Erst kürzlich hat VW den neuen Golf GTI vorgestellt und auch der GTI TCR und Golf R zeichnen sich am Horizont ab. Doch bis wir diese "Hot Hatches" wirklich fahren können, wird es noch dauern.

Umso mehr lohnt sich ein Blick auf die heißen Serienversionen des Golf VII: Verlieren Sie durch den Modellwechsel an Reiz? Unser Kollege Heiko Stritzke von motorsport-total.com hatte kürzlich die Gelegenheit, einen 2019er VW Golf GTI TCR bewegen zu können. Wie fällt das Urteil aus der Sicht des Sportfahrers aus?

Porsche-Jäger im Golf-Gewand

200 km/h auf der linken Spur. Lässig schiebt der Golf GTI TCR eine Steigung hoch. Vor uns: Ein Porsche 911 Carrera 964. Plötzlich dieser Gedanke: "Was werden die Ingenieure wohl damals gedacht haben, wenn man ihnen gesagt hätte, dass dieses Auto eines Tages von einem VW Golf gejagt wird?" Gestatten, Volkswagen Golf GTI TCR. Sportlicher Begleiter für den Alltag, nebenberuflich Killer auf der Rennstrecke.

Ungeachtet des SUV-Booms erfreut sich eine wachsende Fanschar an den "Hot Hatches" – hochmotorisierte Kompaktwagen, in der Regel mit einem aufgeladenen Vierzylinder und einer Leistung zwischen 270 und 320 PS. In dieses Segment stößt der GTI TCR. Ein fahrdynamischer Abgesang auf den Golf VII, dessen Nachfolger bereits bestellt werden kann. Und eine Reaktion auf den überraschenden Erfolg des limitierten Golf GTI Clubsport.

Doch hat Volkswagen nicht mit dem Golf R bereits dieses Segment ausreichend besetzt? Jein – der R war halt noch immer der Golf unter den Hot Hatches: Durchzugsstark und komfortabel, aber nicht so flink und verspielt wie ein Hyundai i30 N oder Ford Focus RS. Jetzt zeigt Volkswagen: Wir können es auch.

Volkswagen Golf GTI TCR im Test

Alleine der Name kündigt es an: Dies ist die sportlichste Variante, die die Wolfsburger jemals ins Feld geworfen haben. TCR (Touring Car Racing) ist eine weltweite Tourenwagenkategorie, die sich auf die Wurzeln des Tourenwagensports besinnt: Enge Rad-an-Rad-Duelle mit hoch-, aber nicht übermotorisierten Fahrzeugen.

Mitentwickelt wurde das Serienpendant von Benjamin Leuchter, der die Kundensportabteilung von Volkswagen Motorsport in der inoffiziellen Weltmeisterschaft WTCR vertritt. Der GTI TCR trägt seine Handschrift. Und so fährt er sich auch. Dieses Geschoss ist nichts für Anfänger, schon gar nicht im Sportmodus.

Auf dem Weg zur Strecke: Druck bei jeder Drehzahl

Beim Einsteigen gibt er sich noch zahm: Die Bedienelemente sind für Golf-Fahrer selbsterklärend, die GTI-Zierstreifen erinnern daran, dass man sich hier in einem besonderen Modell befindet. Doch auch den spektakulären Auftritt hat er drauf: Eine Bodenbeleuchtung in den vorderen Türen schickt den Schriftzug "TCR" auf den Asphalt. Das ist schon mal eine Ansage.

Ich werfe den Motor an. Ruhig, aber bestimmt meldet sich der Zweiliter-Vierzylinder zum Dienst. Dank des Siebengang-DSG fällt das Fahren im Stadtverkehr intuitiv aus. Golf-Fremdlinge mögen sich über die überraschend große Breite des Wolfsburgers wundern. Genügsam ist er nicht wirklich: Selbst im Eco-Modus und defensiver Fahrweise kommt man im Stadtverkehr nicht unter acht Liter Verbrauch.

Volkswagen Golf GTI TCR im Test

Doch das wird dem TCR ohnehin nicht gerecht. Die Fahrdynamik steht im Vordergrund. Der Zweiliter-Vierzylinder legt das typische "Druck in allen Lebenslagen"-Verhalten an den Tag. Ein Turboloch gibt es nur bei einem plötzlichen Wechsel auf hohe Last in hohem Gang bei niedrigen Drehzahlen. Es fällt heute schwer, im eindrucksvollen Angebot moderner Turbovierzylinder herauszustechen - der EA888 mit der Kennzeichnung DNU für die 290-PS-Version braucht sich aber definitiv nicht verstecken.

Die Fahrt zur Rennstrecke meistert der TCR - typisch Golf - unaufgeregt. Der Rückstand von 20 PS auf den Golf R wird auf der Autobahn durch den Wegfall des schweren Allradantriebs ausgeglichen. Für lange Etappen erweist sich die Einstellung "Komfort" als beste Option. Dank Schalldämmung fällt die subjektiv wahrgenommene Geschwindigkeit auf der Autobahn viel geringer aus, als sie wirklich ist. 200 km/h fühlen sich an wie in anderen Autos deren 120.

Schon im "Normal"-Modus machen sich Unebenheiten auf Autobahnen deutlich bemerkbar. Dafür ist jener Modus perfekt für die Landstraße, weil die Lenkung spürbar direkter reagiert.

Volkswagen Golf GTI TCR im Test

Am Limit: Stakkato führt zur besten Rundenzeit

Der Sprung in den Sport-Modus fällt gegenüber "Normal" gar nicht mehr so groß aus. Die Regelschwelle des ESP ist jetzt so hoch gesetzt, dass es bei sauberer Linie gar nicht mehr eingreift. Es lässt sich sogar ganz abschalten. Die Gänge fliegen in Millisekunden rein und die Bremsen beißen so kräftig zu, dass man über das 7-Gang-DSG sogar froh ist. Mit einer konventionellen Schaltung käme man beim Runterschalten gar nicht mehr hinterher.

Oder doch zu früh gefreut? Mehrfach kam beim schnellen Runterschalten während der Anbremsphase auch das DSG nicht hinterher. So fand man sich das Getriebe am Kurvenausgang plötzlich im dritten statt im zweiten Gang wieder, obwohl aus dem fünften heraus dreimal an der Wippe gezogen wurde. So ist der Fahrer zum "Gangcheck" auf dem zu klein geratenen Display während der Kurvenfahrt gezwungen, was am Limit eine unnötige Ablenkung darstellt.

Vorsicht ist angebracht: Beim starken Bremsen neigt der Golf GTI TCR zum Schwänzeln mit dem Heck. Kein Problem für den geübten Fahrer, aber Lenkern mit weniger Erfahrung könnte dieses Verhalten Schweißperlen auf die Stirn treiben. Wer jedoch dieses Fahrverhalten verinnerlicht hat, kann diese Charakteristik beim Einlenken in Kurven für sich nutzen - hervorragend! Der Turn In trägt eindeutig Leuchters Handschrift.

Volkswagen Golf GTI TCR im Test

Beim Rausbeschleunigen aus engen Kurven machen sich enorme Antriebseinflüsse im Lenkrad bemerkbar. Das ist gewollt, denn buchstäblich lässt sich so die Traktion der Reifen im Lenkrad erfühlen. Wenn die Grenze zum Wheelspin erreicht ist, wird das Lenkrad leicht. Hier wird die Haftungsgrenze nicht erraten, sie meldet sich zu Wort. Grandios für den ambitionierten Sportfahrer!

Wer den TCR am Limit fährt, wird sich an ein schnelles Stakkato gewöhnen müssen. Ziel ist, in jeder Kurve den Golf so schnell wie möglich gerade zu stellen, um in den Genuss optimaler Traktion auf der Vorderachse zu kommen.

Volkswagen Golf GTI TCR im Test

Das mitlenkende Heck erfordert Eingewöhnungszeit. Doch wer es perfektioniert, den erwartet das fahrerische Nirvana. Bis er eine Kurve zu schnell nimmt. Gerät der Golf beim Einlenken ins Untersteuern, ist die Kurve verloren und der Zeitverlust enorm. Deshalb funktioniert auch der "runde" Fahrstil nur bedingt.

180-Grad-Kurven müssen mit der "Powerlinie" genommen werden, auch V-Style genannt. Ein früher Scheitelpunkt zu Beginn, dann weit nach außen tragen lassen und anschließend so gerade wie möglich mit einem späten zweiten Scheitelpunkt aus der Kurve rausbeschleunigen. So stimmt die Endgeschwindigkeit am Ende der nächsten Geraden.

Kein Krawall-Sound

Auch im Sportmodus bleibt der Über-Golf klangtechnisch erstaunlich zivilisiert. Das ließe sich mit der Akrapovic-Auspuffanlage ändern, die beim Testwagen nicht an Bord war.

Und sonst? Unser niedrigster Durchschnittsverbauch waren 6,7 Liter auf Landstraßen. Artgerecht bewegt sind zweistellige Verbräuche normal. Um dem Fahrer das schlechte Gewissen allgegenwärtig zu machen, befindet sich die Verbrauchsanzeige genau im Drehzahlmesser - herzlichen Dank auch.

Volkswagen Golf GTI TCR im Test

Er ist ein Alleskönner wie aus dem Lehrbuch. Wie man es von einem Golf noch immer erwartet. Der morgendliche Weg zur Arbeit, die Shoppingtour, eine Runde Nordschleife - dieser Golf macht alles gelassen mit. Es sind genau diese Multitalente, die die klassischen Sportwagen bedrohen - der Porsche 964 von der Autobahn lässt grüßen.

Fazit

Ein Golf, der mehr kann, als man es von einem Golf erwartet hätte. Wer den TCR am Limit bewegen möchte, sollte sich langsam herantasten. Die Fahrdynamik am Limit ist purer Hochgenuss. Und doch ist er wieder ein unaufgeregter Volkswagen, zumindest solange die Akrapovic-Anlage nicht verbaut ist. Einziger Kritikpunkt: Das zu langsame DSG beim Runterschalten.

Bildergalerie: Volkswagen Golf GTI TCR im Test

VW Golf GTI TCR (2019) Fünftürer

Motor Vierzylinder-Turbobenziner, 2,0 Liter Hubraum, Otto-Partikelfilter
Antrieb Frontantrieb mit Quersperre an der Vorderachse
Getriebeart 7-Gang-DSG
Leistung 213 kW (290 PS) bei 5.400 - 6.400 U/min
Max. Drehmoment 380 Nm bei 1.950 - 5.300 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h 5,6 Sek.
Höchstgeschwindigkeit 250 km/h, optional unbegrenzt: 260 km/h
Leergewicht 1.410 kg
Verbrauch 6,7 Liter/100 km (NEFZ)
Basispreis 43.535 Euro