Bürgerlicher 68er
Unser Rückblick auf die Geschichte des Mercedes Strich-Acht beginnt im Jahr 1968. Ihm verdankt die Baureihe ihren legendären Spitznamen. Das Kürzel /8 markiert alle Neuerscheinungen von Mercedes des Jahres 1968. Warum es gerade an den Typen 200 bis 250 haften blieb, ist unklar.
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Heutzutage ist fast jede Fahrzeugpräsentation vor Journalisten ein multimediales ,Event" mit Musik, Lichtshow und Klimbim. Nicht so anno 1968: Sehr sachlich zeigte Mercedes im Januar seine neue Mittelklasse. Vorhang auf, drei Autos auf der Bühne, dazu eine Rede von Entwicklungsvorstand Scherenberg.
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Auf diesem Foto aus der frühen Fertigung des Mercedes Strich-Acht kann man nicht nur die gedeckten Farben bewundern. Direkt neben den neuen Typen laufen auch SL vom Band, besser bekannt als ,Pagode".
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Dieser frühe ,Strich-Acht"-Entwurf von Friedrich Geiger, Leiter der Stilistik-Abteilung bei Mercedes, stammt aus dem Januar 1963. An der Heckpartie schimmert noch der Vorgänger, die schwülstige ,Heckflosse" durch. Bemerkenswert sind die Scheinwerfer: Ihre Aufteilung wurde beim Strich-Acht-Nachfolger, dem W 123, verwirklicht.
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Schlussendlich gelang es Chefdesigner Paul Bracq, eine zeitlos-schlichte Form für den späteren Strich-Acht zu finden. Damit gelang nicht nur der deutliche Kontrast zum Vorgänger, sondern auch die Abkehr von der Einheitskarosserie bei Mercedes.
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Indes war der Innenraum des Mercedes Strich-Acht genauso nüchtern gestaltet wie die Blechhaut. Lediglich die Topversionen bekamen etwas Holz spendiert. Das sorgte für beißende Kritik, manch einer sprach vom ,Charme einer Straßenbahn".
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Aber wohl genau im gleichförmigen Auftritt lag die Stärke des Strich-Acht: Man musste schon genau hinsehen, ob jemand die nackte Basis fuhr oder viele Extras plus dickem Motor bestellt hatte. Eine Ausnahme war das Coupé. Wer hier zugriff, hatte stets einen Sechszylinder unter der Haube. Aufgrund von vielen Gleichteilen wirkte das Design etwas unproportioniert. Dennoch liefen in sieben Jahren gut 67.000 Fahrzeuge vom Band.
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Da wir gerade den Sechszylinder ansprachen: Ihn erkannte man bis zum Facelift an den doppelten Stoßstangen, die beim Coupé immer serienmäßig waren. Zum Strich-Acht-Oberhaupt krönte sich ab 1972 der 280 E mit Einspritzung, zwei obenliegenden Nockenwellen und 185 PS Leistung. In Verbindung mit Schaltgetriebe wurde die magische 200-km/h-Marke erreicht.
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Frühe Mercedes Strich-Acht bekamen als Taxi noch den schwarzen Anstrich. Die Fahrer vermissten zwar den monströsen Kofferraum der ,Flosse", hatten aber die Wahl zwischen 200 D (55 PS) und 220 PS (60 PS).
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1971 wurde in Westdeutschland die Farbe der Taxis von Schwarz in Hellelfenbein geändert. Zu diesem Zeitpunkt war der Strich-Art schon das allgegenwärtige Taxi, 1973 ergänzte der 240 D mit 65 PS das Selbstzünder-Programm. Nach Protesten von Taxlern wurden übrigens die Diesel-Strich-Achter noch bis Ende 1976 gebaut, als bereits der W 123 auf dem Markt war.
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Die Zahl von zwei Millionen auf diesem Strich-Acht bezieht nicht auf die Baureihe selbst, obwohl sie als erster Mercedes die Million knackte. Vielmehr feierte man den zweimillionsten Pkw der Marke seit 1946.
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Besonders im ländlichen Bereich sah man den Strich-Acht oft in einem blassen ,Bauerngrün". Meist handelte es sich um einen betulichen 200 D (statt des hier gezeigten 250), mit dem sich Landwirte einen Traum erfüllten. Offiziell hieß die ab Mai 1972 feilgebotene Lackierung übrigens ,860 Grün".
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SUVs und Vans waren Ende der 1960er-Jahre bei Mercedes noch lange nicht in Sicht. Wer mehrere Personen mit mehr Komfort als in einem Kleinbus transportieren wollte, aber auch nicht zum extrem teuren 600 greifen wollte, wählte den 240 D lang oder 230 lang.
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Mit 5,33 Meter übertrumpfte die Langversion des Strich-Acht den normalen Viertürer um 65 Zentimeter. So entstand genügend Platz für sechs Personen, von denen zwei auf ausklappbaren Sitzen im Fond saßen.
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Der Mercedes Strich-Acht punktete bereits mit einer gewissen Karosserievielfalt ab Werk. Wem das nicht reichte, der konnte sich an Spezialisten wie Binz wenden. Dort entstanden (und entstehen) nicht nur Bestattungswagen, sondern auch ein Pick-up. Quasi der Opa der heutigen Mercedes X-Klasse.
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Eine Kombiausführung des Strich-Acht hatte Mercedes praktisch fertig, scheute aber das Risiko. Erst beim Nachfolger W 123 ging die Heckform fast unverändert in Serie. Wer den Strich-Acht unbedingt als Kombi wollte, bekam unter anderem bei Binz einen nicht ganz billigen Umbau.
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Diesen Strich-Acht-Umbau werden noch viele kennen: Mancher lag als Patient in dem voluminösen Krankenwagen, für andere war er stets im Straßenbild präsent. Kinder hatten ihn oft als Spielzeugmodell von Siku. Hier entstand auch die Limousine als Taxi und Polizeiauto für die Kleinsten.
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Im August 1973 bekam der Mercedes Strich-Acht seine einzige wirklich große Modellpflege. Es entfielen die vorderen Dreiecksfenster, der Grill wurde niedriger und breiter, hinzu kamen andere Außenspiegel und verrippte Heckleuchten. Damit wurde das Erscheinungsbild an die im Jahr zuvor erschienene S-Klasse angepasst.
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Und noch etwas kennzeichnet die zweite Serie des Strich-Acht: Grelle Signalfarben, über die Baureihenkenner und Buchautor Michael Rohde einmal schrieb, man sei von ,schreiend" zu ,brüllend" gewechselt.
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Zwar hatte Mercedes schon seit der Vorkriegszeit Diesel-Pkws im Programm, doch erst die breitgefächerte Palette im Strich-Acht machte den Selbstzünder populär. Zum Diesel-König wurde 1974 der 240 D 3.0, ein Fünfzylinder mit damals unglaublicher Spitze von 150 km/h.
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Im Strich-Acht erprobte Mercedes auch manch Zukunftsentwicklung. Neben dem Wankelmotor gab es Versuche mit frühen ABS-Systemen der Firma Teldix. Erst 1978 schaffte es ein Antiblockiersystem als Option in die S-Klasse, die Vorteile zeigen sich aber schon auf diesem Foto.
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Noch bis weit in die 1990er-Jahre war der Strich-Acht als gammeliger Letzthand-Wagen zu sehen. Trotz durchaus heftigem Rostfraß konnte dieser Mercedes bis zum Schluss solide wirken. Unbestrittener Rekordhalter ist dieses griechische Taxi mit angeblich 4,6 Millionen Kilometer auf dem Tacho, das inzwischen dem Mercedes-Museum gehört.
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