Der Motor. Zwölf Zylinder, 6,5 Liter Hubraum, kein Turbo. Er zieht die Aufmerksamkeit auf sich. Und ich entschuldige mich schon jetzt bei den Ingenieuren, die an Chassis, Aerodynamik und Elektronik gearbeitet haben. Und zwar mit außergewöhnlichen Resultaten. Aber alles beim Aventador SVJ dreht sich alles um dieses V12-Tier hinter dem Fahrer, das nur darauf wartet, aus dem Käfig gelassen zu werden. 770 PS und 720 Newtonmeter sind seine Eckpunkte, die aber nicht die ganze Geschichte einer überquellenden Persönlichkeit erzählen. Also werde ich es mit diesen Zeilen versuchen. (Alternativ hat Adriano auch ein Video (siehe oben) gemacht. Keine Bange: Ihr müsst kein Italienisch können. Die Sprache eines Lamborghini-V12 versteht man überall auf der Welt.)
Was ist das?
Jeder Lamborghini als solcher ist so konzipiert und gestaltet, dass er denjenigen den Kopf verdreht, die von einem Auto nur wissen, dass es vier Räder hat. Der Aventador, der ob seiner Breite und seines Designs oft zum peinlichen Poser-Objekt wird, mutiert in der SVJ-Version zu einem echten Straßen-UFO. Diese Veränderung ist das Resultat aerodynamischer Aufrüstung. Von vorne beginnend, bemerkt man sofort den Splitter, der zusammen mit der Maske und den Schlitzen auf der Haube die Luft kanalisiert, um den Widerstand zu verringern. An den Seiten sind die Rippen neben der Nase und den Lufteinlässen so konzipiert, dass sie die Kühlung verbessern, während der hintere Diffusor mit das neue Design des Fahrzeugbodens maximiert. Dort erhöhen Strömungsbeschleuniger die Geschwindigkeit, mit der die Luft unter dem Fahrzeug selbst hindurchgeht, wodurch ein "Sog"-Effekt entsteht. Eine aktive Aerodynamik (das sogenannte ALA-System von Lamborghini) soll den Anpressdruck gegenüber dem Aventador SV um 70 Prozent erhöhen. Das aerodynamische Niveau des Aventador SVJ lässt sich an vielen Details erkennen, vor allem aber an einem: Der Heckflügel hat einen rechts und links geteilten Luftkanal, der die aerodynamische Bewegung in den Kurven begünstigt.
Wie fährt er sich?
Bei diesem Auto gehen einem die Adjektive aus. Stattdessen regieren am Steuer des SVJ pures Adrenalin, erhöhte Herzfrequenz, Begeisterung. Auf der Rennstrecke von Estoril in Portugal, haben die eigenen Muskeln fast Mühe, mit so viel technologischer Überlegenheit Schritt zu halten. Der Grip ist beeindruckend, nicht nur wegen der Reifen des Typs Pirelli Trofeo R, sondern auch aufgrund der aktiven Aufhängungen und des ALA-Systems, das wie eine große unsichtbare Hand das Auto nach unten drückt.
Je stärker man den Aventador SVJ fordert, desto besser wird er. Natürlich gibt es auch hier Grenzen, auch wenn sie sehr hoch sind. Aber gerade weil sie so hoch sind, erfordern sie starke Nerven, viel Erfahrung und etwas Talent. Stefano Domenicali, Lamborghinis Nr. 1 und ein sehr maßvoller Mensch auf seine Weise und in seiner Wortwahl, sagt sogar, dass die Inspiration für die Designer von "superschnellen Dingen wie Raumschiffen und Kampfflugzeugen" kam. Gar kein schlechter Vergleich: In Kurven hinein geht es mit sehr wenigen Drehungen am Lenkrad. Das Gefühl? Hervorragend, wenn auch nicht außergewöhnlich, aber in der Technik des SVJ steckt einiges an Gehirnschmalz der Ingenieure in Sant'Agata.
"Je stärker man den Aventador SVJ fordert, desto besser wird er"
Noch ein paar Zahlen zum Mega-Lambo: 1.525 Kilogramm bringt der SVJ auf die Waage, daraus ergibt sich ein Leistungsgewicht von 1,98 kg/PS. In 2,8 Sekunden geht es auf Tempo 100, nach 8,6 Sekunden liegen 200 km/h an. Maximal sind 350 Sachen möglich. Fast wichtiger: Ende Juli 2018 schnappte der Aventador SVJ (das J steht übrigens für „Jota“) dem Porsche 911 GT2 RS seinen Nordschleifen-Rekord für straßenzugelassene Fahrzeuge weg. Seitdem sind 6.44:97 Minuten in den Eifel-Asphalt gebrannt.
Was kostet er?
415.448 Euro. Viel oder wenig? Sehr wenig für die Klientel, die er anspricht. 900, um genau zu sein, denn so viele SVJ sind seitens Lamborghini geplant. Aber das ist nicht der Punkt. Für uns Liebhaber geht es um die Hoffnung, weiterhin zu träumen. Denn die Herrschaften, die diese Maschinen kaufen, wollen frei saugende V12. Ein selbstloser Akt der Arterhaltung in Zeiten von Downsizing und Turbo-Inflation.