Wir überlegen gerade ziemlich angestrengt, wann wir das letzte Mal an der Tankstelle von einer wildfremden Person ein Kompliment für einen kompakten Kombi bekommen haben. Einen wirklich stinknormalen kompakten Kombi. Kein Sondermodell, kein Tuning. Wir kommen nicht drauf. Wieso wir darüber nachdenken? Weil uns eben genau dies kürzlich mit dem Opel Astra Sports Tourer in "Kobalt Blau" und der "Ultimate"-Vollausstattung passiert ist.
Sieht gut aus ... und sonst?
Klingt komisch? Allerdings! Aber es mag vielleicht daran liegen, dass wir mit unserem Dauertest-Fahrzeug meistens im erweiterten Einzugsgebiet von Rüsselsheim unterwegs waren und dort die Opel-Sympathien ausgeprägter sind als im Rest von Deutschland. Oder die Auto-Republik ist sich einfach mal einig, dass dieses Fahrzeug im Gegensatz zu seinem ewigen Konkurrenten aus Wolfsburg schlichtweg besser und aufregender aussieht?!



Kann sein. Beides. Aber weil ein gutes Design erst einmal nur Eindruck macht und die ansprechende Optik für viele Interessentinnen und Interessenten nur ein erster starker Grund für weitere Schritte in Richtung Kauf- oder Leasingabschluss ist, muss am Ende dann doch das Gesamtpaket stimmen. Und ob das bei der L-Generation des Astra Sports Tourer der Fall ist, konnten wir nun über einen Zeitraum von drei Monaten herausfinden ...
Dabei soll es in diesem zweiten und abschließenden Testbericht darum gehen, wie viel "Sports" eigentlich in diesem "Tourer" steckt. Der Name verpflichtet ja zumindest so ein bisschen. Im ersten Teil waren wir nämlich auf wenig sportlicher Langstreckenverbrauch-Mission mit dem ebenfalls 130 PS starken 1,5-Liter-Diesel-Vierzylinder unterwegs. Was dabei herausgekommen ist, liest man übrigens HIER.
Mehr Chrom, mehr Technik, mehr Preis
Jetzt aber zu unserem neuen Testwagen, der durch die reichhaltige "Ultimate"-Ausstattung nicht nur mit sportlicher gestalteter Frontschürze vorfährt, sondern der auch durch den etwas inflationären Einsatz von Chrom an den Fensterrahmen oder um die LED-Scheinwerfer im Vizor ein klein wenig auf Edelmann machen will. Wem es gefällt, der wird damit glücklich.


Uns hat allerdings die schlichtere "Enjoy"-Basisausstattung besser gefallen. Zumindest wenn wir das Exterieur betrachten. Im Innenraum sagt uns die serienmäßige Alcantara-Ausstattung allerdings deutlich eher zu. Für 2.310 Euro würde es auch Leder geben. Vermissen wir aber überhaupt nicht.
Ansonsten gibt es aber nahezu keine Unterschiede bei der Interieur-Gestaltung. Technisch allerdings schon. Uns fällt die 360-Grad-Kamera auf, der elektrisch verstellbare Fahrersitz und ... das Head-up-Display. Sinnvolle Extras, die wir gerne nutzen, wenn sie schon einmal verbaut sind, die wir im Basis-Sports Tourer aber auch nicht wirklich vermisst haben.

39.930 Euro verlangt Opel mindestens für den Astra Sports Tourer mit den "Ultimate"-Plaketten am unteren Kotflügel hinter den Vorderrädern. Mehr als 10.000 Euro weniger sind es für das Basismodell. Dort fehlt aber vor allem eines. Der jetzt getestete Antrieb. Also ... Abfahrt.
Gleiche Leistung, weniger Drehmoment
Anders als beim 1,5-Liter-Diesel handelt es sich bei dem 1,2-Liter-Turbobenziner um einen Drei- und nicht um einen Vierzylinder. Die Achtgang-Automatik ist aber identisch und auch der Frontantrieb bleibt gleich. Eine weitere Gemeinsamkeit ist die Leistung, die bei beiden Antrieben bei 130 PS liegt. Allerdings liegt dieser Maximalwert beim Benziner deutlich später an. Erst bei 5.500 U/min. Beim Diesel schon bei 3.750 U/min. Das Drehmoment ist beim Dreizylinder-Otto ebenfalls niedriger. Wir müssen mit nur 230 Nm zurechtkommen und können nicht auf 300 Nm zurückgreifen. Jeweils ab 1.750 U/min.

Dafür ist der 130-PS-Benziner-Sports Tourer mit seinem Leergewicht von 1.421 kg aber 62 kg leichter als das Diesel-Pendant. Und weil der Motor mit den Zündkerzen zusätzlich etwas drehfreudiger ausfällt, gelingt der Spurt von 0-100 km/h unter zehn Sekunden. In 9,9 Sekunden um genau zu sein. Er ist also 1,1 Sekunden schneller auf Landstraßentempo als der Selbstzünder. Und er ist insgesamt schneller. 2 km/h. Er schafft 210 km/h in der Spitze während es sich bei 208 km/h schon ausgedieselt hat.
Direkter, aber nicht unbedingt schnell
Marginale Unterschiede ... stimmt. Und die merkt man im normalen Betrieb und vor allem auf der Geraden überhaupt nicht. Interessant wird es aber, wenn kurvige Landstraßen auftauchen, denn hier hat die mit weniger Gewicht belastete Vorderachse des Benziners einen ungemeinen Performance-Vorteil gegenüber dem Diesel. Er fühlt sich deutlich leichtfüßiger an, gibt eine präzisere und besser kontrollierbare Rückmeldung ans Lenkrad, taucht beim starken Bremsen weniger stark ab und stabilisiert sich nach der Kurve erheblich schneller.


Ebenfalls direkter ist das Ansprechverhalten des Benziners und gerade im Sport-Modus kann man sogar der Wandler-Automatik gewisse Ambitionen in Sachen Schnelligkeit entlocken. Trotzdem müssen wir uns hier nichts vormachen ... ein Performance-Kombi ist ein so motorisierter Astra Sports Tourer nicht. Er ist agil, ja, aber wenn die Kurve endet und man satt herausbeschleunigen will, fehlt der Punch.
Ein Astra GSe mit 225 PS und 360 Nm Drehmoment kann das besser. Allerdings fehlt ihm dann Aufgrund des höheren PHEV-Gewichts wieder das Quäntchen an Agilität. Und schon vermissen wir einen Golf GTI. Den es aber auch nicht als Kombi gibt. Marktlücke.
So zurückhaltend die Fahrleistungen des Astra Sports Tourer aber auch sein mögen, so entspannt bleibt der Verbrauch. Zwar erreichen wir nicht die Traumwerte des Diesels aus dem ersten Langstrecken-Teil, aber mit ein wenig Feingefühl sind immer noch locker Werte unter der 6,5-Liter-Marke auf 100 km drin. Wenn man es darauf anlegt, kann man aber auch entspannt über 8 Liter durch die Brennräume jagen.
Fazit:
Ein tolles und auffälliges Design, ein ansprechender Innenraum mit viel Platz für Passagiere und Gepäck sowie ein gut geschnürtes Technik-Paket zu ansprechenden Preisen. Würden wir also einen anderen Kompakt-Kombi dem aktuellen Opel Astra Sports Tourer vorziehen? Beim Blick auf die deutsche Konkurrenz wahrscheinlich nicht. Wenn man offen für Modelle aus dem fernen Osten ist, könnte man aber zumindest mal darüber nachdenken.
Ist die Entscheidung getroffen, kommt es zur Antriebs- und Ausstattungswahl. Das ist schwieriger. Bei der Ausstattung reicht mit dem einen oder anderen Zusatzkreuz bei der Bestellung auch die "Enjoy"-Ausstattung. "Ultimate" muss nicht sein. Der Königsweg könnte wohl das dazwischen liegende "GS" sein. In jedem Fall muss es aber die Automatik sein. Darüber hinaus würden wir uns wahrscheinlich eher mit dem extrem sparsamen Diesel anfreunden, der akustisch zwar präsent ist, aber der durch seinen Zylinder mehr am Ende nicht wirklich unangenehmer ist als der Benziner.
Bildergalerie: Opel Astra Sports Tourer 1.2 Benziner (2023) im Dauertest
Opel Astra Sports Tourer 1.2 Benziner 8AT (2023)