Beim neuen Opel Astra Sports Tourer hat man die Qual der Wahl, wenn es um die Frage des Antriebs geht. Den kompakten Kombi gibt es mit Benziner, Diesel, als Plug-in-Hybrid oder auch als vollelektrische Variante. Wenn man nah am Basispreis bleiben will, empfiehlt sich das Otto-Modell und deshalb wollten wir genau dieses Derivat für unseren Dauertest. Um herauszufinden, ob man auch mit einem Einstiegs-Astra ST zurechtkommen kann. Eigentlich.

Benziner, Diesel, was jetzt?

Dann rollte der in "Kristall Silber Metallic" lackierte Testwagen in der Ausstattungslinie Enjoy vor gut einem Monat auf den Hof und der erste Gedanke, der uns in den Kopf schießt: Wieso zur Hölle klingt dieser 3-Zylinder-Benziner so unglaublich rau? Motorhinweise liefert Opel auf der Heckklappe nämlich nicht mehr.

Nach der vollzogenen Übergabe riskieren wir dann einen Blick in den Innenraum und auf den Drehzahlmesser, dessen roter Bereich extrem früh anfängt, sowie die Reichweitenanzeige, die einen Wert von über 900 km attestiert. Das kann kein Benziner sein. Und auch kein Dreizylinder. Es ist ein Diesel-Astra. Mit 130 PS, 1,5-Liter-Vierzylinder, 8-Gang-Automatik und Frontantrieb.

Opel Astra Sports Tourer 1.5 Diesel (2023) im Dauertest, Teil 1
Opel Astra Sports Tourer 1.5 Diesel (2023) im Dauertest, Teil 1

Kaum haben wir den Selbstzünder-Schock verdaut, meldet sich das E-Mail-Postfach. Pling. Der Inhalt der neuen Nachricht: Das eigentlich für uns vorgesehene Fahrzeug hatte am Tag zuvor ein Malheur in einer Waschstraße. Riss in der Frontscheibe. Eher suboptimal. Der Diesel soll als Ersatz dienen, bis im Laufe der Woche das eigentliche Modell repariert und ausgetauscht werden kann.

Opel Astra Sports Tourer 1.5 Diesel (2023) im Dauertest, Teil 1

Wir überlegen kurz, schauen in unseren Terminkalender und stellen fest, dass so ein vermeintlich reichweitenstärkerer und verbrauchsärmerer Diesel vielleicht ganz gut ins Fahrprofil der kommenden Wochen passt. Wir wollen ihn behalten. Vorerst.

Neuer Tauschtermin zurück auf den Benziner? Ende September. Und was machen wir bis dahin? Ganz einfach: einen laaaaangen Langstrecken-Test. Kann der kompakte Kombi da überzeugen und den anderen Außendienst-Autobahnbombern das Fürchten lehren? Finden wir es heraus ...

Was steht denn jetzt an?

Verdammt viele Kilometer stehen an. Jeweils aus dem Rhein-Main-Gebiet nach Wolfsburg, Braunschweig, Düsseldorf und Karlsruhe. Drei Mal davon alleine mit Sturm- und einmal mit ordentlich Reisegepäck. Dann für zwei Personen. Für eine Woche. Plus Sportgeräte in Form von reichlich Angelequipment.

Opel Astra Sports Tourer 1.5 Diesel (2023) im Dauertest, Teil 1

Zugegeben: Dabei spielt das Kofferraum-Argument natürlich nur eine untergeordnete Rolle, denn egal ob man jetzt einen (Nikolaus) Otto oder einen Rudolf hinter dem schicken Vizor und unter Motorhaube mit Retro-Erhöhung in der Mitte hat ... das Volumen des Astra Sports Tourer bleibt gleich. 

597 bis 1.634 Liter gehen rein. Das reicht locker, wie wir feststellen. Auch für die Baumarktbesuche zwischendurch. Oder Kinderwagen. Oder allwöchentliche Getränkekisten-Orgien.

Opel Astra Sports Tourer 1.5 Diesel (2023) im Dauertest, Teil 1

Der entscheidende Unterschied sind die Fahrstrecken, die sich auf insgesamt rund 2.500 Kilometer summieren. Bei einem WLTP-Durchschnittsverbrauch von 5,0 l/100km im 1.5 Diesel sollten also theoretisch etwa 125 Liter durch die vier Brennräume gejagt werden. Mit dem ebenfalls 130 PS starken 1,2-Liter-Dreizylinder-Benziner wären es rein rechnerisch rund 145 Liter.

Vorausgesetzt, der kombinierte WLTP-Wert von 5,8 l/100km ließe sich halten. Beide Modellrechnungen würde bei beiden Modellen trotzdem mindestens zwei Tankstopps (beim Benziner aber eher drei) bedeuten. Etwas mehr als 50 Liter gehen nämlich jeweils in die fest verbauten Spritkanister.

Theorie schön und gut ... wie ist die Praxis?

Also ... Abfahrt. Und dabei wollen wir den Hobby-Rennfahrern in Form von stets gestressten Business-Personen alle Ehre erweisen. Wenn es die Verkehrsverhältnisse und die Tempolimits erlauben. Heißt übersetzt: Vollgas, wenn es geht. Und das geht erstaunlicherweise relativ oft, weil wir größtenteils antizyklisch unterwegs sind.

Trotzdem sind wir nie die wirklich schnellsten auf der Bahn mit unserem dieselnden Astra Kombi. Denn auch wenn er "Sports" im Namen hat, reichen die 130 PS und 300 Nm maximales Drehmoment nur selten, um wirklich die Höchstgeschwindigkeit von 208 km/h zu erreichen.

Opel Astra Sports Tourer 1.5 Diesel (2023) im Dauertest, Teil 1
Opel Astra Sports Tourer 1.5 Diesel (2023) im Dauertest, Teil 1

Die tolle 8-Gang-Automatik gibt sich zwar Mühe, das Aggregat so gut es geht in den leistungs- und drehmomentstärksten Drehzahlbereichen zu halten, aber am Ende fehlen für das volle Dienstwagen-Glück (und eine 0-100-km/h-Zeit von unter 10 Sekunden) mindestens 20 PS und bestimmt 50 Nm Drehmoment.

Selbstzufrieden wird man dann erst, wenn man nach rund 850 km mit noch knapp 150 km Restreichweite auf der Uhr eine Tankstelle anfährt, um nachzufüllen. 5,4 l/100km brauchten wir im Schnitt. Wie erwähnt mit extrem schwerem Gasfuß.

Deshalb wollen wir es auf einer der Etappen wirklich wissen und halten uns an die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h. Fahren besonders vorausschauend und beschleunigen so sanft wie möglich. Das Ergebnis? 4,3 l/100km. Wahnsinn. Und so scheint uns – mit noch mehr Zurückhaltung und Geduld – auch ein Wert unter der 4-Liter-Marke realistisch.

Was ist gut auf langen Etappen, was ist schlecht?

Gute Dinge, die uns das Leben an Bord deutlich leichter machen, sind der tadellos funktionierende Spurhalteassistent mit Abstandstempomat, Apple CarPlay, welches reibungslos über Bluetooth funktioniert, die einfache Bedienung der Klimaanlage über die echten Knöpfe unterhalb des Infotainment-Bildschirms und die bequemen AGR-Sitze, die sich gefühlt aber erst nach rund 500 Kilometern so richtig an den Rücken angepasst haben.

Opel Astra Sports Tourer 1.5 Diesel (2023) im Dauertest, Teil 1

Nicht so gut gefallen hat uns die kabellose Ladeschale für das Smartphone, die a) extrem tief in der vorderen Ablage der Mittelkonsole sitzt und die b) unser iPhone 12 mini quasi überhaupt nicht an Ort und Stelle hält, sodass wir es nach wenigen Kilometern aufgeben und lieber über einen der beiden USB-C-Anschlüsse laden.

Das bei hohen Geschwindigkeiten etwas zur Schwammigkeit neigende Fahrwerk ist ebenfalls gewöhnungsbedürftig. Und die doch sehr präsenten Windgeräusche ab rund 150 km/h könnten empfindlichen Ohren auf die Nerven gehen. 

Und die Preispolitik?

Die kann sich wieder durchweg sehen lassen. 33.131 Euro würde unser Enjoy-Testwagen mit der Motorisierung in der Basis kosten. Und mit den verbauten Extras landen wir immer noch bei einem Preis von unter 40.000 Euro.

Wir vermissen bei extrem viel betriebener Grundlagenforschung im letzten Monat da eigentlich nichts. Außer vielleicht die Matrix-LED-Scheinwerfer, die nach unseren Erfahrungen gegenüber dem automatischen LED-Fernlicht die deutlich bessere Wahl darstellen.

Fazit

Positiv. Wir sind – so blöd es klingt – im Nachhinein ziemlich froh darüber, dass unser eigentlicher Testwagen von einer Waschstraße malträtiert wurde und wir so in den Genuss eines günstigen Langstrecken-Bombers mit viel Potenzial gekommen sind in dem man für kleines Geld und mit viel Komfort auch mal größere Distanzen mit einer Tankfüllung und auf einer Pobacke absitzen kann.

Wie fahraktiv ein Kompakt-Kombi aus Rüsselsheim sein kann, klären wir dann im nächsten Teil unseres Dauertests ... wenn wir auf den PS-identischen (aber leichteren und mit weniger Drehmoment gesegneten) Benziner tauschen.

Bildergalerie: Opel Astra Sports Tourer 1.5 Diesel (2023) im Dauertest, Teil 1

Opel Astra Sports Tourer 1.5 Diesel

Motor 1.498 ccm / 4-Zylinder-Turbodiesel
Getriebeart 8-Gang-Automatik
Antrieb Frontantrieb
Leistung 130 PS (bei 3.750 U/min)
Max. Drehmoment 300 Nm (bei 1.750 U/min)
Beschleunigung 0-100 km/h 11,0 Sek.
Höchstgeschwindigkeit 208 km/h
Verbrauch 5,0 l/100km (WLTP, kombiniert) // 5,1 l/100km (durchschnittlicher Testverbrauch)
Emission 131 g/km (WLTP, kombiniert)
Länge 4.645 mm
Breite 1.860 mm
Höhe 1.474 mm
Leergewicht 1.483 kg
Zuladung 497 kg
Anhängelast 1.500 kg (gebremst bei 12% Steigung)
Kofferraumvolumen 597 – 1.634 Liter
Anzahl der Sitze 5
Basispreis 33.131 Euro (inkl. Überführung)