Mit Entsetzen blickten große Teile der Motor1.com-Redaktion am Tag der Testwagen-Anlieferung auf die Unmengen an Weiß in der Garage. Ach kommt schon Volkswagen, echt jetzt? Zweimal Golf im unschuldigen Zwillingslook für unseren Vergleichstest? Vielleicht schafft ihr es ja noch, für die Fotoaufnahmen ein bisschen Schneesturm zu bestellen, um unseren geschätzten Fotografen Fabi endgültig in den Wahnsinn zu treiben.
Aber gut, wer sich ein wenig anstrengt, kann auch einen weißen Golf GTI Clubsport von einem weißen Golf R unterscheiden. Umfragen unter Kollegen/Freunden/Verwandten ergaben, dass der 8er sicher nicht als der schönste aller Gölfe in die Geschichte eingehen wird. Sie ergaben auch, dass der Clubsport mehr hermacht als der deutlich teurere R.



Clubsport-Badges sucht man beim Clubsport übrigens vergebens. Dafür kriegt man ein Maul von epochalem Ausmaß. Der als Frontschürze getarnte Mammut-Lufteinlass schindet schon ordentlich Eindruck. Zudem füttert er den größeren Ladeluftkühler (im Vergleich zum Standard-GTI) mit viel frischer Nahrung. Dazu gibt es ein etwas dürftiges Aufkleber-Schauspiel auf den Flanken, größere Auspuffendrohre und einen beeindruckend langen Heckspoiler.
Letzteren gibt es beim R auch, zumindest, wenn man das 2.265 Euro teure Performance-Paket bucht, das auch den ominösen Drift-Modus und die Anhebung der Vmax auf 270 km/h beinhaltet. Ansonsten sieht das Topmodell fast schon enttäuschend normal aus. Ich weiß, das ist Teil der Philosophie, aber ein bisschen mehr "R"ennsport würde dem R sicher nicht schaden. Optisch fragwürdig (wer hat die Endrohre nur so furchtbar weit auseinander gezogen?) und klanglich ohne nennenswerten Mehrwert ist der optionale Akrapovic-Endschalldämpfer. 3.800 (!!!) Euro, die man sich getrost sparen kann.
Der Clubsport verkörpert also mehr die Krawallnudel. Er soll, so gut das die gutbürgerlichen VW-Grenzen eben erlauben, in die Hot-Hatch-Extreme um Honda Civic Type R und Hyundai i30 N reinmanövrieren, wird sicher auch einem Renault Mégane R.S. schmerzliche Marktanteile abluchsen. Und während der Standard-GTI einmal mehr etwas arg routiniert geraten ist, sehen wir hier wohl das Auto, dass die Ingenieure wirklich bauen wollten.
Hier steht schon mehr als ein GTI mit einem Plus an Dampf (55 PS und 30 Nm mehr, um genau zu sein). Der Clubsport ist tiefer, straffer, hat größere aber leichtere Bremsen, mehr Negativ-Sturz an der Vorderachse und eine anspruchsvollere Differenzialsperre - quasi ein mechanisches System, das aber von einem zentralen Computer gesagt bekommt, wie es die Kräfte zwischen den Vorderrädern verteilen soll.


Serienmäßig sitzt er auf passiven Dämpfern, aber die 1.045 Euro für das adaptive DCC-Fahrwerk sind - wie im R - gut angelegtes Geld. Nicht nur, weil Sie damit einen Nürburgring-Fahrmodus bekommen, mit dem Sie hervorragend vor Ihren Freunden angeben können, sondern vor allem, weil es dem Auto eine wesentlich größere Bandbreite an Fahr- und Komforteigenschaften gibt.
Der Clubsport wiegt mit Fahrer 1.461 Kilo und damit genau 90 Kilo weniger als der allradelnde Golf R. Bei der Motorleistung nehmen sich die beiden nicht viel. Die Elektronik des ewigen EA888-Zweiliter-Turbo darf im R-Golf 20 PS und 20 Nm mehr freigeben. Die Traktionsvorteile bescheren ihm knapp eine Sekunde Vorsprung von 0-100 km/h. Von da an dürften die beiden etwa gleich auf liegen. Beide fühlen sich bis in die Topspeed-Region so durchschlagskräftig an, wie man es von einem 300+-PS-Hatch erwarten würde.
Die Maschine zählt, wir kennen das ja inzwischen aus gefühlt tausenden von Anwendungen, nicht zu den aufregendsten Leistungsentfaltern, dafür geht der sehr gleichmäßige, nicht so arg spielerische Charakter mit jeder Menge Schub und Vorwärtsdrang einher. Das ist schon alles sehr sehr gut, keine Frage. Unabhängig von der Beschleunigung auf dem Papier macht das Aggregat im leichteren Clubsport den etwas willigeren, dringlicheren Eindruck.
Klanglich tischen uns beide Gölfe eher lauwarme Kost auf. Wer auf Sound steht, der künstlicher aufgepumpt ist als eine Strandparty in Miami Beach, der kann natürlich in den Sport-Modus schalten (noch übler wird es im R-Modus des Golf R) und kriegt dann über die Speaker undefinierbare Töne in die Ohren, die vermutlich maskuline Sportlichkeit vermitteln sollen. Dazu kommt das übliche Flatulieren des Auspuffs beim Gaswegnehmen. Aber gut, so ist das heutzutage eben.
Modell | VW Golf GTI Clubsport | VW Golf R |
Leistung | 300 PS/400 Nm | 320 PS/420 Nm |
Antrieb | Vorderradantrieb | Allradantrieb |
0-100 km/h | 5,6 Sekunden | 4,7 Sekunden |
Vmax | 250 km/h | 250 km/h |
Gewicht | 1.461 Kilo | 1.551 Kilo |
Reifen im Test | 235/35/19 Bridgestone Potenza | 235/35/19 Michelin Pilot Sport Cup 2 |
Verbrauch | Norm: 7,4 Liter; Test: 9,1 Liter | Norm: 7,8 Liter; Test: 9,4 Liter |
Basispreis | 41.265 Euro | 49.260 Euro |
Testwagenpreis | 50.175 Euro | 67.205 Euro |
Auch wenn der Golf R mehr Masse und weniger der klassischen Track-Hooligan-Attribute mit sich herumschleppt, ist er, was die fahrdynamischen Möglichkeiten anbelangt, vermutlich das interessantere Produkt. Das immer etwas stumpf und dröge wirkende Haldex-Allradsystem seiner Vorgänger ist nämlich Geschichte. Stattdessen steuert Zulieferer Magna nun eine Lösung mit zwei Kupplungen an der Hinterachse bei, die die Kräfte nicht nur von Nord nach Süd, sondern auch zwischen Ost und West verteilen. Wir kennen das aus dem Mercedes-AMG A 45 oder dem Ford Focus RS.
Der neue Allrad demonstrierte seine Stärke bereits beim Test des Tiguan R. Im Golf R kommen die Vorteile naturgemäß noch besser zum Tragen, wenn auch nicht ganz so deutlich, wie erwartet. Nach den überraschend positiven Erfahrungen mit dem Tiguan machten wir uns berechtigte Hoffnungen, dass sich der deutlich flachere, leichtere, von allen SUV-Zwängen befreite Golf nur so in unsere Herzen tänzeln und torquevectorn würde.
"Für mich wirkt der Golf R als Fahrerauto stimmiger und interessanter als der GTI Clubsport."
In Wirklichkeit haben die R-genieure dann doch keinen wild feiernden Halodri entwickelt, einfach nur ein sehr gutes, sehr seriöses, auf den Punkt eingestelltes Auto, das jedoch mehr fahrdynamische Tiefe besitzt, als jeder seiner Vorgänger. Damit sollte man auch als ambitionierter Fahrer sehr gut leben können.
Der neue Golf R widersteht dem seltsamen Hype, sportliche Performance mit brachialer Härte oder hyperaktivem Einlenkverhalten gleichzusetzen. Schiebt man im Bildschirmmenü den Balken der Dämpferhärte irgendwo links von "Sport", geht es relativ gediegen zu. Und die Lenkung ist weiß Gott nicht besonders schnell, aber ehrlich gesagt überraschend stimmig.
Es wird zu einem Gutteil auch an den einmal mehr herausragenden Michelin Cup 2-Pellen liegen, die man auf 19-Zöllern für 1.000 Euro Aufpreis bekommt, aber das Gespür für die Handlungen der Vorderachse ist definitiv gegeben. Zudem drückt das Heck in Kurven gut mit. Nicht aggressiv, einfach nur so, dass ein agiles, kompaktes Fahrverhalten entsteht.

Auch dieser Golf R vermittelt kein nervenkitzelndes "Auf Messers Schneide"-Gefühl, aber er kommuniziert klarer und vielschichtiger als bisher. Er fließt mit der Straße, stellt viel Kontakt her, wirkt hecklastiger als zuletzt und hat eine Wertigkeit, eine Verbindlichkeit in seinen Kontrollen, die sich positiv vom oft etwas Nichtssagenden anderer VW-Konzern-Sportler abhebt.
Für mich wirkt er deshalb als Fahrerauto auch stimmiger und interessanter als der GTI Clubsport. Seien wir ehrlich - im Alltag, auf Langstrecken et cetera ist es völlig egal, in welchem der beiden Performance-Gölfe man sein Hinterteil verstaut. Zumindest, solange es trocken ist und der R seine völlig bekloppte "Alle Wetter, alle Straßenzustände"-Pace nicht ausspielen kann. Beide sind der Konkurrenz bei allem, was man halt alltäglich so macht mit einem Auto, meilenweit überlegen.
Dass dies auch bei einem GTI mit der Zusatzbezeichnung "Clubsport" der Fall ist, ist einerseits sehr angenehm. Auf der anderen Seite wirkt der Verzicht auf etwas mehr Irrsinn und Attitüde wie eine vertane Chance.
"Das eher sanftmütige, verzeihende Fahrwerk des GTI kommt mit den unwirtlichen Gegebenheiten des Rings hervorragend zurecht. Die Vorderachse hat ausreichend Biss und Untersteuern ist kein Thema."
Fahren Sie den Clubsport mit 70 Prozent über eine kurvige Landstraße und sie werden ihn vermutlich ziemlich schnell ziemlich stark in Ihr Herz schließen. Die adaptiven Dämpfer federn blitzsauber, gönnen dem Auto genug Bewegung, verlieren aber nie die Kontrolle. Der Grip ist massiv und die seitlichen Aufbaubewegungen sehr gut austariert. Man kommt verdammt schnell in eine Ecke rein und auch verdammt schnell wieder raus.
Der Clubsport fliegt, ohne dass man sich über die Maßen dafür ins Zeug legen müsste. Er schmeichelt dem Fahrer, ist kinderleicht sehr zügig zu bewegen. Übrigens auch auf der Nordschleife, wo wir checken wollten, welcher der beiden das bessere Track-Auto hergibt.
Glaubt man dem Straßenbild rund um den Ring muss das beim Vorgänger definitiv der GTI gewesen sein. Den 7er Clubsport und seinen Nachfolger GTI TCR sieht man dort an jeder Ecke. Entsprechend groß dürften die Erwartungen an den 8er Clubsport sein.
Und auf den ersten Blick enttäuscht er sie auch nicht. Das eher sanftmütige, verzeihende Fahrwerk kommt mit den unwirtlichen Gegebenheiten des Rings hervorragend zurecht. Die Vorderachse hat ausreichend Biss und Untersteuern ist kein Thema. Die Bridgestone Potenza fingen auch erst nach drei Runden am Stück zu schmieren an. Es sei ihnen verziehen. Dazu kommt eine großartige Bremse mit etwas längerem Pedalweg, aber sehr guter Dosierbarkeit und vorbildlicher Ausdauer.
Das Problem bei der ganzen Geschichte ist nur, dass der Clubsport selbst die Nordschleife abfrühstückt, als wäre sie ein willkürliches Programm auf seiner überpotenten Festplatte. Die Lenkung ist präzise, aber relativ inhaltslos. Das DSG wirkt gegenüber anderen Doppelkupplungen einen Tick zu langsam und bei aller Liebe, verehrte Volkswagen-Controller, aber diese völlig lieblosen Schaltpaddles in einem Auto das "Clubsport" heißt, sind eine absolute Frechheit.
Die Vorderachs-Sperre macht einen guten Job, aber sie vermittelt nicht diese Aggressivität wie etwa das System im Civic Type R, der den Scheitelpunkt einsaugt wie ein waschechter Tourenwagen. Alles in allem mangelt es Richtung Grenzbereich einfach zu sehr an Kommunikation und Verbindung, am letzten Quäntchen "Oh man ist das geil!". Der Clubsport ist ein sehr komplettes und verdammt schnelles Auto, aber ein Event ist er nicht und das ist in Anbetracht der Positionierung schade.


Ich hätte ja vermutet, der Clubsport wäre das extremere, radikalere Auto, das einen mit mehr Sensationen belohnt, wenn man es über eine Rennstrecke prügelt. Aber auf der Nordschleife fühlt sich tatsächlich der R wie das rundere und gefühlsechtere Paket an. Seine Lenkung hat mehr Tiefe und Gewicht, er unterstützt die Linienwahl mit dem mobileren Heck und ganz generell fühlt man sich als Fahrer einfach besser eingebunden. Außerdem verfügt er über Schaltpaddles, die einem Kompaktsportler würdig sind.
Ansonsten sind die Unterschiede im Interieur mehr als gering. Unser R hatte das bemerkenswert kostspielige Leder-Paket Nappa (2.895 Euro) an Bord. Selbiges macht den absolut großartigen Sportsitz etwas rutschig, sprich: Im ansonsten identischen Alcantara-Stoff-Sitz des GTI hat man mehr Halt.
Wie immer ein Musterbeispiel an Darstellung und Konfigurierbarkeit ist das digitale Instrumentendisplay. Ein Musterbeispiel für "gebt uns unsere Knöpfe und Dreh-Drück-Steller zurück" ist einmal mehr das Infotainmentsystem des Golf 8. Ich will es wirklich nicht schlecht finden und nach etwas Zeit gewöhnt man sich auch mehr oder weniger daran, aber es hat trotzdem so viele Schwächen.


Die Leiste für die Temperaturregelung etwa ist berührungsempfindlich, bietet aber kein haptisches Feedback und ist nachts unbeleuchtet. Wer denkt sich sowas aus? Und können wir bitte bitte endlich diese unsäglichen Touchflächen auf Lenkrädern loswerden? Wer auf der Rennstrecke fährt, kommt da ständig dran. Und dann verstellt er Dinge. Und es ploppen Hinweise im Display auf. Und das lenkt wirklich ab. Und das ist nicht gut.
Ein weiteres Ärgernis: Bei beiden Fahrzeugen stürzte mehrmals das Infotainment ab. Mal fing es sich nach kurzem Abstellen des Motors wieder, mal erst nach 20 Minuten Fahrt. Sicher kein Einzelfall, da muss man nur ein paar Kunden neuerer VW-Fahrzeuge fragen.
Fazit
VW Golf R: 8/10 VW Golf GTI Clubsport: 7/10
Könnte ich frei von finanziellen Zwängen entscheiden, würde ich den Golf R wählen. Er ist das gefühlsechtere Auto, das den Fahrer mehr involviert und sein neuer Allradantrieb ist wirklich eine Schau.
Dabei muss berücksichtigt werden: Im Basistrimm kostet er 8.000 Euro mehr als der Clubsport, unsere Testwagen lagen gar 16.000 Euro auseinander. Das sind ganz hervorragende Argumente für den heißen GTI.
Der überzeugt als exzellentes Gesamtpaket. Im Alltag funktioniert er genauso wie auf der fixen Landstraßenrunde oder auf der Rennstrecke. Aber das ist es eben: Er funktioniert. Na gut, er macht auch Spaß. Aber den Atem rauben tut er nicht. Dafür fehlt es ihm ein wenig an Charisma und Kante. Hey VW, wollt ihr es nicht nochmal mit einem Clubsport S versuchen?