Womit haben wir diesen Test verdient?
Bedanken Sie sich beim modernen Zeitgeist. Kompaktsportler gehen immer, aber durch den überwältigenden Erfolg der Crossover kam irgendwann, was kommen musste. Mehr und mehr Menschen wollen das Praktische, das Bequeme, das hohe Sitzen eines kompakten SUVs, aber sie wollen es mit mehr Rambazamba. Womöglich haben sie früher ein sportliches Coupé gefahren, aber jetzt sind sie nicht mehr alleine, sondern zu dritt oder viert.
Und sie haben plötzlich viel mehr Möglichkeiten. Schuld an allem ist natürlich der VW Golf R. Ihm haben wir das Segment der viel zu schnellen, aber dennoch komfortablen und familientauglichen Schräghecks zu verdanken. Er war quasi der erste, der 300 PS und absurde 0-100-km/h-Zeiten mit kompakten Ausmaßen und grandioser Alltagstauglichkeit kombinierte. Und: Er liefert den technischen Unterbau für eine ganze Armada an neuen Performance-Crossovern. Audi SQ2, in Kürze dann Audi SQ3 oder VW T-Roc R. Und selbstverständlich stellt er auch die Basis für seinen heutigen Vergleichsgegner Cupra Ateca.
Beide nutzen die gleiche MQB-Konzernplattform, beide haben den bekannten 2,0-Liter-Turbo-Benziner mit 300 PS und 400 Nm unter der Haube. Beide nutzen einen Haldex-Allrad und erscheinen zu diesem Test mit einem 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe. Und beide hauen im opulent ausstaffierten Testwagen-Trimm ein ordentliches Loch ins Konto. Der Golf mit seinem sündteuren (aber absolut glorreichen) Violet Touch Perleffekt und diversen Performance-Extras kommt auf 65.200 Euro, der Ateca liegt letztlich bei 54.969 Euro. Auch beim Grundpreis hat der Cupra die Nase vorn. Er startet bei 43.420 Euro, der R ist nicht unter 45.305 Euro zu haben. Bleibt nur die Frage, wer im Alltag die bessere Kombination aus Fahrspaß und Nutzen liefert? Der klassische Hot Hatch oder der neumodische Hot SUV?
Na dann wollen wir mal! Wer fährt besser?
Naja, eigentlich sollte das ein klarer Fall sein, oder? Der Golf muss den Ateca fahrdynamisch vernichten. Aber legen Sie sich nicht zu früh fest, denn die Unterschiede sind geringer, als die massive Weite im Cupra-Radkasten vielleicht vermuten lässt. Na gut, er hat fünf Zentimeter mehr Bodenfreiheit und mit 1.615 Kilo wiegt er knapp 110 Kilo mehr. Aber im Prinzip ist das hier ein leicht aufgebockter Golf R mit einem sehr irritierenden Tattoo-Emblem im Grill. Die seltsame Marketing-Entscheidung, eine eigene Sportmarke abzunabeln und ihr einen Hauch von Arschgeweih als Logo zu verpassen, muss man nicht verstehen. Das ändert nichts daran, dass der Cupra Ateca einen sehr vernünftigen Eindruck hinterlässt. Und zwar nicht nur wegen der verflucht scharfen Kupfer-Felgen und des Vierrohr-Auspuffs.
Er bewegt sich wirklich wie ein Golf R auf (kleinen) Stelzen. Ein bisschen mehr Aufbaubewegung und Wanken, ein bisschen weniger Speed, etwas weniger Biss. Die Lenkung wirkt etwas belanglos und ist kein Ausbund an Gefühl. Aber hey, das hier ist zweifelsfrei zackig, schnell und so abgestimmt, dass man damit ziemlich dumme Kurvengeschwindigkeiten erreichen kann. Außerdem bremsen die optionalen Riesen-Brembos (2.695 Euro) wie der Teufel. Der Vierradantrieb geht hier definitiv auf Nummer sicher. Man müsste schon extrem waghalsige Fahrmanöver ausführen, um Seats Sport-SUV zum Ausbrechen zu bewegen. Alles ein bisschen anonym, aber hocheffektiv. Dazu ist er exzellent gefedert. Leider sind die Unterschiede im serienmäßigen Adaptiv-Fahrwerk so gut wie nicht zu spüren. Selbst im Cupra-Modus (dem sportlichsten Setting) stützt sich das Auto noch recht wohlwollend ab und agiert komfortorientiert. Wenn das Ding schon Cupra heißt, hätte man es ruhig noch ein Stück wilder und aggressiver auslegen können. Gerade weil man ja die Möglichkeit hat, das Auto auf Knopfdruck wieder familientauglich zu stellen.
Technische Daten und Preise | VW Golf R | Cupra Ateca |
Motor | R4-Turbo; 1.984 ccm | R4-Turbo; 1.984 ccm |
Antrieb | Allradantrieb | Allradantrieb |
Getriebe | 7-Gang-DSG | 7-Gang-DSG |
Leistung | 300 PS/ 400 Nm | 300 PS/ 400 Nm |
0-100 km/h | 4,7 Sekunden | 5,2 Sekunden |
Vmax | 250 km/h | 247 km/h |
Gewicht | 1.505 Kilo | 1.615 Kilo |
Verbrauch | Norm: 7,1 Liter; Test: 10,3 Liter | Norm: 7,4 Liter; Test: 9,6 Liter |
Koferraumvolumen | 343-1.233 Liter | 485-1.579 Liter |
Basispreis | 45.305 Euro | 43.420 Euro |
Testwagenpreis | 65.200 Euro | 54.969 Euro |
Und der Golf? Das gleiche in Grün und einen halben Stock tiefer? Hmmm ... nein, das wäre zu einfach. Irgendwie habe ich mich ja schon sehr gefreut, dass der Golf R uns noch ein letztes Mal beehrt, bevor er in Bälde in die ewigen Jagdgründe ... äh ... den verdienten Ruhestand eingeht. Er hat über die Jahre so viel Lobpreis eingeheimst. Ich hingegen erinnere mich an unsere letzte Begegnung. Es war die Vorstellung der Facelift-Version im Jahr 2017. Auf einem winzigen, wohl eher für Gokarts erdachten Kurs auf Mallorca. VW hatte ihm mit diesem Kurs keinen Gefallen getan, ich fand ihn schrecklich (den Golf, nicht den Kurs). Stolz hatte man die neuen Performance-Goodies beworben. Mit Michelin-Cup-2-Reifen, stabilerer Bremse oder einem Akrapovic-Edelstahl-Endschalldämpfer. Der R war zweifelsfrei sehr schnell, aber langweilig. Er untersteuerte durch die engen Ecken und wirkte insgesamt viel zu abgeklärt, als würde er sich kein Stück für das begeistern können, was er da gerade tut.


Wie gut, dass er knapp zwei Jahre später nochmal vorbeigeschaut hat. In der gleichen Konfiguration mit Semislicks und R-Performance-Paket. Vielleicht bin ich einfach älter und vernünftiger geworden. Vielleicht braucht der Golf R aber auch einfach ein wenig mehr Raum, um zu glänzen. Er mag inzwischen fast sechs Jahre auf dem Buckel haben, aber irgendwie hat er die Zeit genutzt, um zur Bestform zu reifen. Verglichen mit all den immer wilderen, immer aggressiver und verbissener agierenden Kompaktsportlern jüngerer Vergangenheit, wirkt sein ausgeglichenes, aber wirklich sehr fein ausbalanciertes Wesen wie eine Wohltat. Er ist so perfekt und alltagstauglich wie ein GTI, nur viel schneller und mit genau der Menge Humor ausgestattet, die seinem frontgetriebenen Bruder komplett abgeht.
Na gut, die Lenkung war und ist nichts, was irgendwie im Gedächtnis bleibt. Aber der Grip ist wie immer gigantisch, umso mehr mit den atemberaubenden Michelin-Pneus, die mittlerweile auch bei Nässe nicht mehr einbrechen. Und anders als etwa beim neuen BMW M135i gibt es keinerlei Torque Steer, sprich kein unangenehmes Reißen in der Lenkung beim Herausbeschleunigen. Sehr geschliffen, sehr erwachsen das Ganze. Aber eben nicht nur. Denn anders als der kleine Bruder GTI wischiwaschit der R unter etwas Provokation nicht völlig plump ins Untersteuern. In schnellen Kurven merkt man, wie er leicht von hinten mitdrückt, die Spannung hält. Sein Hinterteil fliegt einem nicht permanent um die Ohren, aber es bewegt sich schon, schärft die Linie. Das ist nie unsicher, aber durchaus aufregend. Ein Golf mit einer aufregenden Balance, das ich das nochmal schreiben darf. Und nein, diese Feststellung ist kein Abschiedsgeschenk. Es ist halt einfach so.
Bei den Motoren dürfte es eigentlich gar keine Unterschiede geben, oder?
Würde man meinen. Aber so ist es nicht. Im Ateca wirkt der gute alte EA888 ein wenig zugeknöpfter, im Normal-Modus beinahe ein wenig gemütlich, was die Gasannahme betrifft. Wechselt man in den Cupra-Modus, fühlt es sich dann so an, wie man es erwartet von einem 300-PS-Auto, dass schneller auf 100 km/h beschleunigt als ein Porsche Macan S. Man kennt diesen Motor ja inzwischen in- und auswendig. Immer sauschnell, ohne über Gebühr aufregend zu wirken. Selten haben sich 5,2 Sekunden auf 100 km/h normaler angefühlt. Das könnte auch am eher zurückhaltenden Sound liegen.


Der Golf R geht eine halbe Sekunde schneller auf 100. 4,7 Sekunden. Das ist schon mehr als ordentlich. Der Zweiliter-TSI wirkt hier wacher, bleibt seinem ausgeglichenen Naturell aber immer treu. Hier wie da macht die 7-Gang-Doppelkupplung einen unauffälligen, guten Job. Beide brauchten im Test deutlich mehr als angegeben, der Golf seltsamerweise mehr als der Ateca.
Sprechen müssen wir beim VW noch über den Klang. In der Vor-Partikelfilter-Zeit haute der mit 3.800 Euro lächerlich teure Akrapovic-Auspuff einen so wunderbaren Sound in die Umgebung, dass man wirklich ins Grübeln kam, ob man diese absurde Menge Geld für vier gelochte Tröten nicht vielleicht doch ausgeben soll. Jetzt, mit Otto-Partikel-Filter, kann man sich selbst den Gedanken daran sparen. Da kommt nicht mehr viel Aufregendes. Schade drum.
Welcher ist praktischer?
Hier sollte es keine zwei Meinungen geben. Mit 4,36 Meter ist der Sea ... äh Cupra zwar nur acht Zentimeter länger als der VW, aber naturgemäß fühlt er sich hinten deutlich luftiger an (der Golf schlägt sich im Fond dennoch sehr achtbar). Auch im Gepäckabteil bietet er wesentlich mehr. Etwa 140 Liter im normalen Zustand, knapp 340 Liter mehr, wenn man die Rückbank umklappt.


Bei Infotainment, Assistenzsystemen, Bedienung und Haptik nehmen sich die beiden nicht viel. Hüben wie drüben kriegt man digitale Instrumente, sehr vernünftig bedienbare Navis und ein Ambiente, in dem man sich vom Fleck weg heimisch fühlen kann. Der Ateca hat jedoch die deutlich cooleren Sitze (mit elektrischer Verstellung und Heizung für 1.875 Euro).
Welchen soll ich nehmen?
Aus rationaler Sicht spricht so gut wie alles für den Cupra Ateca. Er ist kaum langsamer. Sie können ihn über eine kurvige Landstraße prügeln wie ein Bekloppter und er wird es klaglos mitmachen. Obendrein haben sie mehr und bequemer Platz für allerhand Kinder/Tiere/Möbel/Sportgeräte und ein gutes Stück günstiger ist er auch noch. Es ist aber auch ein Kreuz mit diesen Sport-SUVs. Es scheint wirklich, als wäre kein Kraut gegen sie gewachsen.
Zumindest, so lange man die emotionale Komponente außen vor lässt. Denn der Cupra mag ein beeindruckend kompetenter und flotter Allrounder sein, aber man kauft ihn wohl eher, um schnell und entspannt anzukommen, nicht um bewusst schnell zu fahren. Dafür ist er dann doch zu allgemeingefällig und brav abgestimmt.
Dann sehen sie den Golf R. Klar hat er weniger Platz und zwei Kinder lassen sich mit dem Ateca sicher deutlich stressfreier handeln. Aber Alltag kann der R auch. Sehr gut sogar. Die meisten Zeit ist er einfach nur ein verflucht schneller Begleiter, der alles dafür tut, Ihnen nicht auf die Nerven zu gehen. Aber wenn Sie ihn mal fordern wollen, dann ist er da. Das alles ist fahrdynamisch schon noch immer sehr sehr fein und spürbar unterhaltsamer als im Cupra Ateca.
Sollten Sie auf solche Dinge Wert legen, wird Sie der VW viel glücklicher machen. Sollten Sie einfach nur ein sehr schnelles Familienauto suchen, ist der Cupra Ateca schon eine Macht. Etwas Vergleichbares in diesem Preisbereich gibt es eigentlich nicht.
Fazit Cupra Ateca: 7/10
+ mühelos schnell; sehr komfortabel, geräumig und qualitativ hochwertig; für das Geld gibt es aktuell nichts Vergleichbares
- beim Schnell sein nicht über die Maßen aufregend; Motor spricht etwas träge an
Fazit VW Golf R: 8/10
+ sehr einfach sehr schnell zu fahren; sehr fein ausbalanciertes Chassis; hervorragende Alltagstauglichkeit
- mit Performance-Extras extrem teuer