Wir sind uns nicht so ganz sicher, was hartgesottene Grüne zu dieser Form der Elektrifizierung sagen werden, aber Mercedes-AMG hat soeben seinen ersten Performance-Hybrid gelauncht und das Teil landet mit einem dicken fetten Super-Knall. Sagen Sie Hallo zum GT 63 S E Performance und all seinen 843 PS. 

Jap, achthundertdreiundvierzig. Und dazu je nach Gang-Kombination (dazu kommen wir gleich) zwischen 1.010 und 1.400 Nm Drehmoment. Da kniet das Klima nieder vor Ehrfurcht. Mercedes-AMG verspricht jede Menge Tech-Transfer aus dem eigenen Formel-1-Auto. Wie Sie sich denken können, geht es hier nicht um Reichweiten-Rekorde, sondern hauptsächlich um brachiale Performance. 

Bildergalerie: Fotos Mercedes-AMG GT 63 S E Performance, IAA 2021

V8 plus E-Motor plus Mini-Batterie

Möglich macht's die Kombination aus dem bekannten 4,0-Liter-Biturbo-V8 und einem permanent erregten Synchron-Elektromotor an der Hinterachse. Der Achtzylinder aus dem GT 63 S trägt 639 PS und 900 Nm bei, die ganz klassisch per 9-Gang-Automatik an den 4Matic-Plus-Allradantrieb weitergeleitet werden. Dazu gibt es einen riemengetriebenen Startergenerator mit 14 PS für die Versorgung von Nebenaggregaten.

Die E-Maschine schickt ihre 204 PS und 320 Nm per elektrisch geschaltetem Zweigang-Automat (ein elektrischer Aktuator legt den zweiten Gang spätestens bei 140 km/h ein, was der Maximaldrehzahl des Elektromotors von rund 13.500 U/min entspricht) und einem elektronisch gesteuerten Hinterachs-Sperrdifferenzial an die Hinterräder.

Mercedes-AMG GT 63 S E LEISTUNG
Mercedes-AMG GT 63 S E LEISTUNG

Die Komponenten sind in einer kompakten Electric Drive Unit (EDU) integriert. Wenn Sie klingen wollen, als seien Sie vom Fach, dann sprechen Sie hier von einem P3-Hybrid.

Bei Schlupf an der Hinterachse überträgt sich die Antriebskraft des Elektromotors für mehr Traktion übrigens auch auf die Vorderräder. Die mechanische Verbindung des vollvariablen Allradantriebs ermöglicht dies mittels Kardanwelle und Antriebswellen der Vorderräder.

All das klingt nach aberwitzigen Fahrleistungen und genau die gibt es auch. Der AMG GT 63 S E Performance (am Namen hätte man durchaus noch etwas feilen können) beschleunigt in 2,9 Sekunden von 0-100 km/h. Die 0-200 km/h sind in "weniger als 10 Sekunden" erledigt. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 316 km/h.  

Bedenkt man, dass ein herkömmliches AMG GT 4-Türer Coupé schon über 2,1 Tonnen wiegt, kann einem beim Gedanken ans Gewicht des neuen Über-Hybrids schon mal kurz Angst und Bange werden. Endgültig klären können wir das Thema aktuell noch nicht, allerdings verkündet man in Affalterbach mit Stolz, dass die neue Lithium-Ionen-Batterie des Performance-Hybrids gerade mal 89 Kilo wiegt. 

Besagtes Bauteil ist auch nicht besonders groß, aber dafür scheinbar ziemlich revolutionär. Tatsächlich liegt die Kapazität bei lediglich 6,1 kWh. Zum Vergleich der Porsche Panamera Turbo S E-Hybrid hat einen 17,9-kWh-Akku an Bord. Die Dauerleistung liegt bei 70 kW, die Spitzenleistung für 10 Sekunden beträgt 150 kW. Die Ladung erfolgt über das installierte 3,7 kW
On-Board-Ladegerät mit Wechselstrom an Ladestation, Wallbox oder Haushaltssteckdose.

Die rein elektrische Reichweite liegt bei kümmerlichen 12 Kilometern, aber das scheint den GT 63 S E Performance nicht mal im Ansatz zu interessieren. Der Akku ist "auf
schnelle Leistungsabgabe und -aufnahme ausgelegt und nicht auf eine möglichst hohe Reichweite".

Der Clou hier ist die Direkt-Kühlung der Batteriezellen. Sie ist laut Mercedes die Grundlage für die hohe Performance der AMG 400-Volt-Batterie. Die 560 Zellen des Akkus werden erstmals von einem High-Tech-Kühlmittel, welches auf einer elektrisch nichtleitenden Flüssigkeit basiert, umströmt und einzeln gekühlt. Dafür wurden neue, nur millimeter-dünne Kühlmodule entwickelt.

Weil sich die Batterie laut AMG dadurch immer im optimalen Temperaturfenster von rund 45 Grad befindet, lässt sich auch die Rekuperation optimieren. Normalerweise erhitzt sich eine Batterie
bei hoher Rekuperationsleistung stark, so dass die Energierückgewinnung eingeschränkt werden muss. Hier ist das offenbar nicht der Fall. 

Mercedes-AMG GT 63 S E LEISTUNG

Die Schwaben schwärmen von einer Betriebsstrategie, die von Lewis Hamiltons Dienstwagen abgeleitet sein soll. Es soll also immer dann maximaler Vortrieb zur Verfügung stehen, wenn der Fahrer ihn benötigt. "Über hohe Rekuperationsleistungen und bedarfsgerechtes Nachladen lässt sich die elektrische Kraft stets abrufen und häufig reproduzieren", heißt es.

Vier Rekuperationsstufen gibt es insgesamt. Einstellbar sind sie über einen Taster am Lenkrad. Stufe 0 verhält sich, wie man es von einem normalen Verbrenner kennt. Stufe 3 soll das sogenannte One-Pedal-Fahren ermöglichen. Im Fahrprogramm „Race“ wird die Rekuperation automatisch auf Stufe 1 fixiert, um ein möglichst reproduzierbares Fahrzeugverhalten im Grenzbereich zu ermöglichen. 

Apropos Grenzbereich: Die Fahrdynamikregelung soll ebenfalls vom neuen Hybrid-Setup profitieren. Statt eines Bremseneingriffs des ESP kann nun auch die E-Maschine die Traktion regeln, sobald ein Rad zu viel Schlupf signalisiert. Dann wird das Antriebsmoment des Elektro-Motors reduziert, das über die Hinterachs-Sperre auf das Rad übertragen wird. 

Wir warten schon sehnsüchtig auf einen neuen Nordschleife-Rekord. In der Kategorie "Luxus-Viertürer mit Plug-in-Hybrid" dürfte wohl noch was abzusahnen sein. 

Außen und innen nur minimal anders

Äußerlich unterscheidet sich der neue GT 63 S E Performance nur marginal von seinen nicht elektrifizierten Geschwistern. Die Frontschürze kommt leicht verändert daher, hinten erkennen Sie ihn an der Heckschürze mit integrierter Plug-in Ladeklappe und der rot hinterlegten Modellbezeichnung. 

Mercedes-AMG GT 63 S E LEISTUNG

Serienmäßig kommt das neue Topmodell mit AMG Ride Control+ Luftfahrwerk und einer Keramikbremse mit 420-Millimeter-Scheiben vorne und 380er-Discs hinten. 

Im Interieur wird das MBUX um einige Hybrid-spezifische Anzeigen wie den den Leistungsfluss des gesamten Antriebssystems, Drehzahl, Leistung, Drehmoment und Temperatur der Elektromaschine sowie die Temperatur der Batterie ergänzt. Im Kombiinstrument kann der Fahrer die elektrische Reichweite, den Stromverbrauch, Leistung und Drehmoment der Elektromaschine sowie die Temperaturen von Batterie und Elektromaschine ablesen.

Marktstart und Preis

Es wurde ja schon länger gemunkelt, dass sich die schlauen Köpfe von AMG etwas radikaler verhalten werden, wenn es um die Elektrifizierung ihrer Fahrzeuge geht. Jetzt wissen wir endlich, wie das Ganze aussehen wird.

Mit vergleichsweise kleiner, leichter Batterie, wenig elektrischer Reichweite, massivem Fokus auf Rekuperation und einem saftigen E-Boost lassen sich die immer strikteren Emissions-Regularien natürlich sehr elegant umschiffen. Das lässt auch für den kommenden C 63 einiges erwarten. 

Zu Marktstart und Preis des GT 63 S E Performance gibt es aktuell noch keine Infos. Mit einem nicht unerheblichen Aufschlag auf die knapp 170.000 Euro des GT 63 S mit reinem V8-Antrieb sollte aber gerechnet werden.  

Bildergalerie: Mercedes-AMG GT 63 S E PERFORMANCE