmung ein. Hier kommt ein Kombi, der wesentlich mehr Dampf hat als ein McLaren 720S.

Abt RS6-R (2020) im Test
Abt RS6-R (2020) im Test

Was das Fahrwerk betrifft, profitiert Abt in dieser Generation natürlich enorm von der hervorragenden Ausgangsbasis. Der aktuelle Audi RS 6 ist nicht nur dank der neuen Hinterradlenkung ein fahrdynamischer Quantensprung. Beim RS6-R wird mit einer 30mm-Tieferlegung durch höhenverstellbare Sportfedern und Sportstabilisatoren an beiden Achsen nachgeschärft. Auf Wunsch wird das für die Grundkonfiguration empfohlene DRC-Fahrwerk aber auch durch ein Gewindefahrwerk ersetzt.

Außerdem schraubt man hauseigene 22-Zöller mit 285/30er Michelin Pilot Sport 4S-Pneus unter das Dickschiff. Keine Sorge, 22-Zoll-Räder gibt es beim RS 6 schon ab Werk, hier droht also kein Kollaps im Radhaus. Auf meinem Testwagen waren zusätzlich die rattenscharfen Aerodiscs hinter den Felgenspeichen montiert. Für 200 Euro Aufpreis ein absolutes Muss, zumindest für diese Augen.

Und, merkt man Unterschiede?

Oh, und wie! Man möchte es ja kaum glauben, wenn man bereits in einem normalen RS 6 das Vergnügen hatte, sich die Ohren bis in den Kofferraum beschleunigen zu lassen. Aber gefühlt herrscht hier nochmal ein anderer Grad an Brutalität. Abt verspricht eine 0-100-km/h-Zeit von 3,2 Sekunden, vier Zehntel schneller als ab Werk. Ich würde das sofort unterschreiben. Leichter Schlupf an den Hinterrädern beim Beschleunigen aus dem Stand (wann hat man das je bei einem Auto mit Quattro-Allrad erlebt?) ist auf jeden Fall ein guter Indikator.  

Richtig derb wird es aber natürlich erst bei allem, was nach den 100 kommt. Die Beschleunigung ist physisch anstrengend, das hat schon was von Achterbahn im freien Fall. An der Charakteristik des Biturbo-V8 haben die Äbte aber kaum etwas geändert. Oder ändern können? Emissionsregeln und Partikelfilter haben bei Audis Sportmodellen - so auch beim RS 6 - zuletzt zu einer ausgeprägten Anfahrschwäche geführt. Zumindest, wenn man sich nicht im Dynamik- oder einem der RS-Modi befindet. Beim RS6-R ist es besser, aber kurz durchatmen muss auch er, bevor er einem dann unbarmherzigst die Faust in den Magen rammt.  

Kleine, aber sehr coole Randnotiz: Zu dem bassigeren, aber nur leicht präsenteren Klang des neuen Edelstahlendschalldämpfers mischt sich beim Beschleunigen ein gut vernehmbares Pfeifen des Upgrade-Turboladers.

Geht er besser ums Eck?

Mein Testwagen hatte das Gewindefahrwerk an Bord. Dazu kommen, wie gesagt, die Sportstabis an Vorder- und Hinterachse. Aufgrund der bereits beachtlichen fahrdynamischen Vorstellung des Serienfahrzeugs fallen die Unterschiede in diesem Bereich eher klein aus. Der RS6-R fährt insgesamt eine Nuance flacher und zeigt in der Kurve etwas weniger Karosseriebewegung, aber erwarte Sie bitte kein komplett neues Auto.

Abt RS6-R (2020) im Test

Das dem so ist, darf man als absolut positiv bewerten. Denn auch hier ist es erstaunlich, wie kompakt, schnörkellos und behende sich ein 2.150 Kilo-Koloss bewegen kann. Die Lenkung ist modusunabhängig sehr leicht und ein bisschen gefühllos, aber wie gesagt: Koloss, kein Caterham. 

Erfreulich auch: Das neue Schraubfahrwerk bringt kaum Komforteinbußen mit sich. Es wirkt ein bisschen straffer als das Serienfahrwerk, ist aber weit davon weg, störend aufzufallen. Allerdings würde ich persönlich nochmal von dem "Schraub" in Schraubfahrwerk Gebrauch machen und die ganze Fuhre einen Zentimeter oder zwei nach oben drehen. Oder hätten Sie Lust, in ständiger Angst um Ihre sündteuren Kohlefaser-Frontsplitter/-Seitenschweller zu leben? 

Wie ist er innen?

Glücklicherweise sehr nah am Original. Abt bestickt die Seriensitze mit seinen Insignien, verbaut einige "1 von 125"-Logos, zum Beispiel in den Einstiegsleisten oder auf der Blende vor dem Beifahrer. Außerdem kriegen Sie ein grandioses Lenkrad mit Alcantara und Carbon. Falls Sie von der edlen Kohlefaser gar nicht genug kriegen können, installiert Ihnen der Tuner für 2.580 Euro auch entsprechende Blenden für Schalttafel und Sitzgestelle.

Soll ich ihn kaufen?

In erster Linie müssen Sie sich wahrscheinlich beeilen, wenn Sie noch einen RS6-R wollen. Abt verkauft Ihnen das Upgrade-Paket für 69.900 Euro oder das komplette Auto ab 205.900 Euro (je nachdem, wie aufwendig Sie den Basis-RS 6 konfigurieren). Sehr viel Geld für eine Leistungssteigerung und ein Bodykit. Auch wenn beides sehr üppig ausfällt und extrem hochwertig umgesetzt ist. 

Aber die mechanischen Maßnahmen sind definitiv spürbar. Das Fahrverhalten wirkt ein Eck akkurater und noch unbeugsamer und der Vorwärtsdrang des RS 6 ändert sich von "kapital" zu "bestialisch". Das gleiche lässt sich wohl über die Optik des Autos sagen. Das mag nicht jedermanns Sache sein, ist letztlich aber auch egal. Der RS6-R hat inzwischen Kultstatus erreicht. Die neue Generation wird den Mythos ausbauen.

Fazit: 8/10

Bildergalerie: Abt RS6-R (2020) im Test

Bild von: Fabian Grass

Technische Daten und Preise Abt RS6-R

Motor V8-Biturbo; 3.996 ccm
Antrieb Allradantrieb
Getriebeart 8-Gang-Automatik
Leistung 544 kW (740 PS)
Max. Drehmoment 920 Nm
Beschleunigung 0-100 km/h 3,2 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit maximal 320 km/h
Leergewicht 2.150 kg
Kofferraumvolumen 565-1.680 Liter
Basispreis 205.900 Euro