Bestimmt kennen einige von euch „Mad Men“, die coole US-Serie über eine New Yorker Werbeagentur der 1960er-Jahre. Dort spült sich die Führungsetage mit Hochprozentigem morgens den Schlaf aus dem Schädel und bei Besprechungen wird grundsätzlich geraucht. Vielleicht nicht ganz so lässig, aber doch ähnlich ging es zu jener Zeit in der Bundesrepublik zu: Wer es zum „Wirtschaftskapitän“ geschafft hatte, rief „Fräulein Erika“ zum Diktat. Gleichberechtigung herrschte bestenfalls im Getränkeschrank zwischen Dujardin und Asbach Uralt.

Und die Direktoren zeigten ihren Wohlstand mit einem Mercedes oder Opel. Richtig gelesen: Damals lagen beide Marken bei den Verkäufen in der Oberklasse auf Augenhöhe. Passenderweise hießen die dicksten Opel auch noch „Kapitän“. Das änderte sich 1964: Zum Kapitän gesellten sich der Admiral und der Diplomat.

Letzterer unterschied sich durch seinen serienmäßigen V8, ansonsten half manchmal nur das Typenschild am Heck bei der Differenzierung. Wer sich wirklich von der Masse abheben wollte, bekam zwischen 1965 und 1967 echte Exklusivität. Bei Karmann entstand unser Diplomat V8 Coupé. Stets an Bord waren ein mächtiger Motor mit 5,4 Liter Hubraum und vier elektrische Fensterheber. Damit können die rahmenlosen Seitenscheiben komplett versenkt werden, was dem Wagen dank Vinyldach den Hauch einer Cabrio-Optik schenkt.

Im Jahr 1977 endete die Geschichte des Opel Diplomat nach zwei Generationen. Dabei war Nummer drei schon recht weit gediehen. Die Frontpartie ähnelte dem späteren Manta B. Leider grätschte die Ölkrise 1973 beim Diplomat C voll dazwischen.

Opel Diplomat V8

Unübersehbar baut sich der zweitürige Diplomat vor mir auf. Ja, das ist noch ein echtes Coupé und kein plattgedrücktes SUV. 4,95 Meter Länge und 1,90 Meter Breite machen unmissverständlich klar, wer hier das Sagen hatte: Detroit, nicht Rüsselsheim. Mit amerikanisch wirkenden Karosserien war Opel lange erfolgreich gewesen, doch die neue Luxusbaureihe stand zwischen den Stühlen. Sie war deutlich größer als der Vorgänger, gleichzeitig aber weniger prunkvoll. Möglicherweise war auch der unter einer Haube von der Größe einer Tischtennisplatte verbaute V8 zu viel des Guten.

Mit über 50 Jahren Abstand jedoch machen alle diese Punkte genau den Reiz des Diplomat Coupé aus. Der Achtzylinder wirkt in seinem Abteil wie der 45-PS-Motor eines damaligen Kadett. Ich versinke in den aufpreispflichtigen Ledersitzen, von denen jeder fast als Sofa durchgehen würde und blicke auf ein geradliniges Armaturenbrett mit Bandtacho. Verdammt, wo ist mein schwarzer Anzug samt schmalem Schlips und passendem Hut? Der V8 faucht beim Anlassen kurz auf, beim Gasgeben grollt er von außen an mein Ohr. Kein Wunder, ist doch der „Big Block“ eine Ableitung aus der Corvette.

Opel Diplomat V8

Vier Carter-Vergaser gurgeln ähnlich viel Hochprozentiges wie Don Draper und seine Kollegen. 20 Liter auf 100 Kilometer? Kein Problem. Ich lege die erste Stufe der Zweigang-Automatik (!) ein, mit einem Ruck rollt der Diplo vorwärts. Recht früh zeigt sich, dass flotte Kurvenfahrten nicht das Ding des Coupés sind. Die starke Seitenneigung lässt mich hin- und herrutschen, der dünne Lenkradkranz ist keine echte Hilfe.

Stellt euch vor, ihr würdet direkt mitsamt eurem Fernsehsessel hinters Lenkrad gebeamt. Genauso ist das Fahren im exklusivsten Opel Diplomat. Ganz zart nur umfassen meine Finger das zierliche Lenkrad. Wilde Kurbelei bringt sowieso nichts, da Richtungsentscheidungen ungefähr so lange dauern wie in der Politik. Auf Landstraßen fühlen sich der V8 und ich am wohlsten – der Motor lässig im Teillastbereich und perlende Fahrstuhlmusik im Ohr.

Vielleicht haben es die lediglich 347 Käufer des Diplomat Coupé genauso gemacht. Kaum ein anderer Opel ist so selten. Warum orderten ihn so wenige? Nun, mit 26.000 Mark war der Opel teurer als ein Porsche 911 oder Mercedes 230 SL. Und intern lagen gut 8.000 Mark zwischen Limousine und Coupé. Dafür gab es schon einen 1700er-Rekord. Für Fräulein Erika. Aber pssst! Diplomatengeheimnis!

Bildergalerie: Opel Diplomat V8

Bild von: Fabian Grass