Man kennt Sie. Und irgendwie auch wieder nicht. Die Rede ist nicht von den eigenen Nachbarn, sondern von Autos, die so unauffällig blieben, dass sie heute nur eingefleischte Fans noch kennen. Solche Modelle müssen nicht zwangsläufig zu Lebzeiten Flops gewesen sein.
Aber sie liefen unter dem Radar des gewöhnlichen Autokäufers. In unregelmäßiger Folge wollen wir ab sofort unter dem Titel "Kennen Sie den noch?" so manchen Old- und Youngtimer aus dem Nebel des Vergessens holen.
Es gibt desöfteren Modelle, bei denen man sich fragt, was sich der Vorstand damals dabei dachte. Der vor 40 Jahren vorgestellte VW Santana ist so ein Fall. Rückblickend wurde er oft belächelt und verspottet: Eigentlich doch nur ein Passat mit Stufenheck im Frack. Mit optionalem Fünfzylinder und eigenem Namen. (Ein Rezept, welches VW gut 20 Jahre später beim Bora ähnlich wiederholen sollte ...) Wozu das Ganze?
Der Grundgedanke hinter dem Santana war eigentlich nicht schlecht: Zwischen dem Audi 80 und 100 gab es eine Lücke, in die der 4,54 Meter lange VW gut hineinpasste. Außerdem war die zweite Generation des Passat, auf dem der Santana basierte, im Vergleich zum Vorgänger deutlich gewachsen.
VW möchte mit dem Santana einen Kundenkreis ansprechen, der einen großen Volkswagen mit einem Ausstattungsumfang oberhalb des Passat sucht. Der Santana sollte "größer und eleganter ausfallen" als alle bisherigen Modelle und ist konkret angelegt als "große klassische Reiselimousine (...), wie es sie es von Volkswagen bis heute noch nicht gegeben hat" – der Verkaufsprospekt von 1981 benennt die Positionierung des Santana innerhalb der Produktpalette deutlich.
Benannt nach den kalifornischen Santa-Ana-Winden (und nicht nach dem Rockgitarristen) war der VW Santana höherwertiger möbliert als der Passat. Zudem saßen die weißen Blinker direkt neben den Scheinwerfern statt wie beim Passat im Stoßfänger. Und es gab mehr Chrom. Solche Feinheiten fielen der Presse aber nicht auf, sie mokierte sich über das biedere Passat-Design.
Da nützte auch das motorische Highlight des Santana neben den bekannten Vierzylindern nicht viel: Zwischen 1981 und 1983 gab es ihn mit einem 115 PS starken 1,9-Liter-Fünfzylinder, danach kam ein gleichstarker Fünfender von Audi mit 2,0 Liter Hubraum zum Einsatz. Am anderen Ende rangierte 1983/84 der 1,3-Liter-Benziner mit 60 PS.
Doch sowohl in Europa als auch in den USA, wo der Santana als "Quantum" verkauft wurde, blieben die Verkaufszahlen überschaubar. Ein Grund war die hauseigene Konkurrenz von Audi 80 und 100 in den gemeinsamen Schauräumen, aber auch externe frische Rivalen wie ein Mercedes 190 mit mehr Prestige, ein modern gezeichneter Ford Sierra oder Japaner wie den Mazda 626.
Ab Januar 1985 wurde der Santana im Zuge des Passat-Facelifts zum "Passat Stufenheck". Als Flop sollte man den VW Santana dennoch nicht abtun. Schließlich brachte VW die dritte Generation des Passat nur als Stufenheck und Kombi. Und in anderen Ländern wurde der Santana zum Verkaufsschlager. Zeitweise produzierten ihn zeitgleich Werke in neun Ländern rund um den Globus.
In Brasilien wurde der Santana von 1984 bis 2006 gebaut und entwickelte sich dort zum erfolgreichsten Wagen der oberen Mittelklasse. Dort gab es den Santana auch mit zwei Türen, eine Variante, die in Europa nie angeboten wurde. Zur Zeit der Autolatina, einer strategischen Kooperation von VW und Ford, wurde der Santana mit stilistischen Modifikationen zum Ford Versailles und Royale, der erstere eine viertürige Limousine, letzterer ein zweitüriger Kombi.
Von Februar 1984 bis 1990 wurde der Santana von Nissan in Japan in Lizenz produziert. Die dortigen Fahrzeuge wurden von Nissan-Händlern verkauft und wurden aus Teilen größtenteils japanischer Produktion zusammengebaut, die neben Volkswagen- und Audi-Logos auch das Nissan-Logo zeigen.
Legendär wurde der VW Santana aber in China. Dort gibt es diesen Modellnamen noch heute im Programm, wenngleich an einen völlig neuen Auto. 1983 wurde der erste Santana bei Shanghai-Volkswagen (heute SAIC-Volkswagen) noch aus CKD-Sätzen montiert, 1985 begann die Fertigung in Eigenregie. 1995 erfolgte ein Facelift zum "Santana 2000", 2004 zum "Santana 3000". Besonders als Taxi beliebt, zählte das Modell noch 2010 zu den meistgebauten Autos in China.
Über 3.000.000 Exemplare des "originalen" VW Santana auf Basis des Modells von 1981 wurden im Reich der Mitte gebaut. Ein Flop war der Passat mit Stufenheck also in keinster Weise.