Wenn ein deutscher Premium-Hersteller eine neue Luxus-Limousine auf den Markt bringt, schießen einem in der Regel zwei Fragen in den Kopf. Erstens: Wie abgefahren und völlig oben drüber ist die ganze neue Technik dieses Mal? Und zweitens: Wer kauft diese Dinosaurier mit dem längst abgelaufenen Prestige-Verfallsdatum eigentlich noch?
Die zweite Frage ist leicht zu beantworten: Bei uns aus Angst vor Sozialneid und gleichzeitigem SUV-Wahn (verrückt irgendwie, oder?) kaum noch jemand. Dafür in den USA und vor allem in Asien umso mehr. Dort sind Aufstieg und Status gesellschaftlich noch nicht geächtet, sondern erstrebenswert. Entsprechend zeigt man nur zu gern, was man hat. Und mit dem kommenden 7er dürfte das vortrefflicher gelingen denn je, denn ...
Größer und luxuriöser
... die kurze Variante entfällt ersatzlos. Es gibt jetzt nur noch einen 7er und der ist grooooß. Knappe 5,40 Meter wird er messen. Die alte Langversion war 5,23 Meter. Deutlich breiter wird er auch, bei nur leicht gewachsenem Radstand. Anders als beim unerklärlichen Phänomen SUV-Coupé steigt die Dachlinie nach hinten an. Platz in alle Richtungen ist in diesem Segment unerlässlich - wer weiß schließlich, wie extrovertiert die Hutmode in der kommenden Saison ausfallen wird?
Das Design selbst bleibt weiterhin ein Stück weit Mysterium. Sie sehen es ja auf den Bildern. Die starke Tarnung wird erst zur Weltpremiere am 20. April abgeschabt. Klar scheint aber jetzt schon: Leicht dürften es die Augen auch bei diesem BMW nicht haben. Seltsam zweigeteilte Scheinwerfer, eine erneut monumentale Niere - vor allem der chinesische Markt fordert maximale Abgrenzung zum 5er und 3er. Und er fordert sehr viel Grill. Effekt vor Eleganz - was soll man machen?



Plattformtechnisch ist die siebte 7er-Generation eine komplette Neuentwicklung. Wichtig sei von Anfang an Technologie-Offenheit gewesen, sagt Projektleiter Christian Schneider. "Der neue 7er ist der erste BMW mit dem Anspruch, drei Autos unter einer Hülle zu vereinen, ohne dass der Kunde einen Unterschied spürt oder sogar sieht".
Die neue Architektur bedient sich auch aus vorhandenen Baukästen, etwa dem des iX oder dem neuesten Digitalbaukasten. Die Karosseriesteifigkeit wurde erhöht, genauso die Spurweiten (vorne 47 mm, hinten 4 mm). Die Radgröße wächst auf 21 Zoll. In den rollwiederstandsoptimierten Reifen befindet sich künftig Schaum zur Akustikoptimierung. Rolls-Royce lässt grüßen.
Der 7er soll also komfortabler werden, aber bitte nicht zum großen britischen Bruder mutieren. Er muss ein Fahrerauto bleiben. Entsprechend wurden die neue Zweiachs-Luftfederung, die Hinterachslenkung und die optionale 48-Volt-Wankstabilisierung abgestimmt. Letztere hat jetzt mehr Drehmoment, soll so Aufbauwanken noch wesentlich schneller und stärker reduzieren. Auf daimlersche S-Klasse-Spielereien wie "vorausschauende" Dämpfer oder eine Kurvenneigefunktion verzichtet BMW weiterhin.
Vom Start weg die volle Antriebsauswahl
Das Auto wird vom Markstart weg mit Verbrennern, Plug-in-Hybriden und als vollelektrischer i7 zu haben sein. Was die einzelnen Aggregate betrifft, waren die anwesenden Offiziellen noch ein wenig einsilbig. Aber wenn ich halbwegs richtig zwischen den Zeilen gelesen habe, dürfte die Motorenpalette aus Sechszylinder-Mild- und Plug-in-Hybriden, einem Biturbo-V8 für die USA, einem Diesel für Europa und einem reinen Elektroantrieb im i7 bestehen. Einen Vierzylinder wird es im neuen 7er nicht geben. Da sei das Feedback der Kunden sehr klar, sagt Schneider.
Laut BMW sind alle Maschinen komplett neu und leistungsstärker als bisher. Die PHEVs entstammen einem neuen Baukasten (eingeführt mit dem 2er Active Tourer), sollen auch dank größerem Benzintank deutlich mehr Reichweite bieten und keine Einschränkungen bei Fondraum/Kofferraum mehr mit sich bringen.
Der V8 mit 48-Volt-Mildhybrid-System könnte von der M5-Maschine abgeleitet sein und wird wohl mehr haben als die bisherigen 530 PS des 750i. Beim Standard-i7 soll es wohl in etwa das Layout des iX 50 sein, allerdings mit einem Plus bei Leistung, Batterie und Ladegeschwindigkeit. Die zwei E-Motoren dürften also mehr als 523 PS bringen, die Batterie etwas größer als 105 kWh sein. Dass ein M Performance-i7 mit deutlich mehr Schmackes folgt, ist ausgemachte Sache.
Level 3 und Co.
Wie es sich für ein neues Flaggschiff gehört, macht der 7er beim Thema Autonomes Fahren einen ziemlich gewaltigen Schritt. Mehr als 30 Sensoren tummeln sich in seinem generösen Blechkleid. Besonders stolz ist man auf den neuen Lidar- und den Full-Range-Radar-Sensor. Man habe hier die beste Sensorik auf dem Markt, erläutert die fürs autonome Fahren zuständige Daniela Kern. Erstmals könne man stehende und bewegliche Objekte unterscheiden. Ganz vorne drin steckt wie beim iX eine 8-Megapixel Frontkamera.
Das führt zu erstaunlichen Verbesserungen beim automatisierten Parken (dazu gleich mehr), aber was Sie vermutlich weitaus brennender interessiert, ist die Sache mit der Level 3-Autonomie. Die wird der 7er beherrschen, wenn auch noch nicht zum Marktstart und dann auch nur bis 60 km/h. Es ginge hauptsächlich um Stau-Situationen verteidigt Kern. In chinesischen Ballungsräumen etwa, wo der 7er nun mal hauptsächlich unterwegs ist, würde so gut wie nie schneller als 60 gefahren.
Bildergalerie: BMW i7 (2023) PreDrive
Ein kleiner Meilenstein ist den Kunden in Nordamerika (USA und Kanada) vorbehalten. Dort darf man künftig auf dem Highway bis 130 km/h die Hände komplett vom Lenkrad nehmen. Zeitlich unbegrenzt. Außerdem erkennt das Auto, wann die Ausfahrt ansteht und bewerkstelligt das Abfahren selbstständig, auch wenn es dafür zuvor mehrere Spuren wechseln muss.
In der EU ist all das noch nicht reguliert, dafür kriegen wir immerhin die sogenannte Urban Cruise Control, die jetzt auch über eine Ampel-Erkennung verfügt, sich beim Losfahren also nicht mehr am Vordermann orientieren muss.
Interieur? Schwer zu sagen
Fahrdynamisch, so sagt man mir beim Vorab-Fahrtermin sei der 7er schon bei gut 90 Prozent. Aber bei allem, was Materialien und Verarbeitung angeht, solle ich bitte nachsichtig sein, da seien die Prototypen noch deutlich hinten dran. Spielt heute allerdings eh keine Rolle, da quasi das komplette Interieur mit Planen und Stofffetzen bedeckt ist.
Nicht verhüllt sind eigentlich nur das Lenkrad, das vom iX bekannte XL-Curved Display und das Gestühl, das für BMW-Verhältnisse überraschend weich und kuschelig daherkommt. Außerdem scheinen die Münchner noch mehr Gefallen an ihrem - zumindest streitbaren - Kristall-Material gefunden zu haben. Das Zeug ist förmlich überall - am Schaltstummel, der elektrischen Sitzverstellung, ja sogar an großen Teilen des Armaturenbretts (war doch klar, dass ich kurz luren musste).


Ein Clou beim Neuen soll sein, dass er ohne Lüftungsdüsen auskommt - deswegen mehr Platz für Kristallflächen. Mal sehen, wie es dann im fertigen Produkt aussieht. Ein weitaus coolerer Clou ist meiner bescheidenen Meinung nach jedoch der neue 31-Zoll-Theater-Screen im Fond. Heimkino im Auto mit 5G-Streaming und einem Sound, der die Rückbank zum Beben bringt. Wir konnten das "Autokino" bereits ausprobieren und waren ziemlich angetan.
Ach ja, die Platzverhältnisse im Fond sind relativ monumental. Da wurde im Vergleich zum Vorgänger gefühlt nochmal ordentlich draufgesattelt. Alle Türen sind übrigens komplett elektrisch und öffnen nun per Druck auf einen kleinen Knopf.
Parken 2.0
Bevor es auf die Straße geht, gibt's aber erst noch einen Crashkurs in puncto modernes Parken. Der 7er macht das jetzt auf Wunsch komplett allein. Egal, ob Sie sitzen bleiben wollen oder lieber von draußen mit dem Smartphone dirigieren. Bei Parklücken orientiert er sich jetzt auch an Linien, nicht mehr nur an den anderen Fahrzeugen. Sprich: Er parkt viel gerader als ich es in aller Regel tue.


Sollte Ihr Architekt eine katastrophale Garageneinfahrt geplant haben, ist das nun auch kein Problem mehr. Sofern Sie das Teil einmal unfallfrei abfahren können, merkt sich der 7er den Weg und erspart Ihnen künftig den täglichen Schweißausbruch. Bis zu 200 Meter geht das nun (genau wie das automatische Zurücksetzen, das bisher 50 Meter weit möglich war). Hat auch alles einwandfrei funktioniert. Sie sehen ja auf den Bildern, wie entspannt ich da mit dem Handy rumstehe. Schön: Das Parkmenü ist per Taster an der Mittelkonsole direkt anwählbar. Das geht wirklich kinderleicht.
Reisen 2.0 - in diesem Segment gerne elektrisch
Von allen Erkenntnissen die erstaunlichste beim neuen 7er kam dann aber tatsächlich beim Fahren. Wie gesagt: Prototypen, noch nicht alles ganz perfekt. Ein leichtes Vibrieren an der Vorderachse hier, eine Fehlermeldung bezüglich vermeintlich montierter Schneeketten (ja, wirklich!) da, aber im Grunde fährt er so gut wie serienreif. Und das tut er - entgegen aller Ankündigungen - je nach Antrieb doch ziemlich unterschiedlich.
Zuerst gab man mir den V8, den es ja vorerst nur in den USA geben wird. Ein mächtiges, aber leichtfüßiges und wunderbar drehfreudiges Aggregat mit richtig Pump auch oben heraus. Klangtechnisch absolut als Achtzylinder einzuordnen, aber eher angenehm als zu präsent.
Auffällig: Der 7er ist auf der Straße jetzt schon größer, breiter, stattlicher, nimmt mehr Fahrbahn ein. Und er fühlt sich komfortbetonter an, als ich das vom Vorgänger in Erinnerung hatte. Gegenüber einer S-Klasse immer noch präziser, dynamischer und Fahrer-orientierter, aber gefühlt mit mehr Komfort-Reserven und nicht mehr ganz so spitz wie zuletzt.
Umso überraschender war der Umstieg in den elektrischen i7. Ich will den Verbrenner in keinster Weise diskreditieren, aber der i7 zeigte sich beim Handling fast schon in einer eigenen Liga. Das liegt natürlich am guten alten tieferen Schwerpunkt, aber auch an der besseren Gewichtsverteilung (weniger frontlastig) und daran, dass man keine Kompromisse bei der Motorlagerung machen muss.


Er wirkte nochmal spürbar präziser, direkter und weniger anfällig für jegliche Wankbewegungen, ohne beim Komfort einzubüßen. Das ist schon mehr als beeindruckend für diese Klasse. Und dass er fürchterlich schnell ist (trotz 200 bis 300 Kilo Mehrgewicht wohl nur geringfügig langsamer als der V8), können Sie sich vermutlich denken. Dazu kommt die akustische Ruhe - hier merkt man richtig, wie gut der 7er alle anderen Geräusche ausblendet -, die im Luxus-Limo-Bereich ja auch nicht ganz unwichtig ist.
Sagen wir es, wie es ist: Dieses Segment ist wie geschaffen für die Elektromobilität. Denn obendrein spielt hier die Emotionalität eines großen Verbrenners (egal ob akustisch oder fahrdynamisch) ja eine völlig untergeordnete Rolle. Wenn Sie also nicht ständig sehr weite Strecken zurücklegen müssen, spricht sehr viel für den i7.
Wir werden sehen, ob wir nach dem Fahrtermin mit den komplett fertiggestellten 7ern immer noch so denken. Die dürften wir im Sommer fahren können. Bis dahin steht noch die Weltpremiere am 20. April an. Der Marktstart erfolgt im November.