Die Autowelt ist süchtig. Nach SUVs. Keine wirklich neue Erkenntnis. Gleichzeitig werden beispielsweise Kombis immer seltener. Auch keine neue Erkenntnis. Jetzt noch einen schönen Kombi finden? Schwierig.
Und genau deswegen ist der Genesis G70 Shooting Brake eigentlich gleich doppelt interessant. Die Luxusmarke des Hyundai-Konzerns hat mit dem Modell nämlich einen unverschämt gut aussehenden Kombi im Programm. Aber reicht pure Schönheit aus? Test!
Was ist das?
Der Genesis G70 Shooting Brake ist ein Fahrzeug der Mittelklasse und konkurriert als nobler Koreaner hier in Deutschland mit Modellen wie dem Audi A4 Avant, dem BMW 3er Touring oder dem Mercedes-Benz C-Klasse T-Modell. Und rein optisch würden wir diesen Kombi in Bentley-Look (man sieht einfach, dass der Designer Luc Donckerwolke von 2012 bis 2015 für den britischen Luxushersteller gearbeitet hat) jedem deutschen Premium-Fahrzeug mit vergrößertem Kofferraum vorziehen.



Beim Blick auf die Antriebe ist relativ leicht erkennbar, dass sich der relativ neue Genesis die Plattform mit dem relativ alten Kia Stinger teilt. Das Modell ist nämlich mit dem gleichen 2,0-Liter-Turbobenziner mit 245 PS oder dem 2,2-Liter-Turbodiesel mit 200 PS ausgestattet.
Die Vierzylinder sind zwar seit 2020 nicht mehr für den sportlichen Kia orderbar, waren dort aber mal Teil des Angebots. Umgekehrt – und etwas schade – verzichtet Genesis auf den einzigen Motor, den es jetzt noch für das Kia-Pendant im GT-Format gibt ... den 3,3-Liter-V6-Turbobenziner mit 370 PS.
In diesem Test soll es jetzt um den Genesis G70 Shooting Brake mit dem 245-PS-Benziner gehen, der serienmäßig mit einer 8-Gang-Automatik gekoppelt ist und in unserem Fall optional auch mit Allrad ausgestattet wurde. Eine Konfiguration, die es für den Stinger beispielsweise auch nie gab.
Kombi? Das heißt Kofferraum ... oder?
Theoretisch. Und mit 465 Litern bei aufgestellten Rücksitzen und maximal 1.535 Litern nachdem die 40:20:40-Bank umgeklappt wurde, muss sich der schicke Shooting Brake eigentlich auch nicht unbedingt hinter der Konkurrenz verstecken.


Allerdings sollte man beachten, dass die Öffnung, die von einer elektrischen Klappe mit Näherungssensor freigegeben wird, gerade am unteren Rand ziemlich eng ist. Allzu sperrig sollten die Gegenstände also nicht sein, die Sie auf einer Boulevard-Tour zum Baumarkt erstehen.
Wie ist er im Passagierbereich?
Die Sitze in der ersten Reihe sind super bequem, beheizt und belüftet. Sie bieten einen guten Seitenhalt und – wenn der Sport-Modus aktiviert ist – legen sich die Seitenwangen des Gestühls noch etwas enger an den Körper an. Im Fond leidet das Platzangebot aufgrund der scharfen Silhouette. Das Dach erlaubt leider keine Hochsteckfrisuren und wenn Sie über 1,75 Meter groß sind, sollten Sie – Ihren Kniescheiben zuliebe – besser auf einen Sitz in der ersten Reihe bestehen.

Insgesamt wirkt das Cockpit leicht angestaubt. Vor allem gegenüber der anderen Genesis-Modelle. Das Infotainmentsystem mit kabelgebundener Smartphone-Einbindung misst "nur" 10,25 Zoll, ist aber dafür immer serienmäßig an Bord. Darunter liegen zahlreiche Knöpfe zur zusätzlichen Bedienung des eigentlichen Touchscreens. Noch einmal weiter unten sind die Klimaregler angeordnet und den großen Gangwahlhebel kann man wahrscheinlich schon in ein paar Jahren bei Horst Lichter als Antiquität anbieten.
Verarbeitet ist alles aber tadellos und wir müssen bei der Materialwahl an Audi-Fahrzeuge von vor etwa 10 Jahren denken. Und das ist alles andere als negativ gemeint, denn manchmal ist weniger Bildschirm und vor allem weniger Untermenü-Führung einfach mehr. Besonders, wenn alles schön sinnig angeordnet wurde.


Ein bisschen hochmodernen Technik-Flair gibt es dann aber doch noch – wenn Sie das entsprechende Paket für 3.570 Euro ordern. Dann verbaut Ihnen Genesis nämlich ein 12,3-Zoll-Kombiinstrument hinter das Lenkrad, das mit 3D-Effekt die Anzeigen visualisiert. Das sieht schon cool aus. Wenn sie aber schnell etwas ablesen wollen, fällt auf, dass die Grafiken dadurch doch etwas verschwommen dargestellt werden. Zum Glück reicht in den meisten Fällen der Blick auf das scharfe Head-up-Display.
Und wie fährt er sich jetzt?
Eigentlich hätte jetzt nur noch gefehlt, dass man den Motor nur starten kann, wenn man irgendwo einen richtigen Schlüssel in ein richtiges Zündschloss stecken muss. Hier setzt Genesis aber natürlich schon auf Keyless-Go und mit einem Druck auf den Startknopf erwacht der vierzylindrige Benziner. Der klingt ziemlich gut und nimmt im Stand die Gasbefehle schnell an.

Die Leistungsentfaltung wirkt etwas ungewohnt. Es kommt schon fast Saugmotor-Feeling auf. Einerseits sorgt das für eine perfekte Dosierbarkeit der 245 PS, allerdings fehlt uns gerade im unteren Drehzahlbereich ein wenig der Punch und die 353 Nm maximales Drehmoment, fühlen sich nicht wie 353 Nm maximales Drehmoment an.
6,9 Sekunden von 0-100 km/h können sich aber trotzdem sehen lassen und 235 km/h in der Spitze sind so lange genug, bis entsprechend ähnlich motorisierte Modelle von Audi, BMW oder Mercedes-Benz im Rückspiegel auftauchen, die allesamt erst bei 250 km/h abregeln – und jeweils rund eine Sekunde schneller auf Tempo 100 sind.
Spielverderber ist aber nicht unbedingt der Motor. Besonders das Getriebe fällt bei etwas härterer Gangart im automatischen Modus durch eine gewisse Verwirrtheit negativ auf. Bei sportlichen Ambitionen sollte hier auf jeden Fall selbst mit den Schaltwippen die Gangwahl vorgenommen werden.
Ganz anders – nämlich durchweg positiv – bleiben der Allradantrieb, die Lenkung und das Fahrwerk in Erinnerung. Denn trotz der 1,8 Tonnen Leergewicht muss man selbst bei schlechten Straßen keine Angst vor engen Kurven haben. Hier lässt sich der Genesis so solide und treu wie ein Audi bewegen und hat trotzdem noch fahraktives Potenzial wie bei einem BMW in der Rückhand.


Und dann sind da noch die Mercedes-ähnlichen Qualitäten, wenn man mal nicht mit dem Messer zwischen den Zähnen einer Bestzeit auf der täglichen Pendlerstrecke nachjagt. Im Comfort- oder Eco-Modus kann man nämlich unglaublich gediegen unterwegs sein. Es ist leise im Innenraum, der Federungskomfort ist trotz der straffen Auslegung hoch und so wird aus dem Mittelklasse-Kombi ein sehr souveräner Reisewagen.
Was sollte man wissen?
Der großartige Sound, der im Innenraum gerade beim starken Beschleunigen mal schnell mit einer sonoren V6-Melodie verwechselt werden kann? Der ist ... leider nicht echt. Und zwar obwohl der Genesis G70 Shooting Brake zu den wenigen Fahrzeugen gehört, die zumindest noch die ganz realen Endrohre in den dafür vorgesehenen ovalen Löchern in der Heckschürze präsentiert.
Der Verbrauch? Der wird bei dem Allrad-Benziner schon recht sportlich mit 9,3 bis 9,6 l/100 km im WLTP-Zyklus angegeben. Mit sehr viel Disziplin kann man vielleicht sogar einstellige Werte erreichen, realistischer bewegt man sich aber bei rund 11 l/100km. Hier merkt man die fehlende Elektrifizierung (es gibt ja nicht einmal ein 48-Volt-System) und die etwas in die Jahre gekommene Technik dieses Genesis-Modells. Schade.

Und die zahlreichen Assistenzsysteme? Die funktionieren sehr vertrauenserweckend. Dabei gefallen uns vor allem der Autobahnassistent, der aktive Totwinkel-Warner und der Fernlichtassistent. Etwas nervig auf der engen Landstraße können hingegen die aktive Spurhaltung und der akustische Spurverlassenswarner werden, da das erstgenannte System manchmal zu aktiv die Haltung wahren will und der Warner beim kleinsten Anzeichen von Untreue seinen piependen Senf dazugibt.
Fazit: 7,5/10 Punkte
Ja, der Genesis G70 Shooting Brake hat so seine Schwächen und so trüben vor allem das bei der Fahrzeuggröße doch sehr geringe Platzangebot im Fond, der hohe Verbrauch, das nervöse und gleichzeitig etwas träge Getriebe sowie das ein wenig in die Jahre gekommene Infotainment-System das Bild.
Dafür bekommt man aber für rund 55.000 Euro ein nahezu vollausgestatteten Kombi der Mittelklasse, der so gut aussieht, dass man ihn für einen besonders praktischen Bentley halten könnte und man die deutsche Premium-Konkurrenz schnell aus dem Gedächtnis löscht.
Außerdem gibt es zu dem Preis fünf Jahre lang einen Hol- und Bringservice, sodass man sich als Kundin oder Kunde beispielsweise die Fahrten zum im Kaufpreis des Fahrzeugs inkludierten Werkstattservice sparen kann und alles von Ihrem persönlichen Genesis-Assistenten geplant wird.
Bildergalerie: Genesis G70 Shooting Brake (2022) im Test
Genesis G70 Shooting Brake 2.0 AWD 8AT