SUVs boomen überall auf der Welt. In der ersten Hälfte diesen Jahres machte die Fahrzeugklasse 50% der europäischen Neuzulassungen, 53% der Verkäufe in den USA und rund 47% der Pkw-Verkäufe in China aus. Im Grunde hat sich also die Hälfte der Verbraucherinnen und Verbraucher in der ganzen Welt für ein SUV entschieden.
Die Gründe für die Beliebtheit von SUVs und Crossovern sind auch für jeden ersichtlich. Höhere Sitzposition, ansprechendes Design, eine große Auswahl zu erschwinglichen Preisen für die breite Masse und das allgemeine Gefühl, dass man sicherer und leistungsfähiger unterwegs ist. Die Leute mögen diese Autos, weil sie einen überall hinbringen könnten. Aber ... ist das eigentlich alles wirklich so?
Die Geländetauglichkeit
Die heutigen Geländewagen, sind direkte Nachkommen der ersten Offroader, die die Industrie in den 1940er-Jahren entwickelte. Es handelte sich um sehr robuste Fahrzeuge mit Allradantrieb, die hauptsächlich vom Militär verwendet wurden. Dann wurden diese Fahrzeuge für die zivile Nutzung weiterentwickelt, indem sie über eine bessere Innenausstattung mehr Platz für mehr Passagiere mit mehr Komfort boten. In den Jahrzehnten zwischen 1970 und 1990 war die Kundschaft dieser Fahrzeuge meist ziemlich reich, da man in diesen Kreisen ein sicheres und leistungsfähiges Transportmittel wollte.

Die Demokratisierung begann in den späten 1990er-Jahren, als modernere und ansprechendere Designs begannen die kastenförmigen, teuren Modelle abzulösen. Mit der Ausweitung des Angebots sanken auch die Preise. Aber die Seele blieb dieselbe: leistungsfähige Fahrzeuge dank eines 4x4-Antriebsstrangs.
Im Jahr 2011, als die kleinen SUVs noch nicht so populär waren, machten die Allrad-SUVs 62% des Verkaufsmixes in Europa und 59% in den USA aus. SUVs wurden eben immer noch mit Geländetauglichkeit in Verbindung gebracht.
SUVs für alle

Die Mischung begann sich zu ändern, als die Autohersteller erschwinglichere Fahrzeuge einführten. Die B-SUVs und C-SUVs gewannen auf Märkten wie Europa und China schnell an Zugkraft. Es waren kleinere und sparsamere Fahrzeuge, die viele Verbraucher ansprachen, die ein SUV suchten, es sich aber bis dahin nicht leisten konnten.
Diese kleinen Geländewagen haben im Grunde die gleiche Plattform und die gleichen Teile wie ihre Kompakt- oder Kleinwagen-Geschwister, haben aber ein raubeinigeres Design, eine höhere Fahrposition und sind etwas teurer. Und wissen Sie was? Sie verfügen kaum noch über ein 4x4-System.
Heute werden die meisten in Europa und China verkauften SUVs nicht von einem Allradantrieb angetrieben, sondern durch den regulären Vorderradantrieb. Nach Angaben von JATO Dynamics wurden in China zwischen Januar und Juni 2022 nur 23% mit einem 4x4-Antrieb ausgestattet. In Europa machten sie immerhin noch 36% des Volumens aus.

Eine Ausnahme bilden die USA: Hier machten Allradversionen bis Juni 73% der verkauften SUVs aus. Die Gründe dafür sind die Beliebtheit der großen Fahrzeuge, die dieses System eher benötigen als die kleinen Modelle. Und ein großer Teil des Landes hat im Winter mit schwierigen Witterungsbedingungen zu kämpfen. Außerdem war Benzin bisher vergleichsweise günstig in den USA.
Eine Frage der Kosten
Die Beliebtheit von SUVs mit Frontantrieb hat letztlich auch einen Kostengrund. Die meisten
Fahrer:innen dieser Modelle sind kaum unter rauen Bedingungen unterwegs und bräuchten beinharte Offroad-Fähigkeiten. Die Straßen sind überall gut ausgebaut, und die meisten SUVs werden dann auch noch in Städten gefahren. Warum sollten Sie also mehr Geld für ein System ausgeben, das Sie kaum benutzen werden?
Der Autor des Artikels, Juan Felipe Munoz, ist JATO Dynamics Automotive Industry Specialist.