Dieses Auto sorgt für Aufmerksamkeit. In jeder Hinsicht. Auf den Straßen Berlins ernte ich mehr Blicke als in einem Lamborghini. Die Passanten lächeln, strecken den Daumen nach oben, aber fragen sich vermutlich gleichzeitig, was zum Teufel das für ein Ding ist. Gestatten: der neue Citroën Ami.

Was ist das?

Bei kaum einem anderem Testwagen in letzter Zeit war diese Frage berechtigter. Die spontanen Meinungen reichen von "sympathisch" bis "hässlich". Wenden wir uns lieber den neutralen Fakten zu: Der Citroën Ami ist 2,41 Meter kurz, aber ungefähr so breit wie hoch. Dadurch ergibt sich die Würfelform. Den Namen "Ami" (französisch für "Freund") gab es bei Citroën schon einmal in den 1960ern beim Ami 6 und Ami 8.

Konzipiert ist der Citroën Ami für zwei Personen, einen Kofferraum im klassischen Sinne gibt es nicht. Aber man kann den Fußraum des Beifahrers nutzen, hier passen 63 Liter Gepäck hinein. Es gibt sogar eine Nische für einen Trolley-Koffer. 

Im Blick hat Citroën mit dem Ami vor allem Jugendliche. Aus Frankreich kennen wir Leicht-Kraftfahrzeuge von Aixam oder Ligier, die lautstark auf maximal 45 km/h kommen. Diese kann man dort schon ab 14 Jahren fahren und zwar mit der Fahrerlaubnisklasse AM. Bei uns ist AM in einigen Bundesländern ab 15 Jahren möglich, meist aber erst ab 16.

Gemeinhin gilt AM als der "Roller-Führerschein" bis 50 Kubik, wer einen Auto-Führerschein besitzt, hat ihn inklusive. Aber mit AM darf man auch vierrädrige Fahrzeuge wie eben den Citroën Ami fahren. Er zählt zur Klasse L6e-BP und trägt somit in Deutschland nur ein Versicherungskennzeichen. Zugleich umgeht der Hersteller die weit aufwändigeren Sicherheitsvorschriften für richtige Autos. Airbags sucht man im Ami vergeblich. 

Citroën Ami (2020) im Test

Ob seiner winzigen Abmessungen ist der Ami außerdem als Alternative zu Elektrorollern und dem öffentlichen Nahverkehr in Großstädten gedacht. In Berlin oder Paris wäre man oft schon froh, überhaupt auf 45 km/h zu kommen. 

In mancher Hinsicht greift der Citroën Ami Elemente des legendären 2CV auf und wird so zur Neo-Ente. So klappt man den unteren Teil der Seitenscheiben wie damals nach oben. Auch die Leistung von 6 Kilowatt (8 PS) sowie das Gewicht von 471 Kilogramm erinnern an die Ur-Version des 2CV. 

Ermöglicht wird das geringe Gewicht des Ami durch die großzügige Verwendung von Kunststoff. Darunter steckt ein Stahlrohrrahmen. Falls Sie mit Blick auf die Fotos sagen: Die Kiste sieht vorne genauso aus wie hinten! ... dann haben Sie Recht. Das ist von Citroën beim Ami so gewollt, um den Fertigungsaufwand und die Anzahl der Teile niedrig zu halten. Beide Türen sind gleich, weshalb eine nach vorne und eine nach hinten öffnet. 

Citroën Ami (2020) im Test

Auch innen ist Hartplastik Trumpf, um den Preis niedrig zu halten. Ich nehme Platz: Die Sitze sind Kunststoff-Schalen mit Kunstleder-Einlagen als Polster. Der Fahrersitz lässt sich in der Länge verstellen. Gesamteindruck: Spartanisch, aber clever durchdacht.

Mir springt sofort die Geräumigkeit des Ami ins Auge. Zwei Personen kommen sich hier nicht in die Quere. Unterstützt wird der Eindruck durch die großen Glasflächen (Windschutzscheibe, Seitenfenster und Rückscheibe) und dem standardmäßigen Panoramadach. 

Die Scheiben oberhalb der Karosserielinie machen 50 Prozent der Gesamtoberfläche aus, wodurch nicht nur das Gefühl der Geräumigkeit für Fahrer und Beifahrer, sondern auch das breite Sichtfeld maximiert wird. So lassen sich hoch angebrachte Ampeln perfekt betrachten.

Citroën Ami (2020) im Test

Als Fahrer sitze ich relativ weit hinten. Vor mir spannt sich über die Breite der Windschutzscheibe eine massive Ablagenfläche, die vermutlich auch ein wenig als Knautschzone dient. Zu bedienen gibt es nicht viel: Drei Knöpfe zur Wahl der Fahrstufe links neben dem Fahrersitz, dazu Tasten für die Heizung in einer Art Mittelkonsole, auf der das Smartphone den Part von Radio und Navigation übernimmt. Dazu ein Lenkstockhebel, eine digitale Tacho-Einheit, fertig.

Wie fährt er sich?

Es kann losgehen: Bis zu 75 Kilometer weit soll der Citroën Ami nach WMTC-Zyklus (dem Motorrad-Pendant des WLTP) kommen. Für meine Stadtrundfahrt durch Berlin sollte das locker reichen. Leise ist der Ami nicht: Deutlich vernehmbar surrt er los. Viel Dämmung ist eben nicht, denke ich mir und klopfe auf die dünnen Plastiktüren. 

Der Ami beschleunigt nicht rasant, aber ordentlich bis zu seiner Spitze von 45 km/h. Mehr ist wirklich nicht drin, dann klingt das Ganze auch schon ziemlich angestrengt. Doch in der baustellengeplagten Hauptstadt komme ich nur selten auf dieses Tempo. Schon eher nutzt mir der extrem kleine Wendekreis von 7,20 Meter und die fantastische Rundumsicht.

Citroën Ami (2020) im Test

Auf schlechten Straßen zeigt sich ein Manko des Ami: Auch bedingt durch den kurzen Radstand ist trotz 14-Zoll-Räder so etwas wie Federungskomfort bestenfalls rudimentär vorhanden. Oft rumpelt es im Würfel. Der Korb Eier, der angeblich im Lastenheft des späteren Citroën 2CV stand, hätte hier schlechte Chancen. Bevor ich es vergesse zu erwähnen: In gut drei Stunden ist der Ami an einer Haushaltssteckdose wieder vollgeladen. Und sie können ihn quer zum Gehweg parken.

Aber macht das Ding denn wirklich Sinn?

Das ist die Frage, um die sich alles dreht. Kommen wir zunächst zum Preis: In Frankreich beginnt der Ami bei 6.000 Euro nach Abzug von 900 Euro Prämie. Für Deutschland stehen die Preise noch nicht fest, sie sollen sich aber in einem ähnlichen Rahmen bewegen. Gegen Ende des ersten Quartals 2021 rollt der Ami zu den Händlern.

Bedingt durch die L6e-Klasse kann man sich die Elektroauto-Prämie abschminken. (Das wäre auch zu schön ...)  Aber regional gibt es Förderungen, zum Beispiel in München: Für drei- und vierrädrige Elektrofahrzeuge der EG-Klassen L5e bis L7e beträgt der Maximalbetrag dort 3.000 Euro. 

Citroën Ami (2020) im Test

Alle Fahrzeuge werden dort mit 25 Prozent der Nettokosten gefördert bis zu einem maximalen Betrag. Wahlweise werden die Leasingkosten über drei Jahre gefördert, denn so lange muss das Fahrzeug im Besitz bleiben. 

Doch für wen lohnt sich der Ami? Schneller als 45 km/h ist er nicht, mehr km/h oder mehr Reichweite würden laut Citroën mehr konstruktiven Aufwand nach sich ziehen, auch bei der Homologation. Und ich möchte hinzufügen: Dann läge er preislich schon nahe an einem VW e-Up oder dem kommenden Dacia Spring mit E-Auto-Prämie.

Zielgruppe 1: Junge Leute mit 15 oder 16, die mobil sein wollen, aber ebenso wie manch Erwachsener keine Lust auf knattrige Roller ohne viel Platz und Sicherheit haben. Zudem entfällt im Ami der lästige Helm, man ist wettergeschützt und kann bequemer jemanden mitnehmen. Hinzu kommt, dass ein E-Roller wie der kürzlich von uns getestete Peugeot e-Ludix auch schon 3.500 Euro kostet. 

Zielgruppe 2: Großstädter, die aufgrund der Corona-Problematik nicht mehr mit öffentlichen Verkehrsmittel fahren möchten, aber zugleich nur wenig Parkraum zur Verfügung. Hier ist der Citroën Ami quasi der radikalere Smart.

Citroën Ami (2020) im Test

Zielgruppe 3: Rentner, die auf dem Dorf mobil bleiben möchten. Ein gutes Beispiel ist meine eigene Mutter: 76 Jahre alt, das Haus auf einem Berg etwa 1 Kilometer vom Supermarkt und Dorf entfernt. Dorthin führen ihre meisten Wege, wahlweise auch zum Arzt. Der Ami würde dafür ausreichen, zumal Busse nur rudimentär fahren und der Weg zur Haltestelle weit ist.

Aber er wäre zu langsam für die Fahrt in die Stadt über Bundesstraßen. Und die Traktion im Winter auf Schnee bleibt eine offene Frage. Pluspunkt: Aufladen in der eigenen Garage ohne zusätzliche Wallbox.

Zielgruppe 4: Camper, die sich einen Ami in die Garage ihres XL-Wohnmobils stellen, um vor Ort mobiler zu sein. 

Fazit: 6/10

Der Ansatz des Citroën Ami ist clever, die Umsetzung ebenso. Hübsch ist diese "Neo-Ente" vielleicht nicht, aber ungemein praktisch. Wie besang es ein Schlager von 1939: Du hast Glück bei den Frau’n, Bel Ami! Bist nicht schön, doch charmant.

Bel Ami hat aber dennoch ein Problem. Es ist nicht einmal der Preis, da es interessante Leasingangebote und regionale Prämien gibt. Sondern die Begrenzung auf 45 km/h. Hier sollte sich der Gesetzgeber besinnen und die 60 km/h aus DDR-Zeiten reaktivieren. Oder Citroën orientiert sich am Renault Twizy und bringt zusätzlich eine stärkere Version.

Bildergalerie: Citroën Ami (2020) im Test

Citroën Ami (2020)

Motor Elektromotor
Leistung 6 kW (8 PS)
Batterie 5,5 kWh Kapazität
Höchstgeschwindigkeit 45 km/h
Länge 2.410 mm
Breite 1.390 mm
Höhe 1.520 mm
Leergewicht 471 kg (mit Batterie), 402 kg (ohne Batterie)
Verbrauch 119 Wh/km Energieverbrauch
Elektrische Reichweite bis zu 75 km (nach WMTC)
Ladeanschluss 220-Volt-Haushaltssteckdose
Aufladezeit rund 3 Stunden
Basispreis zwischen 6.000 und 7.000 Euro (noch nicht final)
Marktstart Ende 1. Quartal 2021