Ah, der beste, puristischste, handgerissenste Elfer aller Zeiten ...

Nun, mit den Superlativen ist das ja heutzutage immer so eine Sache. Wir neigen dazu, sie etwas arg inflationär in den Raum zu werfen. Herr Infantino etwa fand, die Fussball-WM in Katar sei die beste überhaupt gewesen. Und jedes Mal, wenn das unverschämt fähige Team um Porsche-GT-Chef Andy Preuninger einen neuen, streng limitierten Spezial-Elfer kreiert, dreht das Enthusiasten-Konglomerat völlig durch. So wie jetzt wieder, beim 911 S/T.

Anders als bei unserem allseits geschätzten Fifa-Boss sind die Lobpreisungen für die Produkte aus Weissach/Flacht allerdings immer mehr als berechtigt. Denken wir nur an den 997 RS 4.0. Oder an den 911 R von 2016 - da hätten erschreckend viele Menschen ihre Mutter und diverse weitere Verwandte verkauft, um eines der 991 Exemplare zu bekommen. Gerissene Dealer verlangten zeitweise bis zu 800.000 Euro, etwa das Vierfache des Neupreises. 

Porsche 911 R

Der stärkstens gehypte Porsche 911 R von 2016

Porsche 911 S/T (2023) im Test

Der noch stärker gehypte Porsche 911 S/T von 2023

Umso besorgniserregender erscheint daher das bisherige Echo zum neuen 911 S/T. Trotz eines Basispreises von fast 300.000 Euro überschlägt sich die Presse in nicht gekannter Art mit Lobpreisungen. Preuninger selbst sagt mir beim Fahrtermin, wenn er sich ein Auto aus seiner mehr als 20-jährigen GT-Ägide aussuchen müsste, wäre es der S/T. Und dann heißt es aus Entwicklerkreisen zu allem Überfluss auch noch, dass der Walter (Röhrl natürlich) jetzt einen neuen Lieblings-Elfer hat.

Wenn ich Ihnen also meine eigenen Fahreindrücke zum offenbar heiligsten aller Elfer mitteile, ist das im Prinzip pure Blasphemie. Aber ich sage Ihnen natürlich trotzdem, wie er sich so anfühlt. 

Ja in Gottes Namen, was macht dieses Auto denn so besonders?

Sagen wir mal so: Würde der Fahrdynamik-fundamentalistische Porsche-Purist in einen automobilen Süßwarenladen stolpern, würde er sehr wahrscheinlich mit einem 911 S/T wieder rauskommen. Denken Sie - vereinfacht ausgedrückt - an einen stark erleichterten GT3 Touring mit Schaltgetriebe und GT3 RS-Power. Und dann denken Sie mit all dem Wasser, dass Ihnen jetzt schon im Mund zusammengelaufen ist, bitte noch ein ganzes Eck weiter. Denn hier ist so viel abgefahrener, hochemotionaler Performance-Scheiß passiert, da muss einfach was verflucht Grandioses dabei rausspringen. 

Wie schnell ist er?

Wen juckt das? Wenn Sie die Rennstrecke mit Ihren Fabelzeiten unterjochen wollen, kaufen Sie sich einen GT3 RS. Der S/T ist das Genießer-Auto für die Landstraße. Seelenlose Zahlen sind hier relativ egal. Recht beindruckend sind sie natürlich trotzdem: Der 4,0-Liter-Boxer macht 525 PS und wenn Sie wissen, wie man mit einem Handschalter vernünftig vom Fleck kommt, geht es in 3,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 300 Kilometer pro Stunde. 

Viel wichtiger erscheint ein anderer Wert, denn der S/T wiegt nur 1.380 Kilo, ist damit heftige 40 Kilo leichter als ein GT3 Touring mit Handschalter. Gegenüber dem GT3 RS sind es sogar 70 Kilo. Und wenn wir uns ansehen, wie genau dieses Auto seine Pfunde abschüttelt, wird auch klar, warum es so besonders ist. 

Zum "absolut-kein-Schnick-Schnack"-Gedanken passt der Rausschmiss der Hinterrad-Lenkung natürlich ganz hervorragend. Spart 6,5 Kilo und erlaubt den Einsatz einer Lithium-Ionen-Batterie, was weitere 3,5 Kilo abschabt. 

Porsche 911 S/T (2023) im Test
Porsche 911 S/T (2023) im Test

Die Räder sind nicht nur wunderschön sondern auch fürchterlich leicht, weil aus Magnesium. Serienmäßig. Gegenüber den Schmiedefelgen des GT3 bringt das 10,3 Kilo. Wenn Sie Preuninger schwärmen hören wollen, dann bringen Sie die Kohlefaser-Türen des GT3 RS zu Wort. Sehen mega aus und erfordern spezielle Kotflügel mit einem riesigen Ausschnitt, der noch .. ähm .. megaer aussieht. Die Auslässe des GT3 RS spart sich das Auto, zwei Kilo sind so trotzdem weg. Weitere Diätmaßnahmen sind ein Carbon-Schubfeld am Unterboden und ein dünnerer Teppich mit kürzeren Fasern, der weitere zwei Kilo wegschleift.

Und dann wird's Zeit für das richtig radikale Zeug: Mit 10,2 Kilo wiegt die Kupplung des S/T nur halb so viel wie im GT3 Touring. Zur Hardcore-Kupplung passt das neue Einmassenschwungrad, das Drehfreude, Drehspeed und Gasannahme auf ein neues Level hebt und ganz nebenbei sehr - nun ja - ungewohnte Geräusche von sich gibt. Dazu gleich mehr. Obendrein hat man die Getriebeübersetzung acht Prozent kürzer gestaltet und zu all der neuen Kürze auch noch einen stummeligeren Schaltknauf installiert. 

Porsche wird ja des Öfteren für Getriebeübersetzungen kritisiert, die länger sind als ein Wagner-Oper-Double-Feature. Beim aktuellen GT3 empfand ich es schon bisher als ziemlich auf den Punkt, aber beschweren will ich mich sicher nicht. 

Wir sehen hier also einen Elfer, der leichter ist als ein GT3 und dazu einen kräftigeren, explosiveren und lauteren Antriebsstrang unterm Heckdeckel stecken hat. Heiliger Bimbam, gehen wir's an. 

Kann man überhaupt noch fahren vor lauter Ergriffenheit?

Es geht gerade noch, aber man muss sich schon sehr zusammenreißen, um vor Entzückung nicht gleich völlig dahin zu schmelzen. Nein im Ernst, was direkt auffällt, ist die relativ große Diskrepanz zum GT3 Touring. In so gut wie allen Belangen. Und das in einem sehr positiven Sinne. Auch wenn es sich total dämlich anhört, weil es in gewisser Weise ja die Majestät schlechthin beleidigt. Aber ich erkläre:

Mein Vorteil ist nämlich, dass die hohen Herren aus Zuffenhausen zum Fahrtermin nicht nur den S/T, sondern auch gleich noch einen GT3 Touring dabei hatten. Das sind natürlich Zustände wie im Sultanat, aber für die Einordnung ganz und gar vortrefflich. 

Porsche 911 S/T (2023) im Test

Man muss den 911 S/T nur anlassen und im Leerlauf einmal den rechten Fuß bewegen, dann weiß man direkt, was die Stunde geschlagen hat. Die Nadel des Drehzahlmessers ist nämlich fuchsteufelswild und bewegt sich ungefähr dreimal so schnell nach oben. Ja sappralott, was ist denn hier los? Bedanken Sie sich beim Einmassenschwungrad, das sämtliche Trägheit im Ansprechen wegpustet und obendrein Geräusche macht, wie man sie in einem Elfer seit Jahrzehnten nicht mehr gehört hat. 

Erst denken Sie, Sie hätten beim ersten Anfahren gleich den sündteuren Antriebsstrang zerstört, weil es so fürchterlich knirscht im Rücken. Aber so klingt das Schwungrad nun mal. Waschmaschine voller Kieselsteine. Bis 3.000 U/min recht heftig, danach wird's dezenter. Die einen lieben's, die anderen würden am liebsten ihren Ringfinger wieder aus dem Häcksler ziehen. Der wahre Enthusiast gluckst natürlich vor Freude, auch weil der Rest des Sounderlebnisses im S/T wesentlich unanständiger um die Ecke kommt. Deutlich weniger Dämmung hier, etwas Auspuff da und schon dröhnt es, wie es lange nicht mehr dröhnte im 911. 

Allein schon der Mix aus wilden Geräuschen impft dem S/T Charakter ein, wie es ihn bisher nicht gab im 992. Aber beim Fahren wird man ständig mit weiteren Sensationen beworfen. Der Kupplungsweg ist kürzer und schwerer als gewohnt. Und der Mini-Schaltknauf, der sich fast schon versteckt in seinem Lederbalg, klackt dieses kleine bisschen befriedigender, satter, mechanischer durch die Gassen. 

Jetzt wäre es natürlich reichlich daneben, einem 992 GT3 Lethargie rund ums Motorische zu attestieren. Aber wie er so reagiert auf Gasbefehle, der S/T, und wie er sich noch energiebündeliger durchfummelt durchs 9.000er-Drehzahlband, das merkt man schon. 

Hier ist also eine ganze Menge mehr los und man fühlt sich noch involvierter ins Fahrgeschehen. Beim Fahrwerk allerdings ist man ein bisschen einen umgekehrten Weg gegangen. Der GT3 (ob mit oder ohne Touring-Paket) ist ja schon eher auf der straffen Seite. Außerdem hat er eine Lenkung, die gerade um die Mittellage herum recht schwer ist und extrem scharf schießt. Beim neuen S/T ist das anders. Das Team wollte ein homogeneres, runderes, vielleicht sogar etwas entspannteres Setup. 

Bildergalerie: Porsche 911 S/T Heritage Paket

Dafür hatte man gut zwei Jahre Zeit und die hat man offensichtlich gut genutzt. Zur Erinnerung: Andy Preuninger monierte, dass man das Projekt 911 R damals in nur 13 Monaten schultern musste. Viel zu wenig eigentlich. Beim S/T war also mehr Zeit für Feinschliff. 

Neben erwähntem Entfall der Hinterachslenkung, entschied man sich für eine gleichmäßigere Lenkübersetzung und schraubte auch den Sperrgrad der Hinterachssperre zurück. Das Dämpfersetting wurde so verändert, dass das Auto auch auf schlechteren Straßen besser im Fluss ist. 

Das Ergebnis ist ein Auto, dass bei langsamer Fahrt auf kurze Stöße noch immer sehr kautzig reagiert, aber auf der typischen, nicht gänzlich androgyn geteerten Land- oder Bergstraße mehr wegsteckt, ohne dabei an Gefühl zu verlieren. Da haben die Jungs und Mädels in der GT-Abteilung wirklich einen sensationellen Job gemacht. 

Apropos Gefühl: Das S/T-Highlight neben dem Antrieb ist sicher die Lenkung. Sie ist wesentlich runder als im GT3, spricht haarfein und extrem sensibel an, wirkt aber gleichzeitig etwas entspannter und weniger hibbelig. Außerdem läuft sie fast schon über mit Gefühl, funkt selbst kleinste Infos von der Straße direkt in die Fingerspitzen über. Wir reden hier sicher von einer der besten elektromechanischen Lenkungen aller Zeiten. 

Wie ist er innen?

Eigentlich weit weniger speziell als man es von einem sündteuren, limitierten Geburtstags-Spezial erwarten würde. Die herausragenden Carbon-Schalensitze sind natürlich Serie, es gibt eine schicke Gold-Plakette auf der Beifahrerseite des Armaturenbretts und die Instrumente erhalten in Anlehnung an ältere Porsche einen grünen Anstrich. 

Besonders cool sind die Kohlefaser-Türen aus dem GT3 RS. Nicht nur wegen des Carbon-Türgriffs innen, sondern vor allem, weil sie einen richtigen Türgriff außen haben, nicht die bündigen Klappteile des normalen 992.  

Porsche 911 S/T (2023) im Test
Porsche 911 S/T Heritage Paket
Porsche 911 S/T Heritage Paket

Wenn Sie wollen, können Sie einen Überrollkäfig ordern. Sieht natürlich Bombe aus, schränkt aber Sicht und Raumangebot hinter den Sitzen ein. Trotz GT3 RS-Antrieb verfügt der S/T nicht über die dramatische Aerodynamik des Flügelmonsters. Das bedeutet auch, dass er einen Kofferraum unter der Fronthaube hat wie jeder andere Elfer. 

Für mehr Farbe und Exklusivität sorgt das aufpreispflichtige Heritage Design Paket, das deutlich mehr Lederumfänge und die Farbe Cognac ins Interieur zaubert. 

Fazit: 9,5/10

Man muss den 911 S/T schon mögen. Er ist für die Straße, fürs Fahren um des Fahrens Willen. Aber er ist laut und hart, er knirscht und er röhrt, er strengt wesentlich mehr an als - sagen wir - ein 911 GTS. 

Purer, ehrlicher und besser wird es jedoch derzeit nicht bei den Herrschaften aus Zuffenhausen. Schöner vermutlich auch nicht. Ein Projekt purer Passion und sicher ganz oben dabei in der Liste der wunderbarsten Elfer. 

Natürlich sind die 1.963 Exemplare (zum 60. Jubiläum des Elfers) trotz 292.000 Euro Einstandspreis längst weg. Mal sehen, in welch schwindelerregende Höhen die Preise dieses Mal klettern. Bei den Haben-Will-Qualitäten des S/T könnte es abenteuerlich werden.  

Bildergalerie: Porsche 911 S/T (2023) im Test

Technische Daten und Preis Porsche 911 S/T

Motor 6-Zylinder-Saug-Boxer; 3.996 ccm
Getriebeart 6-Gang-Schaltgetriebe
Antrieb Hinterradantrieb
Leistung 386 kW (525 PS) bei 8.500 U/min
Max. Drehmoment 465 Nm bei 6.300 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h 3,7 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 300 km/h
Leergewicht 1.380 kg
Zuladung 315 kg
Kofferraumvolumen 132 Liter
Verbrauch WLTP-Verbrauch: 13,8 Liter
Emission 313 g/km CO2
Basispreis 292.187 Euro