Im Ostblock sahen alle Autos aus wie ein gebrauchter Legostein? Mitnichten! Denken sie nur an den Melkus RS 1000 oder die Wartburg-Modelle bis 1965 aus der DDR. Auch in der damaligen CSSR gab es wahre Schönheiten auf Rädern. Zum Beispiel ein Skoda mit Ferrari-Note.

Anlässlich des 120. Jubiläums von Skoda Motorsport rekonstruierten Mitarbeiter des Museums und des Zentrums für Prototypenbau den Rennwagen Skoda 1100 OHC Coupé. Zunächst arbeiteten die Teams an der Wiederaufbereitung des ursprünglichen Rahmens, des Fahrwerks sowie des Motors und bauten auch die Karosserie nach historischer Dokumentation wieder auf. Dabei kamen moderne Spitzentechnologien ebenso zum Einsatz wie traditionelle Techniken aus dem Karosseriebau.

Die Planungen für den Skoda 1100 OHC mit der internen Typbezeichnung 968, der vor allem bei Ausdauer-Rundstreckenrennen starten sollte, begannen bereits im Frühjahr 1956. Ende 1957 war das erste von zwei Exemplaren mit offener GFK-Karosserie fertiggestellt. Das Fahrzeug zählt noch heute zu den Höhepunkten in der Ausstellung des Skoda Museums in Mladá Boleslav. Regelmäßig startet es bei nationalen und internationalen Oldtimerveranstaltungen. Den zweiten 1100 OHC nutzt der Importeur Skoda UK zu Werbezwecken, insbesondere vor Ort in Großbritannien.

In den Jahren 1959 und 1960 setzten die Konstrukteure die Arbeit am Projekt 968 fort und entwickelten zwei Skoda 1100 OHC Coupés mit geschlossener Karosserie. Bewährte Elemente der Serienmodelle konnten dabei übernommen werden. Im Gegensatz zum Skoda Sport und Supersport, die Ende der 1940er-Jahre entstanden, war die Basis des Fahrzeugs allerdings nicht mehr der Zentralrohrrahmen mit Gabelung für den Einbau eines OHV-Motors vorn.

Skoda 1100 OHC Coupé (1959/1960)
Skoda 1100 OHC Coupe

Stattdessen nutzte das Skoda 1100 OHC Coupé die Vorzüge des leichten und gleichzeitig steifen Gitterrahmens, der aus dünnwandigen Rohren geschweißt war. Die Vorderräder führte eine Trapezaufhängung aus jeweils zwei übereinander angeordneten Dreieck-Querlenkern, hinten kam eine Koppeltragachse mit Schlepplenkern zum Einsatz.

Der Motor lag hinter der Vorderachse und ermöglichte mit der Montageeinheit aus Hinterachsdifferenzial und Fünfganggetriebe eine nahezu ideale Gewichtsverteilung. Das Fahrverhalten des dynamischen Rennwagens war hervorragend. Das Skoda 1100 OHC Coupé trieb ein Reihenvierzylinder-Saugmotor an. Zylinder- und Kurbelgehäuse waren aus Aluminium und entstammten ebenso dem Skoda 440 "Spartak" wie die Kurbelwelle.

Skoda 1100 OHC Coupé (1959/1960)

Dessen Leistung von 40 PS (29,4 kW) bei 4.200/min übertraf der Rennwagen dank optimierter Brennräume und OHC-Ventilantrieb, einem Verdichtungsverhältnis von 9,3:1, zwei Vergasern, doppelter Dynamo-Batterie-Zündung von Bosch, Zündmagneten der Marke Scintilla Vertex und vielen weiteren Modifikationen jedoch deutlich. Die Leistung lag bei 92 PS (67,7 kW) bei 7.700/min.

Die Literleistung lag bei hohen 85 PS pro Liter Hubraum. Kurzfristig erreichte das 1100 OHC Coupé bis zu 8.500/min. Je nach Gesamtübersetzung, die dem Charakter der Rennstrecke entsprechend angepasst werden konnte, erreichte der Zweisitzer mit Aluminiumkarosserie und einem Leergewicht von nur 555 Kilogramm eine Spitzengeschwindigkeit von rund 200 km/h. Zweikreisbremsen sorgten jederzeit für eine wirksame Verzögerung, zur Reduzierung der ungefederten Massen befanden sich die hinteren Trommelbremsen am Differenzialgetriebe.

Die Rennkarriere der zwei Fahrzeuge vom Typ Skoda 1100 OHC Coupé dauerte von 1960 bis 1962. Geänderte technische Vorschriften bedeuteten das Ende für die Kategorie unter 1.100 ccm. Als die Fahrzeuge deswegen nicht mehr starten durften, wurden sie 1966 an private Interessenten verkauft. Bei Unfällen im Straßenverkehr wurden beide Coupés komplett zerstört.

Der Eigentümer des ersten Fahrzeugs, dessen erhaltene Komponenten nun bei der Rekonstruktion genutzt wurden, ersetzte den Motor seines 1100 OHC durch einen Serien-Vierzylinder mit OHV-Ventilsteuerung aus einem Felicia. Der Originalmotor des Fahrzeugs war lange in der Berufsschule in Mladá Boleslav ausgestellt, bevor er nach der Rekonstruktion nun wieder im 1100 OHC Coupé zum Einsatz kommt.

Das zweite Coupé brannte nach einem Unfall aus. Der Fahrer konnte sich aus dem Fahrzeug befreien, die Aluminiumkarosserie wurde allerdings irreparabel beschädigt. Die technisch einzigartig konstruierte Hinterachse mit integriertem Getriebe wurde ausgebaut und ging zunächst in die Sammlung des Technischen Nationalmuseums in Prag über, bevor sie vor inzwischen 25 Jahren dem Skoda-Museum überlassen wurde. Den in drei Teile zerlegten Gitterrohrrahmen mit kompletter Vorderachse und weiteren erhaltenen Teilen erwarb das Skoda-Museum im Jahr 2014 von einem privaten Sammler.

Skoda 1100 OHC Coupe

Das ambitionierte Restaurationsprojekt wäre ohne die Experten des Werksmuseums und ihre Erfahrung mit dem offenen Skoda 1100 OHC nicht möglich gewesen. Ebenfalls von großer Bedeutung war die technische Originaldokumentation. Sie ist im Skoda-Archiv fast komplett erhalten geblieben – inklusive einer Erläuterung aller Fertigungsschnitte und einer erklärenden Zeichnung zum Einbau einzelner Baugruppen.

Die mechanischen Originalkomponenten waren kaum verschlissen, da der Wagen nur an wenigen Rennen teilgenommen hatte. Die Renovierung des kompletten Fahrwerks mit rekonstruiertem Kühler, Kraftstofftank und weiteren Elementen war Ende 2015 abgeschlossen.

Ursprünglich sollte das Fahrwerk des Wagens im Skoda-Museum neben dem Wagen mit offener Karosserie ausgestellt werden. Stattdessen fiel die Entscheidung, das Coupé als vollständig funktionstüchtiges Fahrzeug wiederaufzubauen.

Skoda 1100 OHC Coupe
Skoda 1100 OHC Coupe

Die anspruchsvollste Aufgabe war die Rekonstruktion der Aluminiumkarosserie. Der ursprüngliche Entwurf stammte vom ehemaligen Werksdesigner Jaroslav Kindl, nach dessen Unterlagen damals ein Holzmodell geschreinert wurde. Aluminiumplatten wurden zunächst manuell ausgehämmert, anschließend wurden die Einzelteile geschweißt oder genietet.

Im Rahmen der Rekonstruktionsarbeiten kooperierte die Restaurierungswerkstatt des Skoda Museums eng mit den Kollegen aus dem Zentrum für Prototypenbau bei Skoda. Auf Basis von Scans der 2D-Zeichnungen im Maßstab 1:1 entstand ein dreidimensionales Netz, das anschließend optisch nachbearbeitet wurde. Unter hohem Aufwand wurden Formen einzelner Elemente geprüft und korrigiert, etwa an der Fahrzeugfront und im Bereich der Heckleuchten.

Historische Fotografien wurden mit der gezeichneten Dokumentation und dem 3D-Modell abgeglichen. Im virtuellen Studio konnten die Fachleute den Wagen auf diese Weise von allen Seiten betrachten und Korrekturen vornehmen. Neben verkleinerten Modellen entstanden anschließend auch Modelle der vorderen und hinteren Karosseriebestandteile im Maßstab 1:1.

Skoda 1100 OHC Coupe

Nach entsprechender fachlicher Begutachtung, nötigen Anpassungen und der endgültigen Freigabe arbeiteten die Konstrukteure von Skoda an Trennwänden, Radhäusern und weiteren Karosserieelementen.

Für die Karosserie setzte man auf 0,8 und 1 Millimeter dicke Aluminiumbleche, die im Rahmen der Rekonstruktion manuell bearbeitet und geschweißt wurden. Aufgrund der eloxierten Karosserieoberfläche waren die beiden Coupés seinerzeit zunächst blau lackiert. Im Rennbetrieb bewährte sich diese Oberflächenbehandlung allerdings nicht, daher setzte man ab Mitte der Saison 1962 bei beiden Fahrzeugen auf die aktuelle, rote Lackierung.

Für die aufwendige Rekonstruktion galt es, zahlreiche Komponenten zu beschaffen, die mit den Teilen aus den damaligen Serienfahrzeugen baugleich waren. So entsprachen die äußeren Türgriffe des Coupés etwa denen des Skoda 1200 Sedan. Einige Schalter sowie das Zündschloss kamen auch im Skoda 440 "Spartak" und im damaligen Octavia zum Einsatz. Das mit schwarzem Kunststoff bezogene Dreispeichenlenkrad verweist auf den Bestseller aus der Vorkriegszeit, den Skoda Popular.

Bildergalerie: Skoda 1100 OHC Coupé (1959/1960)