Auch wenn es schon etwas mehr als ein Jahr her ist, dass Ford die Produktion des Fiesta eingestellt hat, ist es uns immer noch ein Rätsel, dass die Verantwortlichen das für eine gute Idee hielten. Das war der zweite Schlag ins Gesicht in den letzten Jahren für Menschen, die einfach ganz normale Autos wollen.

Den Ast abzusägen, auf dem man sitzt, kennt man eigentlich nur von Zeichentrickfilmen wie Tom & Jerry. Ford hat es trotzdem gemacht. Im Jahr 2022 starb der Mondeo, und 2019 wurde der Ka als Stadtauto eingestellt. Und die Verkaufszahlen lügen nicht - die Entscheidung, auf Crossover und Elektro zu setzen, zahlt sich nicht aus.

Nach den Zahlen des Europäischen Automobilherstellerverbandes (ACEA) ist Ford in diesem Jahr weit abgeschlagen. Die Nachfrage in der Europäischen Union, der Europäischen Freihandelszone EFTA und dem Vereinigten Königreich sank um 16,9 Prozent auf 226.365 Fahrzeuge. Vor zehmn Jahren waren es noch mehr als doppelt so viele. Zur EU gehören 27 Länder, zur EFTA weitere vier, während das Vereinigte Königreich gesondert aufgeführt wird, da es Anfang 2020 die EU verlassen hat.

<p>Ford Fiesta</p>

Ford Fiesta

Der Marktanteil von Ford in der Region EU+EFTA+UK fiel bis Juni von 4,1 Prozent auf nur noch 3,3 Prozent. in Deutschland sind es magere 3,7 Prozent. Marktanteil vor zehn Jahren? 7,1 Prozent. Das ist kaum eine Überraschung. Lediglich die Nutzfahrzeuge scheinen bei Ford Schlimmeres zu verhindern.

Die Einstellung des Fiesta hat den Absatz sicherlich beeinträchtigt. Laut dem auf Automobilforschung spezialisierten Unternehmen Dataforce, das von Automotive News Europe zitiert wird, haben alle Modelle, die es in die Top 10 im Kleinwagensegment geschafft haben, im ersten Halbjahr 2024 zugelegt. Die meisten anderen wuchsen zweistellig.

Insgesamt wuchs das Segment um 5,7 Prozent auf 956.865 Kleinwagen. Das sind 51.392 Autos mehr als im ersten Halbjahr 2023, trotz der Einstellung des Fiesta. Nach dem Wegfall des Klassikers von Ford entschieden sich die Kunden, etwas anderes zu kaufen, und das nicht zu knapp.

Modell Einheiten bis Juni 2024 Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023
Dacia Sandero 144.205 +17.2%
Renault Clio 113.620 +14.6%
Peugeot 208 105.940 +1.1%
Citroën C3 104.655 +52.8%
Toyota Yaris 92.879 +10.2%
Opel Corsa 86.002 -18.2%
Volkswagen Polo 67.619 +4.3%
Skoda Fabia 52.433 +22.5%
Seat Ibiza 46.733 +31.6%
Hyundai i20 42.098 +19.9%

Aber es droht ein weiteres Problem. Ford ist dabei, auch dem Focus den Stecker zu ziehen. Die Entscheidung wurde Mitte 2022 bekannt gegeben, als das Unternehmen ankündigte, den Kompakten im Jahr 2025 ohne Nachfolger einzustellen. Vor ein paar Monaten bekräftigte das Unternehmen seine Pläne, den Golf-Konkurrenten im November 2025 im Werk Saarlouis in Deutschland auslaufen zu lassen.

Bildergalerie: Ford Focus 1.0 EcoBoost (2024) im Test

Ein erneuter Blick auf die Verkaufscharts zeigt, dass die Ausmusterung des Focus die gleiche Geschichte ist wie beim Fiesta. Das Kompaktsegment wuchs im Zeitraum Januar bis Juni 2024 in der Region EU+EFTA+UK um 11,5 Prozent. Das entspricht einem Zuwachs von 86.161 Fahrzeugen auf insgesamt 837.351.

Der Focus ging zwar um 19,8 Prozent zurück, aber die Produktion wurde wegen eines Streiks im Werk vorübergehend eingestellt. Trotz dieses Rückschlags erreichte Ford mit 47.070 Fahrzeugen den fünften Platz in diesem Segment. Er lag damit vor dem langjährigen Rivalen Opel/Vauxhall Astra.

Modell Einheiten bis Juni 2024 Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023
Volkswagen Golf 125.591 +42.4%
Skoda Octavia 102.906 +25.8%
Toyota Corolla 70.541 +13.9%
Peugeot 308 50.053 -2.1%
Ford Focus 47.070 -19.8%
Opel Astra 44.475 +70.4%
Kia Niro 38.098 +11.9%
Citroën C4 34.247 +8.3%
Kia Ceed 33.545 -5.5%
Cupra Leon 32.733 +70.8%

Wenn der Focus ausstirbt, wird der Mustang der einzige Nicht-SUV-Pkw in der Ford-Produktpalette in Europa sein. Kein Witz. So sehr wir alle das Pony Car auch lieben, das Sportcoupé/Cabrio-Duo wird die Nadel nicht nach oben treiben. Der Mustang ist ein Nischenauto, das von einem großen V8-Motor angetrieben wird, der die Käufer aufgrund der hohen Steuern auf Motoren mit großem Hubraum in vielen europäischen Ländern abschrecken wird. Bis Juni verkaufte Ford nur 1.323 'Stangs, ein Rückgang von 26,6 Prozent, obwohl die siebte Generation gerade erst auf den Markt kommt.

Das Mittelklasse-Segment, zu dem bis vor einigen Jahren der Mondeo (in den USA der Fusion) gehörte, war zwar viel kleiner, wuchs aber in der ersten Hälfte des Jahres 2024 ebenfalls. Die Nachfrage stieg um 6,6 Prozent auf 178.679 Fahrzeuge, das sind 11.004 Einheiten mehr als im gleichen Zeitraum des vergangenen Jahres. VW und Skoda gönnten ihren Kunden sogar Neuauflagen von Passat und Superb.

Modell Einheiten bis Juni 2024 Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023
Tesla Model 3 59.160 +42.4%
Volkswagen Passat 38.147 +3.1%
Skoda Superb 25.325 -4.6%
Peugeot 408 11.094 +1.4%
Volkswagen Arteon 7.705 -38.6%
Peugeot 508 7.287 +9.4%
Volkswagen ID.7 5.465 +3,315.6%
Hyundai Ioniq 6 4.777 -2.3%
Subaru Outback 4.377 +42.7%
Toyota Camry 4.105 +21%

Direkte Nachfolger für den Fiesta, Focus und Mondeo sind nicht geplant. Stattdessen bringt Ford in Europa den großen Elektro-SUV Explorer auf den Markt und lässt den Capri auf fragwürdige Art wieder aufleben, nämlich ebenfalls als Elektro-SUV. Beide basieren auf der MEB-Plattform des Volkswagen-Konzerns, sind also mit dem ID.4 bzw. ID.5 verwandt. Ford kann realistischerweise nicht erwarten, dass das Elektroauto-Duo das Auslaufen langjähriger Legenden wie Fiesta, Focus und Mondeo kompensieren wird.

Bildergalerie: Ford Capri (2024)

In der ersten Hälfte des Jahres 2024 hatten reine Elektroautos nach Angaben der ACEA einen Marktanteil von nur 12,5 Prozent. Ford arbeitet außerdem an einem vollelektrischen Puma als billigstem Elektroauto der Marke in Europa. Der Puma Gen-E kommt noch in diesem Jahr auf den Markt und wird mit den Angeboten von Stellantis konkurrieren müssen. Zur Erinnerung: Ford hat sein Ziel, bis 2030 in Europa vollständig elektrisch zu fahren, mit der Begründung aufgegeben, die Nachfrage nach Elektroautos sei schwächer als ursprünglich angenommen.

Der Einbruch der Verkaufszahlen zeigt, dass die Zahl derer, die nur SUVs kaufen wollen, begrenzt ist. Die Segmente von Fiesta, Focus und Mondeo sind in Europa nach wie vor sehr umsatzstark, aber Ford schaut jetzt von der Seitenlinie zu. Das Unternehmen ist fest entschlossen, SUVs zu verkaufen, gelegentlich auch einen Mustang.

<p>Ford Taurus</p>

Ford Taurus

Aber Europa ist nicht der einzige Ort, an dem Ford in der Kreise steckt. Der Fiesta, der Focus, der Fusion und der Taurus sind in den Vereinigten Staaten schon seit Jahren tot, wo sich das Unternehmen auf große SUVs und Pick-ups konzentriert hat. Der Vorstandsvorsitzende Jim Farley sagte jedoch kürzlich, dass die Amerikaner sich auf kleinere Autos besinnen müssen - genau jene, die Ford nicht mehr anbietet.

In einem Interview mit CNBC auf dem Aspen Ideas Festival Ende Juni, sagte der Ford-Chef: "Wir müssen anfangen, uns wieder in kleinere Fahrzeuge zu verlieben. Das ist super wichtig für unsere Gesellschaft und für die Verbreitung von Elektrofahrzeugen. Wir sind einfach verliebt in diese Monsterfahrzeuge, und ich liebe sie auch, aber das Gewicht ist ein großes Problem".

Zumindest im Moment sollte diese Aussage nicht als Versprechen von Ford verstanden werden, kleinere Autos zu verkaufen. Amerika ist schließlich ein Pick-up-Land. Anders sieht es in Europa aus, wo die Menschen vernünftigere Autos bevorzugen. Da die EU den Verkauf von neuen Benzin-/Dieselautos im Jahr 2035 verbieten wird, ist es für eine Wiederbelebung des Fiesta und/oder Mondeo wahrscheinlich zu spät im Spiel.

Der Focus steht vor dem Aus, so dass die nächsten Jahre für Ford in Europa schwierig werden, wenn man bedenkt, dass die Konkurrenten die normalen Autos noch nicht aufgegeben haben. Erschwerend kommt hinzu, dass sich das Wachstum bei den Elektroautos in Europa verlangsamt: Die ACEA-Zahlen zeigen, dass die Zahl der Elektroautos bis Juni nur um 1,3 Prozent gestiegen ist. Das ist ein besorgniserregendes Zeichen dafür, dass die Elektroautos Puma, Explorer und Capri von Ford nicht so erfolgreich werden könnten wie ursprünglich angenommen.

Bildergalerie: Ford Kuga Facelift (2024)

Der Silberstreif am Horizont für Ford Europa ist die Tatsache, dass sich der Puma, der nicht für den amerikanischen Markt bestimmt ist, immer noch wie warme Semmeln verkauft. Die Auslieferungen stiegen im ersten Halbjahr 2024 um 8,4 Prozent auf 83.668 Einheiten. Der größere Kuga (Escape in den USA) musste jedoch einen Rückgang von 10,1 Prozent auf 54.995 Fahrzeuge hinnehmen. Abzuwarten bleibt, wie das Facelift einschlagen wird.