Zugegeben: Wenn man an Designstudien oder Konzeptfahrzeuge denkt, hat man nicht unbedingt Opel auf dem Schirm. Was eigentlich ziemlich komisch ist. Denn die Marke aus Rüsselsheim war mit dem legendären Experimental GT von 1965 der erste europäische Hersteller überhaupt, der einen solchen Prototypen präsentierte. Drei Jahre später wurde daraus dann der legendäre Opel GT. Und jetzt? Jetzt wagt Opel erneut einen Blick auf die eigene Zukunft ...
Ein vollelektrischer Allrad-Crossover
Also. Vorhang auf für die neueste Designstudie der Marke, den Opel Experimental. Ohne "GT". Und ohne "X". Und damit etwas anders als die 2016 und 2018 vorgestellten Showcars namens GT Concept (hieraus hätte eine Neuauflage des Opel GT werden können) oder GT X Experimental (aus dem letztendlich dann der Opel Mokka B wurde).
Opel Experimental GT (1965)
Opel GT Concept (2016)
Wohin steuert der einzige deutsche Hersteller im Stellantis-Universum mit diesem vollelektrischen Allrad-Crossover? Wir konnten uns schon vor der Publikumspremiere auf der IAA Mobility 2023 in München (5. bis 10. September) ein Bild von dem Experiment auf vier Rädern machen.
"Unser neuer Opel Experimental zeigt eine technischere und noch pointiertere Interpretation unserer mutigen und klaren Designphilosophie. Mit ihm nimmt unsere Vision der Zukunft Gestalt an. Viele seiner Designelemente und der zugrundeliegenden Philosophie werden sich in künftigen Serienmodellen wiederfinden. Das Karosseriedesign vereint beste Aerodynamik mit einer unverwechselbaren Silhouette. Und der Innenraum vermittelt ein intensives, emotionales Nutzererlebnis."
Mark Adams (Opel-Designchef)
Und damit klärt Mr. Adams auch gleich die wohl brennendste Frage. Mit dem Design vermittelt das neue Konzeptfahrzeug nämlich lediglich, wohin die Reise von Opel in den kommenden Jahren gehen wird.
Wir sehen hier also keine Vorschau auf einen neuen Manta, ein Wiederbelebungsversuch für Frontera und Monterey oder einen Ausblick auf den neuen Insignia. Man will mit dem Experimental Aerodynamik-Features präsentieren, Bedienkonzepte vorstellen, Strategien in Sachen Nachhaltigkeit ausprobieren und die Augen der Betrachterinnen und Betrachter auf eine Designsprache vorbereiten, die sich in Auszügen in kommenden Modellen wiederfinden wird.
Bildergalerie: Opel Experimental (2023)
Auf zum Erstkontakt: Was an der schlanken Silhouette und den glatten Oberflächen des Opel Experimental direkt auffällt, ist der Verzicht auf Chrom. Um trotzdem Highlights zu setzen, werden Leuchtelemente verwendet. Die traditionellen Außenspiegel sind vollintegrierten 180-Grad-Kameras an den C-Säulen gewichen.
Die Entdeckung der vierten Dimension
An der Front sitzt der leuchtende neue Opel-Blitz. Flankiert wird er in der horizontalen Achse von der lang gestreckten Flügelsignatur der Scheinwerfer. In der Vertikalen verlängert die beleuchtete Bügelfalte der Motorhaube den Opel-Kompass. Das gesamte Gesicht bezeichnet der Hersteller jetzt als "4D Opel Vizor".
Die vierte Dimension steht dabei für Sensoren, Lidar-, Radar- und Kamerasysteme, die beim neuen Vizor integriert sind. Am Heck gibt es einen weiteren Licht-Kompass. Der Blitz fehlt allerdings. Dafür ist der Markenname beleuchtet.
Luftklappen an Front und Heck ebenso wie ein Heckdiffusor, der je nach Fahrsituation aus- oder einfährt, sollen den aerodynamischen Wirkungsgrad verbessern. Die Radhäuser? Riesig. Darin sitzen die mit Goodyear entwickelten Reifen, welche aus recyceltem Gummi bestehen und die auf 3-Zonen-Ronal-Felgen gezogen worden, die mit ihrem speziellen Aero-Design die Effizienz weiter erhöhen.
Welchen cW-Wert die kompakte C-Segment-Designstudie theoretisch hätte, weiß der Hersteller allerdings nicht. Im Windkanal war man nämlich nicht. Weder mit dem realen noch mit dem digitalen Modell.
Apropos digitales Modell: Einen echten Innenraum zum Anfassen hat der Experimental nicht. So müssen wir uns beim Bedienkonzept, dem Raumgefühl und der angestrebten Raumnutzung (hier verspricht Opel trotz der kompakten Außenmaße ganz selbstbewusst D-Segment-Abmessungen) auf die digitalen Erfahrungen verlassen, die uns über eine VR-Brille erlebbar gemacht werden. Was also folgt, ist noch wenig konkrete Zukunftsmusik ...
Sitze mit 3D-Mesh statt AGR
Unter dem Oberbegriff "Space Detox" lassen die Rüsselsheimer schon einmal das Lenkrad dank Steer-by-Wire-Technologie einfach wegklappen, sobald es nicht benötigt wird. Die adaptiven Leichtbausitze bieten eine schlanke Struktur mit 3D-Mesh-Gewebe. Darüber hinaus weisen reaktive Stoffe praktische Eigenschaften auf: Befindet sich beispielsweise ein Fahrzeug im toten Winkel, erscheint eine farbliche Warnung an der Innenseite der jeweiligen Tür.
Alle anderen entscheidenen Informationen kann man sich auf einer schlanken Anzeigeeinheit personalisieren, die eine Weiterentwicklung des aktuellen Pure Panels sein soll. Anstelle von gewöhnlichen Bildschirmen werden die Informationen oder Unterhaltungsformate per Augmented-Projection-Technologie wiedergegeben. Künstliche Intelligenz sowie natürliche Sprachsteuerung könnten dabei unterstützen.
Dazu gesellt sich das optisch schwebende und transparente Pure Pad vor der vorderen Armlehne. Es kann nach den persönlichen Vorlieben konfiguriert werden und ermöglicht so den direkten Zugriff auf die am häufigsten genutzten Bedienelemente.
Und wie geht es weiter?
Ja ... und was werden wir jetzt im nächsten Serienmodell sehen, wenn die Fahrzeugarchitektur auf die neuen Elektro-STLA-Konzernplattformen umgestellt werden? Hier ist Opel noch wenig konkret in seinen Aussagen. Das Kompass-Motiv mit dem beleuchteten Blitz und dem beleuchteten Markennamen gelten aber wohl als gesetzt. Die schlankeren Anzeigen im Interieur und das Bedienpad wahrscheinlich auch.
Nach unserer Vermutung allerdings ohne nennenswerte AR-Funktionen. Der Rest? Der liegt noch etwas weiter in der Zukunft und ein paar Innovationen kann man sich ja auch aufheben. Für einen neuen Manta beispielsweise.
Quelle: Opel