Ich gebe es zu: Der Job als #ikonenbrandt bringt gewisse Vorteile mit sich. Zum Beispiel, seinen Traumwagen bewegen zu können. Vor über 30 Jahren war nicht nur für mich der Porsche 959 ein Auto vom anderen Stern. Neben dem Ferrari F40 der feuchte Traum eines jeden Mannes. Für die Jüngeren unter euch: Als wäre der gesamte Fuhrpark von „Forza“ und „Gran Turismo“ in einem Auto vereint. Zu einer Zeit, als schon Tachos bis 220 für uns „geil“ (das Wort hasste meine Mutter!) waren, sorgten die Eckdaten des normalen 959 für glänzende Augen: 3,7 Sekunden auf 100 und 317 km/h Spitze.

Doch S-GO 9590 ist kein normaler 959. Der fehlende Beifahrer-Außenspiegel, Kurbelfenster und der Verzicht auf eine Klimaanlage verraten dem Kenner: Hier steht die nur 37-mal gebaute S-Version mit größeren Turboladern und höherem Ladedruck. Es wird noch exklusiver: Exakt dieser Wagen wurde 1988 für Hochgeschwindigkeittests in Nardo optimiert. Fahrgestellnummer WPOZZZ95ZHS900017 haute seinerzeit 516,8 PS raus und kam auf 339 km/h. Schluck! Wenn ich hier nicht aufpasse, wirft man mich glatt in die Baugrube von Stuttgart 21. Mit Schuhen aus Beton.

Die Geschichte des Mega-Elfers (stehende Pedale und das Cockpit verraten die Gene) beginnt 1982, als Porsche sich Gedanken um ein Auto für die Rallye-Gruppe-B machte. Ganz genau. Jene Gruppe mit Audi quattro, Peugeot 205 und dem irren Mittelmotor-MG-Metro. Heraus kam nach einer Studie auf der IAA 1983 der erste Serien-Pkw mit Registeraufladung. Nüchtern ausgedrückt: Sechs Zylinder, 2,85 Liter Hubraum, natürlich Boxermotor, zwei Turbos und 450 PS plus Allradantrieb.

Verpackt in einer 4,26 Meter langen, vor Testosteron strotzenden Hülle. 1987 begann die Verteilung an handverlesene Kunden mit damals sagenhaften 420.000 DM auf dem Festgeldkonto. Einziges Problem: Die Gruppe B war da bereits tot. Zwar siegt der 959 bei der Rallye Paris-Dakar und holt als modifizierter 961 in Le Mans einen siebten Platz, doch letztlich kostete jedes der insgesamt 337 gebauten Serienfahrzeuge die Firma Porsche angeblich 1,3 Millionen Mark. Sogar Mathe-Legastheniker wie ich merken: Ein nicht wirklich gutes Geschäft.

Porsche 959

Für 1991 plante Porsche den 969 (interner Name 965), der wie ein rundlich geglätteter 959 aussah. Die Eckdaten: 3,5 Liter Hubraum, zwei Turbolader, 370 PS und ein Preis von 210.000 DM. Zweifel am Absatz von 2500 Exemplaren jährlich killten das Projekt. Als Ersatz gab es später den neuen 911 Turbo mit 3,6 Liter Hubraum und 360 PS.

Rückblickend bin ich aber auf Knien dankbar, dass der 959 erschaffen wurde. Ein mit (damaligem) Hightech hochgerüsteter Wagen, bei dem öfters mal eines der unzähligen Lämpchen im Cockpit aufblinkt. Kein Wunder, ist der 959 doch quasi eine Saturn-V-Mondrakete mit der überschaubaren Elektronik eines Commodore 64. Hat man sich erstmal daran gewöhnt, dass der zweite Gang eigentlich der erste ist und links unten liegt, fährt sich der 959 überraschend zahm und klingt dabei typisch elferig. Aber unter 2.000 Umdrehungen tut sich wenig.

Porsche 959

Doch wehe, du trittst auf den Pinsel. Beim seufzenden Pfeifen des ersten Turboladers bei 3.000 Touren denke ich: Netter Schub, da geht was. Ab etwa 5 000 Umdrehungen setzt der zweite Turbo ein und alle meine Sinne sind plötzlich hellwach: LECKOMIO! Heiliges Kanonenrohr! Insgeheim bete ich, dass es vor mir a) frei, b) gerade und c) halbwegs trocken ist. Alles um mich herum verengt sich in gefühlter Lichtgeschwindigkeit zu einem Tunnel.

Um den Effekt deutlich zu machen: 1988 wurde der Sprint von null auf 225 km/h in 19,9 Sekunden gemessen. Walter Röhrl sagte mal: „Beim Beschleunigen müssen die Tränen der Ergriffenheit waagerecht zum Ohr hin abfließen.“ Wie recht er doch hat.

Apropos Röhrl: Jeder 959-Besitzer bekam eine Cassette mitgeliefert, auf der Walter eine Einweisung gab. Ich mag mir kaum vorstellen, was diese Mondrakete auf Rädern in der Gruppe B alles hätte anstellen können. Wie sehr der 959 seiner Zeit voraus war, zeigt die Tatsache, dass erst 20 Jahre später der 911 Turbo (997) auf gleiche Werte in der Beschleunigung kam. So bleibt der 959 quasi ein Bugatti Chiron der 1980er: Unfassbar schnell, unfassbar teuer, nicht unbedingt schön, aber ein Monument des technisch Machbaren.

Porsche 959

Das bis heute finanziell für mich Machbare sind die drei 959-Modellautos von Siku, Matchbox und Bburago, die ich auf dem fettem Flügel des echtem 959 parke. Mit 10 Jahren hätte ich mir das niemals erträumen können. Ein 959, zumal als S-Version, bleibt aber so fern wie andere Galaxien: 1,5 Millionen Euro dürften realistisch sein.

Bildergalerie: Porsche 959 S (1988)

Bild von: Fabian Grass