War die Welt früher bunter? Zumindest muss der Alltag in den 1970er-Jahren ein farbenfrohes Fest gewesen sein. Denken Sie nur einmal an Fotos von sich oder ihren Eltern aus jener Zeit. Oder an Sendungen wie "Disco", "Dalli Dalli" oder die "ZDF-Hitparade". Gut fünf Jahrzehnte später fallen ich und Inka inmitten der schwarz-weiß-grauen Blechlawine im Autobahn-Stau auf wie der Papst mit einer Regenbogen-Flagge. 

Wer ist denn Inka? Ist Hildebrandt etwa zum Schwerenöter im Stil von "Monaco Franze" geworden? Ich kann Sie beruhigen: "Inka" ist zwar eine fesche 47-Jährige. Aber 4,62 Meter lang, 1,69 Meter breit und 1,42 Meter hoch. Das klingt nicht nach Modelmaßen, erweist sich jedoch als ein hübsch anzusehender BMW 525 des Baujahrs 1974. Ihren Spitznamen hat "Inka" von ihrer knalligen Orangenhaut, diese Lackierung stand damals als "Inka" im Prospekt (und im Motorraum). 

Jener 525 der ersten 5er-Baureihe E12 wird nicht geschont, Inka hat bereits viele Einsätze im Winter hinter sich. Ein Gebrauchs-Oldtimer mit Spuren wie Beulen und etwas Rost, aber nicht runtergerockt oder gar verwohnt. Ideal, um damit durch den Alltag zu fahren, ohne ständig daran denken zu müssen, dass man womöglich den Wert eines Hauses unterm Hintern hat.

BMW 525 (E12)

Der Großvater aller 5er (oder im Fall von Inka wohl eher die Großmutter) kam im Sommer 1972 auf den Markt und beerbte die Typen 1800/2000 der sogenannten "Neuen Klasse". Farblich scheint man bei BMW aus dem damals neuen Konzern-Hochhaus zur bunten Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele geschaut zu haben.

Optisch mixt der E12 (Radstand 2,64 Meter) Elemente von Bertones Garmisch-Studie aus dem Jahr 1970 mit der Haifischnase der Baureihen E3 und E9, während das Mittelteil noch Züge des Vorgängers zitiert. Dennoch: Ein Aufbruch in die Moderne.

Ich betrachte mir den 525 ausgiebig: Eine zeitlose Formgebung. Ob die heutigen BMW-Modelle in 47 Jahren noch so gut dastehen werden? Lediglich die Heckpartie von "Inka" gefällt mir nicht ganz gut: Hier mag ich die großen Rückleuchten nach dem Facelift vom Herbst 1976 lieber, aber das ist Geschmackssache. Mit der Modellpflege wanderte übrigens auch der Tankdeckel neben dem Kennzeichen an die Seite in den hinteren Kotflügel.

BMW 525 (E12)

Meine Hand betätigt den verchromten Bügeltürgriff und ich sinke auf den sesselartigen Fahrersitz. Das große, nicht verstellbare Lenkrad flüstert mir zu "Hieran wirst du ordentlich kurbeln müssen", während das Cockpit mit seinen deutschen Beschriftungen keine Rätsel aufgibt. Fahrerorientiert wie beim E28-5er ist es zwar noch nicht. Aber es zeigt, wie bedienerfreundlich BMW dachte und denkt.

Währenddessen hat sich der 145 PS starke Sechszylinder unter der Haube von Inka bereits warmgelaufen. Auf der IAA 1973 zeigte BMW mitten in der Ölkrise das vorläufige Spitzenmodell der 5er-Reihe mit dem Motor aus dem 2500. Damaliger Neupreis des 525: 17.505 DM.

Äußerlich erkannte man den Ober-Fünfer an der mittig verlaufenen Ausbuchtung der vorne angeschlagenen Haube. Hoch mit ihr! Ich blicke auf das schöne Stück Maschinenbau: M30, jener legendäre Reihen-Sechszylinder, der den exzellenten Ruf von BMW in Sachen Motorenentwicklung begründete.

BMW 525 (E12)

Rein mit dem ersten Gang. Und schnell dem zweiten, dritten und vierten. Selbst für heutige Verhältnisse legen die 145 PS flott los, garniert vom weichen und seidigen Klang des Motors. Der 525 könnte auch aussehen wie ein Fiat Multipla, dieses Aggregat würde selbst das wettmachen.

Bis etwa 100 km/h bleibt die Maschine akustisch wohltemperiert, erst dann mischen sich Windgeräusche deutlich in die Fünfer-Symphonie der Bayern-Beethoven. Zudem fehlt ein fünfter Gang. Dennoch wird mir klar, warum BMW nie auf den Wankelmotor setzte. 

Obwohl der 525 mit 1.345 Kilogramm (leer) für damalige Verhältnisse kein Leichtgewicht war, braucht er nur 10,1 Sekunden auf 100 km/h, maximal wären 193 km/h drin. Ich belasse es aber mit Rücksicht auf Inkas Alter und meinem Ruf bei der BMW Classic bei maximal 130 Sachen.

Viel eindrucksvoller ist ohnehin, wie gelassen der Sechszylinder bei Tempo 50 im höchsten Gang zulegen kann. 145 PS - eine mächtige Ansage zu einer Zeit, als VW noch recht viele Käfer mit 34 PS verkaufte.

BMW 525 (E12)

Die Tankanzeige mit dem Endpunkt bei 70 Liter (14 Liter mehr als bei den E12-Modellen mit Vierzylinder) beruhigt meine Nerven. Denn der 525 wurde zwar einst für seinen seidenweichen Lauf und die Reaktionen auf Bewegungen des Gaspedals gelobt, doch er verbrauchte auch gut 15 Liter im Durchschnitt. Damals war das sogar ein guter Wert, manch Konkurrent soff fast 18 Liter auf 100 Kilometer.

Auf kurzen Wegen gleitet der kurze Schaltknüppel durch die Gassen, so oft muss ich ihn aber nicht bewegen. Wer damals wohl die optionale Dreigang-Automatik geordert hat? Inka erntet jedenfalls viele erstaunte Blicke und Daumen nach oben. Kein Wunder: Wann haben Sie zuletzt ein orangefarbenes Auto gesehen, das nicht zur Müllabfuhr oder Straßenreinigung gehörte?

BMW 525 (E12)

Trotz der 14-Zoll-Bereifung ist Inkas Fahrwerk vorzüglich, in voller Fahrt dirigiere ich den 525 mit zwei Fingern am Lenkrad. Leider muss ich für unsere Fotos aber auch mal wenden und parken. Und dann fängt die schweißtreibende Kurbelei an. Immerhin, man spürt den direkten Kontakt zu den Vorderrädern. Aber bei Veigl und Lenz im Münchner Tatort oder bei Derrick sah das wesentlich einfacher aus. 

Heute bin ich aber Harry Klein und habe mich schnell an Inka gewöhnt. Na gut, die kleinen Außenspiegel auf den Türen sind kaum brauchbar, nobody is perfect. Dafür entschädigen die enormen Glasflächen. Lieber solch eine exzellente Rundumsicht als 50 Assistenzsysteme. "Ein rundum erfreuliches Automobil", befand treffend 1973 Fritz Reuter von der "auto, motor und sport". 

Zurück bei BMW biete ich mich halb im Scherz an, Inka zu kaufen, falls man das dort jemals plant. Aber vielleicht ist das nicht einmal nötig. Zwar sind von den 122.272 zwischen 1973 und 1981 gebauten 525 der Baureihe E12 nicht mehr viele übrig. Der Rost hat heftig genagt.

Aber beim Stöbern im Netz stoße ich auf einen mintgrünen 525 vom April 1977 im Topzustand für knapp unter 10.000 Euro. Die passenden Schuhe habe ich bereits. Vielleicht sollte ich noch mehr Farbe in mein Leben bringen ...

Bildergalerie: BMW 525 (E12) "Inka" von 1974 im Fahrbericht

Bild von: Fabian Grass