Es gibt bei Autos häufig Bezeichnungen, die ein Eigenleben entwickeln. Denken wir nur einmal an den Mercedes Strich-Acht. Kaum jemand sagt heute noch ganz offiziell "Mercedes 200" oder "W114/115". Ähnlich geht es dem VW T6, der landläufig einfach der "Bulli", "VW Bus" oder "Multivan" ist. Nun, vielleicht besser so, denn die reine Kombination aus Buchstabe und Zahl macht die Sache bei den T-Modellen von Volkswagen nicht einfacher. Der Reihe nach: Beim Mitte 2015 gestarteten T6 handelt es sich im Grunde genommen um eine sehr üppige Modellpflege des T5 von 2003. Insgesamt rund 2,5 Millionen T5 und T6 liefen bis Ende 2018 vom Band. Bald kommt der T6.1 auf den Markt, quasi das Facelift des Facelifts. Wir sind den T6.1 als Multivan und Kastenwagen bereits gefahren.

Was ist neu am VW T6.1?

Hier kann man auf den ersten Blick tatsächlich von einem Facelift sprechen, da die Frontpartie einen deutlich größeren Kühlergrill aufweist, der mit dem ebenfalls neuen Stoßfänger eine stilistische Einheit bildet. Manch Beobachter dürfte sich spontan an den Touareg erinnert fühlen. Alle Elemente unterhalb der Motorhaube inklusive der Scheinwerfer sowie der Kotflügel sind Neuteile. Zwei verchromte Querspangen verbinden in allen Versionen die neuen Scheinwerfer mit dem Kühlergrill. Auffallend sind die Einsätze in den Kotflügeln, wo man je nach Version zum Beispiel "Multivan" oder "Bulli" liest. Optional gibt es LED-Scheinwerfer und LED-Rückleuchten.

VW T6.1 Multivan (2019) im Test

Die komplett neu gestaltete Instrumententafel des Bulli 6.1 wird erstmals mit volldigitalen Instrumenten angeboten: dem 10,25 Zoll großen „Digital Cockpit“. Aus unserer Sicht reichen die analogen Anzeigen aber voll aus, auch das 9,2 Zoll messende "Discover Pro"-Infotainmentsystem mit Navigation muss nicht sein. Der Grund: Hier gibt es keinerlei Drehregler mehr, was die Bedienung leider nicht einfacher macht. Das kleinere, acht Zoll große "Discover-Media"-System hat noch Knöpfe. Weniger ist ausnahmsweise mal mehr.

Überarbeitet hat VW auch das Armaturenbrett im Ganzen. Neu sind dort unter anderem die Cupholder im Bereich der A-Säulen sowie eine größere Ablage für das Smartphone mit optional induktiver Schnittstelle zum Laden. Die Luftausströmer in der Schalttafel können jetzt mit einem Schieberegler in alle Richtungen eingestellt und gleichzeitig geöffnet oder geschlossen werden; bislang war zum Öffnen und Schließen ein zweiter Regler notwendig. Ebenfalls neu konzipiert wurden die Lenkräder. So gibt es im neuen Multifunktionslenkrad fortan die Taste „View“ – über sie kann der Fahrer mit nur einem Klick zwischen den verschiedenen Display-Konfigurationen des „Digital Cockpit“ wechseln.

Und technisch?

VW hebt beim T6.1 die neue elektromechanische Servolenkung hervor, ebenso die inzwischen 20 möglichen Assistenzsysteme. Da der T6.1 bis zu 2.500 Kilogramm Anhängelast ziehen darf, ist der "Trailer Assist" ein spannendes Feature: Er nimmt dem Fahrer das Umdenken ab, dass er beim Rückwärtsrangieren mit einem Gespann das Lenkrad nach links einschlagen muss, damit der Anhänger nach rechts einlenkt. Per Drehknopf der elektrischen Außenspiegeleinstellung – der hier zum Joystick wird – und einer Anzeige im Cockpit stellt der Fahrer einfach den Winkel ein, mit dem der Trailer zurückgesetzt werden soll. Das Lenken übernimmt danach das System.

VW T6.1 Multivan (2019) im Test

Da es der T6.1 oft mit schweren Lasten zu tun bekommt, sind Dieselmotoren für diese Baureihe gesetzt. Benziner gibt es erst gar nicht, 2020 folgt aber ein Elektroantrieb für den innerstädtischen Liefervekehr. Die TDI-Motoren werden in den Leistungsstufen 90 PS, 110 PS, 150 PS und 199 PS angeboten. Ab 150 PS können die Aggregate mit dem Allradantrieb 4MOTION kombiniert werden. Alle T6.1 erfüllen VW zufolge die neueste Abgasnorm Euro 6d TEMP-EAVP. Möglich machen es ein Dieselpartikelfilter und ein SCR-Kat, dessen 13-Liter-AdBlue-Tank für gut 5.500 Kilometer reichen soll. Als Option kann übrigens die Regeneration des Dieselpartikelfilters auch manuell ausgelöst werden, etwa bei Fahrzeugen, die nur im Kurzstreckenverkehr laufen.

VW T6.1 Multivan (2019) im Test

Die Qual der Wahl

Wie seit Jahrzehnten üblich, bietet VW beim Bulli (um bei diesem Oberbegriff zu bleiben) eine fast unüberschaubare Anzahl an Varianten an. Eine gewisse Orientierung liefern beim T6.1 die vier Grundmodelle: Multivan, Caravelle, Transporter und California. Der Multivan ist quasi das noble Großraumtaxi für Familie und Business mit verschiebbaren und teilweise drehbaren Sitzen plus ausfahrbarem Tisch. Je nach Größe des Geldbeutels, versteht sich. Auf den Bereich der schlichteren Personenbeförderung spezialisiert ist der bis zu neunsitzige und in zwei Radständen (3.000 Millimeter und 3.400 Millimeter) lieferbare Caravelle mit festen Bänken. Handwerker und Unternehmen jeglicher Art finden mit dem als Kastenwagen, Kombi, Pritschenwagen (Einzel- und Doppelkabine) und Fahrgestell (ebenfalls Einzel- und Doppelkabine) angebotenen Transporter maßgeschneiderte Lösungen; auch hier stehen die zwei Radstände von 3.000 mm und 3.400 mm zur Wahl. Kultstatus genießt seit mehr als 30 Jahren das Reisemobil California.

VW T6.1 Multivan (2019) im Test

Nobles Familien-Flaggschiff

Meine erste Runde drehe ich im T6.1 Multivan mit dem stärksten Diesel. Besagtes 199-PS-Biturbo-Triebwerk wird stets mit einem Siebengang-DSG kombiniert. Im Alltag bedeutet das Kraft in allen Lebenslagen oder in Zahlen ausgedrückt: 450 Newtonmeter maximales Drehmoment zwischen 1.400 und 2.400 U/min. 201 km/h Spitze mit Frontantrieb machen den Ober-T6.1 zum Business-Jet.

Mit bester Aussicht throne ich über dem Verkehrsgeschehen und gewöhne mich schnell an die üppigen Abmessungen des VW T6.1 (4,90 Meter Länge mit normalem Radstand plus 1,90 Meter Breite), wobei die neue Lenkung hilft. Gewiss, so ein T6.1 ist groß, aber anders als so manches Protz-SUV bietet er im Gegenzug auch einen reellen Gegenwert in Form von enorm viel Raum. Wer hier Platzprobleme bekommt, sollte über den Erwerb eines LKW-Führerscheins nachdenken.

Es geht auch schlicht

Den haben vielleicht so manche Piloten eines VW T6 Kastenwagen. Dessen Nachfolger ist das Auto für meine Runde 2: Weiß lackiert, keine Seitenfenster und eine Trennwand hinter dem Fahrer. Anders als im Multivan gibt es vorne keine einzelnen Sessel, sondern eine Art Bank für bis zu drei Personen. Zudem sind die verwendeten Materialien deutlich schlichter: "Karo Einfach", aber irgendwie sympathisch. Harter schwarzer Kunststoff am Schalthebel und bei den Türgriffen, der gesamte Innenraum erzählt das Lied von harter, ehrlicher Arbeit. Dazu passen der aufgrund weniger Dämmung präsentere (aber nicht laute) 150-PS-TDI und die exakt einrastende Sechsgang-Schaltung, deren Knüppel mit Nachdruck geführt werden will. Ganz ehrlich? Das sorgt sogar für so etwas wie Fahrspaß, schon weil auch dieser Zweiliter-Diesel 340 Newtonmeter Drehmoment ab 1.500 Umdrehungen liefert. Und noch eine Überraschung: Der VW T6.1 federt selbst mit 500 Kilogramm Nutzlast im Heck sehr ordentlich.

Bildergalerie: VW T6.1 Kastenwagen (2019) im Test

Die goldene Mitte

Klar, mit einem Kastenwagen fährt natürlich kein Familienvater samt Anhang in den Urlaub. Also gönne ich mir den gleichen Motor noch einmal im Multivan, dieses Mal aber mit DSG. Nicht schlecht zum lässigen Gleiten, doch beim spontanen Druck auf den Pinsel wirkt die Kombination nicht so souverän wie im großen Bruder. Meine Empfehlung lautet daher: 150-PS-TDI im T6.1, aber lieber handgeschaltet. Ob es der mondäne Multivan sein muss, entscheiden der persönliche Kontostand und die Anforderungen an die Variabilität. Als Alternative bietet sich der Caravelle (VW benutzt die männliche Form) an. Auch hier gibt es die umfangreichere Dämmung des Multivans und sieben Sitze, allerdings in fester 2-2-3-Bestuhlung. Ab der Ausstattung "Comfortline" ist eine Klimaanlage serienmäßig, in "Highline" prunkt der Caravelle mit Chromapplikationen, dem digitalen Cockpit, einer Drei-Zonen-Klimaautomatik, LED-Scheinwerfern, Acht-Zoll-Navi, zwei elektrisch betätigten Schiebetüren, Zuziehhilfe für die Heckklappe, 17-Zoll-Alus und Ledersitzen. Hinzu kommen ACHT Sitze in der Reihenfolge 2-3-3.

Großes Auto, großer Preis?

Nun, das totale Sonderangebot ist der VW T6.1 auch in Zukunft nicht, wenn die meisten Versionen im November 2019 bei den Händlern stehen. Fürs erste sind nur vier Netto-Preise (also ohne Mehrwertsteuer) bekannt: 22.950 Euro für den günstigsten Transporter namens EcoProfi mit 90 PS, 26.775 Euro für den normalen Basis-Transporter. Der billigste Multivan mit 110 PS trägt den Zusatznamen "Family" und kostet 31.000 Euro, als "Trendline" inklusive Zwei-Zonen-Klimaanlage liegt er bei 34.820 Euro. Wir rechnen schnell für Privatkäufer in Brutto um: 36.890 respektive 41.436 Euro. Dazu ein kurzer Seitenblick zur Konkurrenz: Mercedes V 220 d "Rise" mit 163 PS und Neungang-Automatik ab 36.990 Euro, Opel Zafira Life M mit manuell geschaltetem 102-PS-Diesel ab 34.660 Euro.

Fazit: 8/10

Man könnte beim VW T6.1 vorschnell sagen: Alter Wein in neuen Schläuchen. Doch VW kombiniert hier geschickt die Reife des T6 mit viel neuer Digitalität. Im letzten Punkt schießt der Hersteller manchmal über das Ziel hinaus, andere Dinge wurden dafür sinnvoll verbessert. Denn eines ist auch klar: Die T-Reihe ist nicht mehr Quasi-Monopolist in ihrem Segment. Besonders die ebenfalls jüngst geliftete Mercedes V-Klasse und der Vito üben Druck auf VW aus, den der T6.1 mit umfangreicherer Serienausstattung kontert. Konkurrenz belebt das Geschäft. Fest steht: Noch nie war ein Bulli besser. 

Bildergalerie: VW T6.1 Multivan (2019) im Test

VW T6.1 Multivan 2.0 TDI (150 PS)

Motor Zweiliter-Turbodiesel
Leistung 110 kW (150 PS) bei 3.250-3.750 U/min
Max. Drehmoment 340 Nm bei 1.500-3.000 U/min
Getriebeart Sechsgang-Schaltgetriebe
Höchstgeschwindigkeit 183 km/h
Antrieb Frontantrieb
Länge 4.904 mm
Breite 1.904 mm
Höhe 1.990 mm
Kofferraumvolumen 2.450 bis 2.800 mm Laderaumlänge (bei 3.000 mm Radstand)
Verbrauch 7,0 bis 9,3 Liter/100 km (WLTP)
Emission 184 bis 242 Gramm CO2 pro km (WLTP)
Marktstart November 2019