Unsere geschätzten Leser haben bestimmt schon einmal die Rubrik "Kennen Sie den noch?" studiert. Dort stellen wir Autos von früher vor, die inzwischen fast vergessen sind. Doch was ist mit den Modellen, die durchaus noch zahlreich im Straßenverkehr umherfahren? Jene Typen, die jeder kennt, die schon deutlich über 20 Jahre, teilweise aber auch viel weniger auf dem Buckel haben.
Werden sie einmal Oldtimer? Das birgt Zündstoff für kontroverse Diskussionen. Einige dieser Modelle wollen wir in unserer Reihe "Klassiker der Zukunft?" vorstellen.
Gut, ganz offiziell ist dieses Fahrzeug schon ein Oldtimer: Die erste Mercedes C-Klasse wurde 1993 vorgestellt und trat in die großen Fußstapfen des 190. Mit der Baureihe 202 führte Mercedes sukzessive auch eine neue Nomenklatur ein: Wie bei der S-Klasse, die seit 1972 so heißt, bezeichnete nun generell ein Buchstabe die Klasse - so entstand der Name "C-Klasse".
Neu war die Logik der Typenbezeichnung. Der jeweilige Buchstabe stand nun vor der Ziffernkombination, die den Hubraum angab. Im Sommer 1993 übertrug Mercedes-Benz dieses Prinzip auf die übrigen Personenwagen der Marke.
"Das Design der ersten C-Klasse sollte ein breites Publikum ansprechen mit einer geschmeidigen, ästhetischen und zeitlosen Form", erläutert Prof. Peter Pfeiffer, Chefdesigner von 1999 bis 2008, die damaligen Maßgaben. Markant sind die bis an den Heckdeckel reichenden schrägen Rückleuchten, die die Optik des W 124 fortführen. Insgesamt erinnert der W 202 aber eher an die zwei Jahre zuvor vorgestellte S-Klasse der Baureihe 140.
Im Vergleich zum Vorgänger bot die C-Klasse deutlich mehr Platz im Innenraum. Mehr Innenraum bei kaum gewachsenen Außenmaßen ließ sich zum einen durch die Anordnung der Komponenten wie Motor, Achsen und Getriebe erreichen. Zum anderen brachte bei der C-Klasse die Verlegung des Tanks erhebliche Vorteile. Im 190er war er noch hinter der Rücksitzbank eingebaut.
In der Baureihe 202 kam erstmals ein Kunststofftank zum Einsatz. Er war leicht, frei formbar und befand sich unter der Rücksitzbank und vor der Hinterachse. Dadurch konnte in der C-Klasse die Rücksitzbank etwas weiter nach hinten geschoben werden. Auch das Kofferraumvolumen war gegenüber dem W 201 gewachsen, und mit einem Längenzuwachs von rund 40 Millimetern brachte es die neue Limousine auf nun 4,49 Meter.
Zur Markteinführung wurde die Mercedes C-Klasse mit vier Benzin- und drei Dieselmotoren angeboten. Der C 180 leistete 90 kW (122 PS). Der C 200 war 100 kW (136 PS) stark. Der C 220 brachte es auf 110 kW (150 PS). Der C 280 schöpfte 142 kW (193 PS) aus seinem Reihensechszylinder. Bei den Selbstzündern war der bekannte Diesel mit 55 kW (75 PS) das Einstiegsmodell im C 200 D, gefolgt vom C 220 Diesel mit 70 kW (95 PS) und dem C 250 Diesel mit 83 kW (113 PS).
Moderne Achskonstruktionen trugen dazu bei, dass sich Fahrkomfort und Fahrsicherheit gegenüber dem Vorgängermodell deutlich verbessert hatten. Zwei Querlenker an der Vorderachse - daher der Name Doppelquerlenkerachse - optimierten die Radführung. Die vom "Baby-Benz" bekannte Raumlenker-Hinterachse wurde modifiziert und mit einer elastischen Hinterachsaufhängung versehen. Auch die neue Abstimmung von Federn und Dämpfern sowie ein längerer Radstand und eine breitere Spur trugen zu Komfort und Fahrsicherheit bei.
Zur Serienausstattung gehörten Fahrerairbag, integraler Seitenaufprallschutz, ABS, Servolenkung, Fünfganggetriebe und Zentralverriegelung. "Lines" nannte Mercedes-Benz die Ausstattungsvarianten Esprit, Elegance und Sport neben der so genannten klassischen Version - später Classic genannt. Diese beschrieb die Marke als "jugendlich frech" (Esprit), "vornehm-elegant" (Elegance) und "dynamisch-technisch" (Sport).
Esprit zeichnete sich durch eine um 25 Millimeter abgesenkte Karosserie und ein ziemlich grellbuntes Interieur aus. Elegance wandte sich durch farblich auf den Lack abgestimmte Schutzleisten sowie Chromeinlagen plus Holz im Innenraum an die konservative Kundschaft. Sport war zudem um 25 Millimeter tiefergelegt und das Fahrwerk straffer abgestimmt. Zur Ausstattung gehörten breitere Reifen und Leichtmetallräder im Fünfloch-Design.
"Mit diesen Lines ist es uns gelungen, ein noch breiteres Publikum anzusprechen", erklärt Prof. Peter Pfeiffer, "mit Esprit und Sport konnten wir Käufer überzeugen, denen das Design des W 202 zu ruhig war. Jeweils ein Drittel der Fahrzeuge wurde mit den Lines Classic und Elegance ausgeliefert. Ein weiteres Drittel entfiel auf die Lines Esprit und Sport."
Schon früh in der seit 1986 laufenden Konzeptionsphase der späteren C-Klasse Limousine beschloß der Vorstand der damaligen Daimler-Benz AG zusätzlich die Entwicklung eines T-Modells mit der internen Bezeichnung S 202. Dieses kam 1996 auf den Markt.
Die Leistungsspitze der Baureihe 202 markierte zunächst der im Herbst 1993 vorgestellte C 36 AMG. Er war das erste gemeinsam von Mercedes-Benz und AMG entwickelte Fahrzeug. Basis war ein C 280 in der Ausstattungslinie Sport. Den 2,8-Liter-V6-Motor brachte AMG durch eine Vergrößerung von Bohrung und Hub auf 3,6 Liter Hubraum.
Spezielle Kolben, eine geänderte Kurbelwelle und eine höhere Verdichtung sorgten für eine Leistung von 206 kW (280 PS). Das Fahrwerk wurde gegenüber der Sportversion um weitere zehn Millimeter abgesenkt. Eine modifizierte Front- und Heckschürze, Seitenschweller und größere Räder kennzeichnten die AMG-Variante optisch.
Der Erfolg war groß: Zwischen Herbst 1993 und Juni 1997 wurden 5.221 Exemplare des C 36 AMG gebaut. Im September 1997 hielt erstmals ein Achtzylinder-Motor Einzug in die C-Klasse. Der C 43 AMG leistete 225 kW (306 PS). Im 1998 vorgestellten C 55 AMG waren es sogar 255 kW (347 PS).
In der europaweit populären DTM knüpfte die C-Klasse ab 1994 an die erfolgreichen Jahre auf Basis des 190 E 2.5-16 an. 1994 gewann Klaus Ludwig mit einer AMG-Mercedes C-Klasse DTM, deren V6-Motor 294 kW (400 PS) leistet, den Titel. Mit der überarbeiteten Version und 324 kW (440 PS) sicherte sich Bernd Schneider 1995 die Meistertitel in der DTM und in der Internationalen Tourenwagen-Meisterschaft ITC.
In den Baujahren 1993 bis 2000 (Limousine) und 1996 bis 2001 (T-Modell) flossen zahlreiche technische und optische Verbesserungen in die Produktion ein. So kehrte 1995 beim C 230 Kompressor das Roots-Gebläse zurück. Es sollte für ein deutlich höheres Drehmoment in einem breiten Drehzahlbereich und eine spontanere Kraftentfaltung sorgen.
"Wegen des fehlenden Turbolochs haben wir uns damals für den Kompressor und gegen den Turbolader entschieden", erklärt Fahrzeugentwickler Prof. Hermann Gaus. Seit der Modellpflege 1997 wurden C 240 und C 280 mit neuen V6-Motoren angeboten. Das Elektronische Stabilitäts-Programm ESP war zunächst für diese Modelle bestellbar, die anderen folgten. Sidebags in den vorderen Türen, Gurtstraffer mit Gurtkraftbegrenzern an den Vordersitzen und der Bremsassistent ergänzten im Zuge der Modellpflege die Serienausstattung.
Auch beim Diesel präsentierte Mercedes einen aufgeladenen Motor. Der C 250 Turbodiesel war der erste Pkw-Turbodiesel mit Vierventiltechnik und Ladeluftkühlung. Seine Leistung betrug 110 kW (150 PS). 1997 hielt das Common-Rail-Prinzip in der C-Klasse Einzug. Im C 220 CDI leistete der Vierzylinder-Diesel 92 kW (125 PS). Ihm folgte 1998 der C 200 CDI mit 75 kW (102 PS).
Von 1993 bis 2000 wurden 1.626.383 Limousinen der Baureihe 202 gebaut. Von 1996 bis 2001 kamen 243.871 T-Modelle hinzu.