Man kennt sie. Und irgendwie auch wieder nicht. Die Rede ist nicht von den eigenen Nachbarn, sondern von Autos, die so unauffällig blieben, dass sie heute nur eingefleischte Fans noch kennen.

Solche Modelle müssen nicht zwangsläufig zu Lebzeiten Flops gewesen sein. Aber sie liefen unter dem Radar des gewöhnlichen Autokäufers. In unregelmäßiger Folge wollen wir ab sofort unter dem Titel "Kennen Sie den noch?" Old- und Youngtimer aus dem Nebel des Vergessens holen.

Bei vielen Studien glaubt man ja, dass sie nicht in Serie gehen. 1989 stellte VW auf dem Genfer Autosalon das "Montana"-Konzept vor. Die geländegängige Variante des Golf II mit erhöhtem Fahrwerk und Allradantrieb war nie für die Produktion vorgesehen, aber die überraschende Nachfrage bei den Händlern ließ Volkswagen umdenken. So wurde der Golf Country geboren.

1990 schließlich ging der Golf Country in Serie und gilt aus Sicht der Herstellers als ein früher Vorstoß in die Kategorie der SUVs und kam damit sogar dem Toyota RAV4 voraus. Nun gut, um Tiguan und Co. eine Ahnengalerie zu verschaffen, mag die Argumentation verständlich sein. Streng genommen war der VW Golf Country nämlich noch eher ein Geländewagen als ein SUV. 

VW Golf Country

Seine Produktion jedenfalls war unkonventionell. Vormontierte, allradgetriebene Golf Syncro-Fahrzeuge wurden von Deutschland nach Steyr-Daimler-Puch in Graz, Österreich, geliefert. Derselbe Allradspezialist, der auch den Steyr-Puch Haflinger und den originalen Mercedes G baute. Dort erfolgte die Umrüstung vom allradgetriebenen Golf Syncro zum Golf Country.

Durch die Verwendung eines weitgehend rohrförmigen unteren Hilfsrahmens hob Steyr-Puch den Golf um 12 Zentimeter an, was zu einer Bodenfreiheit von fast 18 Zentimeter führte. Insgesamt wurden 438 spezifische Einzelteile an jeden Golf Syncro montiert, um ihm die Bezeichnung Golf Country zu verleihen! Dazu gehörte eine überarbeitete Aufhängung, vordere und hintere Stoßstangen, ein hinten montierter Reifenträger, vier zusätzliche Zusatz-Frontscheinwerfer und eine Unterbodenverkleidung.

VW Golf Country

Das hier fotografierte Modell von 1990 wurde zudem mit einem Thule-Dachgepäckträger und einem PIAA-Leuchtbalken ausgestattet.

All dieses zusätzliche Gewicht mochte zwar den 1,8-Liter-Motor mit 97 PS des Golf Country überfordern, aber vom Fahrersitz aus fühlt es sich nicht so an. Die Getriebeübersetzung, die etwas niedriger ist als die des frontgetriebenen Golf II, verleiht dem Vierzylinder genügend Schwung, um sich ohne jedes Drama fortzubewegen.

Der Golf Country wird keinem GTI den Rang ablaufen, aber er kann durch ein Feld fahren, um als Erster die Ziellinie zu erreichen. Das Country-Modell stört sich überhaupt nicht an Unebenheiten und Spurrillen auf der Straße und saugt sie mit Leichtigkeit auf. In Kurven gibt es eine ausgeprägte Wankneigung der Karosserie, die moderne Volkswagen-Fahrer überraschen kann - der Country ist ein Golf, der sich gerne hineinlehnt. 

VW Golf Country

In jedem Fall ist ein Golf Country selten. Nur 7.735 Fahrzeuge wurden in zwei Jahren von 1990 bis 1991 produziert, obwohl sich der Golf III bereits ankündigte. Seltener ist immer noch eine der wenigen Sondereditionen, die angeboten wurden, wie zum Beispiel der "Chrome", bei dem die nachgerüsteten Stahlrohrstoßstangen mit Chromverkleidungen versehen waren. Zudem wertete VW den Innenraum auf. Nur 558 Golf Country Chrome wurden gebaut, jedes Fahrzeug kostete 52.200 Mark.

Noch seltener ist die "Wolfsburg Edition", die mit dem stärkeren 16-Ventil-GTI-Motor unter der Motorhaube ausgestattet war. In die USA wurde der Golf Country nie exportiert, obwohl dort wohl ein Markt vorhanden gewesen wäre. Vermutlich hätte der Preis den Rahmen gesprengt, ebenso die aufwendige Homologation. Und heutzutage? Obwohl es legal ist, einen Golf Country in die USA zu importieren, gibt es nur eine Handvoll Fahrzeuge in den Staaten. 

Bildergalerie: VW Golf Country (1990-1991)