Unsere geschätzten Leser haben bestimmt schon einmal die Rubrik "Kennen Sie den noch?" studiert. Dort stellen wir Autos von früher vor, die inzwischen fast vergessen sind. Doch was ist mit den Modellen, die durchaus noch zahlreich im Straßenverkehr umherfahren? Jene Typen, die jeder kennt, die schon deutlich über 20 Jahre, teilweise aber auch viel weniger auf dem Buckel haben.

Werden sie einmal Oldtimer? Das birgt Zündstoff für kontroverse Diskussionen. Einige dieser Modelle wollen wir in unserer Reihe "Klassiker der Zukunft?" vorstellen.

Schönheit liegt ja bekanntlich im Auge des Betrachters. Aber der frühere BMW-Chefdesigner Chris Bangle mutete unseren Sehgewohnheiten einiges zu. Auf die eleganten Limousinen der 1990er-Jahre folgten Ecken, Kanten, ungewöhnliche Türrundungen. Kurzum: Picasso statt Bauhaus. Doch auch bei Picasso fremdelten die Zeitgenossen, inzwischen sind seine Werke extrem teuer.

Nun, so weit ist es mit den Bangle-BMWs noch nicht. Aber der 5er von 2003, der erste 1er und der erste Z4 haben sich aller Kritik zum Trotz als zeitlose Entwürfe entpuppt. Nur bei einer Baurehe will das nicht so recht klappen: Der intern E65 genannten 7er-Reihe, die vor 20 Jahren vorgestellt wurde. 

BMW 7er (E65, 2001-2008)

Mit Blick auf den eleganten Vorgänger E38 war die Aufgabe natürlich undankbar. Und Mister Bangle entschied sich für einen radikalen Schnitt. Der 2001er-7er war komplett neu. Tränensackartige Scheinwerfer vorne (Derrick lässt grüßen), am Heck ein wuchtiger Kofferraumdeckel, darunter irgendwie uninspiriert verteilte Rückleuchten.

Und erst das Cockpit: Kaum noch Knöpfe, dafür ein zentraler Bildschirm und ein seltsamer Dreh-Controller namens "iDrive". Heute nicht nur bei BMW ganz normal, damals eine Sensation mit Spaltpotenzial.

Die Pressemappe hob hervor, dass BMW und Bangle den 7er komplett auf links gedreht hatten:  "Der neue 7er ist ein von Grund auf neu konstruiertes Auto. Er orientiert sich weder direkt an seinem Vorgänger, noch am Wettbewerb – der neue 7er will schlicht neue Maßstäbe setzen."

Derart selbstbewusst ging es munter weiter: "So ist der neue 7er in seinem Design mehr als eine Evolution, er ist ein Design-Sprung. Sportlichkeit, Dynamik, Luxus und Präsenz waren der Leitfaden bei der Gestaltung des Exterieurs, wobei diesmal ein besonderes Augenmerk auf das Thema Präsenz gelegt wurde – der neue 7er ist im Straßenverkehr eine herausragende Erscheinung."

BMW 7er (E65, 2001-2008)

Die wichtigste Komponente des innovativen iDrive-Bedien- und Anzeigekonzeptes des neuen 7er war das "Control Center", bestehend aus Controller und Control Display. Über dieses Dialogsystem waren fast alle der nicht direkt fürs Fahren notwendigen Funktionen inklusive einem integrierten Internet-Portal (!) erreichbar. Bis zu 270 Funktionen und Teilfunktionen ließen
sich auch über das neue Spracheingabesystem der 2. Generation bedienen.

Glanzpunkt unter der Haube war die neue Generation des V8. Durch die stufenlose Variation praktisch aller relevanten Parameter wie Ventilsteuerzeiten (Bi-VANOS), Ventilhub (VALVETRONIC) und – weltweit erstmalig – auch der Saugrohrlängen, konnten sie an alle Anforderungen angepasst werden.

Der Verbrauch sollte so um bis zu 14 Prozent sinken, während die maximale Leistung um rund 14 Prozent stieg. Zur Wahl standen zunächst der 735i mit 272 PS (200 kW) und 360 Nm sowie der 745i mit 333 PS (245 kW) und 450 Nm. Emissionsseitig wurden die Grenzwerte der erst ab 2005 in Kraft tretenden EU4-Richtlinie deutlich unterschritten.

BMW 7er (E65, 2001-2008)

Die Kraftübertragung übernahm das erste serienmäßige 6-Gang-Automatikgetriebe der Welt. Die Bedienung dieses Aggregates mit integrierter Shift-by-Wire-Technologie erfolgte dabei über einen neuartigen Wählhebel am Lenkrad bzw. Steptronic-Tasten im Lenkradkranz.

Später kamen noch weitere Motoren ins Programm: 730i mit 231 PS, 730d (218 PS), 740d (258 PS) und als Krönung der mächtige 760i mit V12 und 445 PS. Die Langversionen mit dem Kürzel Li boten 14 Zentimeter mehr Radstand. 

Und während manch deutscher Kunde mit dem E65-7er haderte, wurde die Limousine global zum vollen Erfolg. (Ein Phänomen, welches auch schon beim Mercedes W 140 ein Jahrzehnt zuvor auftrat.) Nach 38 Monaten im Markt übertraf die aktuelle 7er-Reihe die bereits überaus erfolgreiche Vorgänger-Reihe um knapp 8 Prozent.

BMW 7er (E65, 2001-2008)

Mit 57.899 weltweit verkauften Fahrzeugen lag der aktuelle BMW 7er 2003 in seinem bisher besten Jahr knapp 14 Prozent über dem Spitzenjahr des Vorgängermodells (1997). In Deutschland wurde 2004 die Marktführerschaft bei den Luxuslimousinen erobert.

Weltweit war bis 2005 mit über 50 Prozent der BMW 745i/Li mit dem großen V8-Motor das meistverkaufte Modell. Die Langversion repräsentierte mehr als die Hälfte aller verkauften BMW 7er. Im Frühjahr 2005 unterzog BMW den E65 einem Facelift: Neu gestaltete Scheinwerfer mit serienmäßigen Xenonlicht und weißen Blinkern sowie eine größere Niere ließen die Frontpartie harmonischer wirken.

BMW 7er (E65, 2001-2008)

Am Heck kaschierte man das oftmals kritisierte Kofferraumplateau, indem man den Kofferraumdeckel mittels verbreiteter Heckleuchten sowie einer horizontalen Chromleiste ins restliche Heck integrierte. Damals unerhört innovativ: "Mit Verbreitung des digitalen terrestrischen Fernsehens ist im 7er auch ein DVB-T-Empfänger verfügbar. Neben dem Empfang
von analogen Fernsehsendern ist damit jetzt auch der Empfang von digitalen Fernsehsendern möglich."

BMW 7er (E65, 2001-2008)

Mit Ausnahme des V12-Top-Triebwerks im 760i/Li erhielt der BMW 7er ab Frühjahr 2005 eine weitgehend neue Motorenpalette. Bei den Modellen mit Achtzylinder-Benzinmotor ersetzten der BMW 750i/Li und 740i/Li die bisherigen Modelle 745i/Li und 735i/Li. Der BMW 740d machte Platz für den 745d mit vollkommen neu entwickeltem Achtzylinder-Dieselmotor.

Der Reihensechszylinder-Dieselmotor des BMW 730d wurde grundlegend überarbeitet. Beim Einstiegsmodell BMW 730i/Li kam fortan der vom 630i bekannte Reihensechszylinder-Benzinmotor mit Magnesium-Aluminium-Verbund-Kurbelgehäuse zum Einsatz.

Ab 2006 baute BMW 100 Exemplare eines ganz besonderen 7ers: Im Hydrogen 7 wurde der 6,0-Liter-V12 des 760 mit Wasserstoff betrieben. Im November 2008 erfolgte die Ablösung des E65 durch einen neuen 7er mit dem Code F01. Rund 343.000 Exemplare des E65 waren bis dahin produziert worden. Gar keine so schlechte Bilanz für eine umstrittene Luxuslimousine.

Bildergalerie: BMW 7er (E65, 2001-2008)