Wie sieht das perfekte Urlaubsauto aus? Geräumig, komfortabel und sparsam. Aber ein Renault Twingo? Für mehrere hundert Kilometer Fahrtstrecke? Völlig aberwitzig und total bekloppt. Zumindest laut der Meinung meiner Kollegen, als sie von meiner Wahl erfuhren. Dabei gibt es einen guten Grund für den lediglich 3,60 Meter langen Winzling: Ich fahre in sein Heimatland Slowenien. Dort wird er gemeinsam mit dem Smart Forfour in Novo Mesto gebaut. Revoz heißt das Unternehmen ganz offiziell, hier liefen auch der letzte Renault 4 und der letzte Renault 5 vom Band.
Ein sympathisches Autochen
Trotz über einem Jahrzehnt EU-Mitgliedschaft und Euro-Bargeld ist Slowenien in Sachen Tourismus für viele Reisende noch immer „Terra Incognita“. Die Mehrheit kennt das Land höchstens vom Transit zwischen Österreich und Kroatien. So viel sei verraten: Ihnen entgeht was. Entgeht mir etwas im Twingo? Zugegeben, auch ich bin beim Anblick von Renaults Kleinstem zunächst skeptisch. Wird dort das ganze Reisegepäck hineinpassen? Zumindest wirkt der Twingo sympathisch: Ein gefälliges Design ohne Aggressionen und Übertreibungen wie beim technisch gleichen Smart Forfour. Extrovertiert ist einzig der Farbton „Ultraviolett“ meines Testwagens.
Zwischen praktisch und fummelig
Während des Beladevorgangs sehe ich mir den Twingo genauer an. Weil das aktuelle Modell aufgrund der gemeinsamen Entwicklung mit Smart einen Heckmotor aufweist, befinden sich die Achsen an den äußersten Enden der Karosserie. Zugleich führt dieses Konzept auch dazu, dass man verhältnismäßig hoch sitzt. Prima für den Einstieg und an Mautstellen, weniger prima für Menschen mit langen Beinen. Im Cockpit verzichtet Renault auf einen Drehzahlmesser und eine Anzeige für die Wassertemperatur. Durchaus nobel wirkt hingegen das kleine, unten abgeflachte Lederlenkrad der Topversion „Intens“. Mit an Bord sind das Doppelkupplungsgetriebe EDC, dessen Fahrstufen-Anzeige neben dem Hebel leider nicht farblich abgesetzt ist und das einfach zu bedienende Multimedia-System „R-Link“ mit Touchscreen und Navi. Tipp: Nehmen Sie lieber nicht die weiße Einrahmung des Armaturenbretts, bei Sonnenschein wird diese Farbgebung zum Pferdefuß. Eine Frage der Übung ist das Öffnen der vorderen Haube zum Nachfüllen des Wischwassers: Zwei Abdeckungen im Grill lösen, Schloss per Schlüssel entriegeln, zwei Hebel ziehen und die Haube vorziehen. Ähnlich komplex ist die ganze Chose beim Schließen, dankenswerterweise hat Renault den Wasserbehälter üppig dimensioniert. Trotzdem: Eine praktische Serviceklappe wie einst beim Audi A2 wäre schön.
Geräumiger als gedacht
Als überraschend gut entpuppt sich das Raumangebot: Vorne kommen sich zwei Personen nicht in die Quere, weil es einerseits keine massive Mittelkonsole gibt und andererseits die Türverkleidungen minimalistisch gehalten sind. Hinten ändert sich das Bild, mangels Beinfreiheit sind hier Kinder besser aufgehoben. Alternativ nutzt man Reihe zwei als zusätzliche Gepäckablage, zumal die Lehnen zu einer ebenen Fläche umklappen. Dabei sorgt der Platz hinter der gläsernen Heckklappe für eine weitere Überraschung: Zwei Trolleykoffer passen hinein, daneben bleibt sogar noch Platz für eine Einkaufstasche. Kritikwürdig sind aber die fummeligen hinteren Türgriffe, zudem gibt es dort nur Ausstellfenster.
Flott unterwegs dank Turbo
Los geht es auf die rund 500 Kilometer von Oberbayern nach Koper an die slowenische Küste. Zwischen fünf und sechs Stunden Fahrtzeit sind hierfür einzuplanen. Dazu kommen noch rund 60 Euro Mautgebühr für die Autobahnen sowie den Tauern- und den Karawankentunnel. Auf der Route entpuppt sich der Twingo keineswegs als Beifang auf der rechten Spur. 90 Turbo-PS bringen die beladene Fuhre gut in Fahrt, der Winzling hängt gut am Gas. Selbst im Eco-Modus ist keine Leistungsminderung festzustellen, lediglich die Klimaautomatik bläst zurückhaltender. Sauber beschleunigt der Twingo auf die meist vorgeschriebenen 120 bis 130 km/h, erst ab Tempo 150 geht ihm die Puste aus. Abgesehen vom ruckeligen Anfahren aus dem Stand und einem eher trägen Kickdown wechselt das EDC-Getriebe die Stufen unauffällig, bei höherer Geschwindigkeit macht sich der hier vorhandene sechste Gang positiv bemerkbar.
Auf die harte Tour
Flüsterleise ist der 898-Kubik-Benziner zwar nicht, aber er hält sich trotz typischer Dreizylinder-Klangfarbe zurück. Bei einer Pause nach ungefähr der Hälfte der Strecke fasse ich in den Kofferraum: Strahlt das Hecktriebwerk viel Hitze aus? Nix da. Thermisch ist alles in Ordnung, selbst bei über 30 Grad Außentemperatur. Für Minuspunkte sorgen andere Dinge. So sind die vorderen Integralsitze auf Dauer unbequem im Schulter- und Nackenbereich. Zudem erweist sich der Abrollkomfort des Twingo desöfteren als sehr harsch, Je nach Art der Unebenheit rumpelt es beängstigend laut.
Wuseliger Winzling
Am Ferienort an der nur 46 Kilometer langen slowenischen Küste angekommen, treffe ich auf dem Parkplatz den Vorgänger meines Twingo. Der hatte noch den Motor vorne, aber nur drei Türen, allerdings eine längs verschiebbare Rücksitzbank. Bei meinen Touren durch Slowenien spielt der Twingo des Jahrgangs 2018 einen Trumpf seines Konzepts aus: Er ist enorm wendig. Auf der Straße in einem Zug drehen? Kein Problem! Angenehm schmal ist er außerdem, was sich mehr als einmal positiv auszahlt.
Slowenien: Sehr empfehlenswert!
Apropos positiv: Es gibt viel zu erkunden in Slowenien. Angefangen vom malerischen Küstenort Piran über die Strände (Sand gibt es nur in Portoroz, wer Steine nicht scheut, sollte sich das glasklare Wasser in Izola zu Gemüte führen) bis zur sehenswerten Hauptstadt Ljubljana. Wirklich groß ist Slowenien nicht, von der Küste bis zur Hauptstadt sind es eine Stunde auf der Autobahn. Sehr zu empfehlen ist die unglaubliche Tropfsteinhöhle von Postojna, alle Pferdeliebhaber sollten einen Abstecher nach Lipica, Heimat der Lipizzaner, machen. Und Novo Mesto, die Heimatstadt des Twingo? Nun, hier ist derzeit der Marktplatz eine große Baustelle, weshalb sich eher eine Erkundung des Umlands entlang des Krka-Flusses lohnt. Sagte ich gerade Fluss? Besonders reizvoll ist eine Rückfahrt von der Küste über Stanjel, Nova Gorica, Tolmin, Kobarid und Bovec bis nach Kranjska Gora zum Wurzenpass nach Österreich. Diese Route führt größtenteils entlang des Flusses Soça (auch Isonzo genannt) in die Julischen Alpen mit Bergen deutlich über 2.000 Meter Höhe. So weit geht es für den Twingo dann doch nicht, aber allein die Passfahrt nach Kranjska Gora wird jeden Kurvenfreund begeistern.
Asket an der Tankstelle
Bei solchen Ausnahmesituationen süffelt der Twingo natürlich etwas mehr aus seinem kleinen 35-Liter-Tank, doch insgesamt bleibt der Baby-Renault bescheiden. Unter dem Strich stehen ziemlich genau sechs Liter, Bestwert sind vom Tempomat unterstützte 5,2 Liter auf 100 Kilometer. Allerdings hat die Vollausstattung meines Test-Twingos ihren Preis: Inklusive Extras und Intens-Ausstattung werden 17.680 Euro fällig. Dann bleiben aber keine Wünsche mehr offen: Navi, Klimaautomatik, Licht- und Regensensor, Rückfahrkamera und ein Spurhaltewarner sind mit an Bord. Verzichtbar sind die glanzgedrehten 16-Zoll-Alus mit schwarzen Akzenten (300 Euro) und die Metallic-Lackierung (490 Euro).
Wertung
Preisliste
Renault Twingo TCe 90 EDC Intens | |
Grundpreis: | 14.990 Euro |
Ausstattungen | Preis in Euro |
ABS | Serie |
ESP | Serie |
ASR | Serie |
Airbag Fahrer | Serie |
Airbag Beifahrer | Serie |
Seitenairbags vorn | Serie |
elektr. Fensterheber vorn | Serie |
elektr. verstellbare Außenspiegel | Serie (inklusive Heizung) |
Klimaanlage | Serie |
Klimaautomatik | 590 (im Paket) |
Zentralverriegelung mit Fernbed. | Serie |
Automatikgetriebe | Serie (EDC) |
Bildschirmnavigation | 990 (im Paket) |
MP3 | Serie |
Metalliclackierung | 490 |
Leichtmetallfelgen | Serie (15 Zoll) |
Sitzhöheneinstellung | Serie (Fahrer) |
Tempomat | Serie |
Kurvenlicht | 590 (im Paket) |
Nebelscheinwerfer | Serie |
Faltschiebedach aus Stoff | 990 |
Spurhalte-Warner | 200 |
Sitzheizung vorne | 290 |
Parkpiepser hinten | 250 |
Datenblatt
Motor und Antrieb | |
Motorart | Benziner mit Turboaufladung |
Zylinder | 3 |
Ventile | 4 |
Hubraum in ccm | 898 |
Leistung in PS | 90 |
Leistung in kW | 66 |
bei U/min | 2.500 |
Drehmoment in Nm | 135 |
Antrieb | Heckantrieb |
Gänge | 6 |
Getriebe | Doppelkupplungsgetriebe |
Fahrwerk | |
Spurweite vorn in mm | 1.431 |
Spurweite hinten in mm | 1.443 |
Radaufhängung vorn | McPherson-Achse |
Radaufhängung hinten | DeDion-Achse |
Bremsen vorn | Scheiben |
Bremsen hinten | Trommeln |
Wendekreis in m | 8,60 |
Geländekompetenz | |
Bodenfreiheit in mm | 170 |
Maße und Gewichte | |
Länge in mm | 3.595 |
Breite in mm | 1.647 |
Höhe in mm | 1.557 |
Radstand in mm | 2.492 |
Leergewicht in kg | 1.068 |
Zuladung in kg | 345 |
Kofferraumvolumen in Liter | 219 |
Kofferraumvolumen, variabel in Liter | 980 |
Tankinhalt in Liter | 35 |
Kraftstoffart | Super |
Fahrleistungen / Verbrauch | |
Höchstgeschwindigkeit in km/h | 165 |
Beschleunigung 0-100 km/h in Sekunden | 10,8 |
EG-Gesamtverbrauch in Liter/100 km | 4,8 |
EG-Verbrauch innerorts in Liter/100 km | 6,0 |
EG-Verbrauch außerorts in Liter/100 km | 4,1 |
Testverbrauch Minimum in Liter/100 km | 5,2 |
Testverbrauch Gesamt in Liter/100 km | 6,0 |
CO2-Emission in g/km | 108 |
Schadstoffklasse | Euro 6 |