Was ist das?

Manchmal ist einfach der Wurm drin, anders kann man es in diesem Fall nicht sagen. Sie denken sich jetzt vielleicht: Warum tischen die uns einen Test auf von einem 2022er-Sondermodell, das ich gar nicht mehr neu kaufen kann? Vor allem, weil doch gerade dieses furchtbar teure gelbe Ding mit der 333 auf den Türen vorgestellt wurde?

Nun ich sage es Ihnen: Eigentlich wollten wir schauen, wie sich das schnellste Nordschleife-R-Modell aller Zeiten (7:47,31 Minuten) auf ebenjener so schlägt. Leider plankte der Autor dieser Zeilen den guten 20-Jahre-R beim ungeschickten Abbiegeversuch elegant in das Heck eines Porsche 992. Der Schaden war minimal, aber Wolfsburg wollte aus verständlichen Gründen sein angeecktes Auto inspizieren. Landstraßenfahrten und Fotos waren bereits im Kasten, der Trip in die Eifel musste leider ausfallen. 

VW Golf R
VW Golf R

Einen Test kriegen Sie daher trotzdem, da müssen Sie jetzt durch. Und Erkenntnisgewinne brachte auch ein zügiger Nachmittag auf diversen sehr freien Sträßchen im Münchner Umland (im sehr weit gefassten Umland, wohlgemerkt). Machen die paar mickrigen Änderungen den "20 Years" wirklich zu einem besseren Golf R? Das tun sie in der Tat und ich erkläre Ihnen auch gleich warum.

Was ist denn überhaupt anders? 

Ein paar "20"-Badges feiern zwei Jahrzehnte Golf R (jap, der wunderbare Golf 4 R32 kam tatsächlich 2002 auf den Markt, wer fühlt sich gerade noch unglaublich alt?). Innen warten Ledersportsitze und erstmals Echtcarbon-Dekorleisten. Dreh- und Angelpunkt ist das Performance-Paket mit großem Dachspoiler, 19-Zöllern, 270 km/h Topspeed und den zwei Extra-Fahrmodi "Drift" und "Special" samt Nürburgring-Abstimmung.

Ja gut, sagt jetzt der Nörgler, kann ich doch so auch alles haben, wenn ich zahlungswillig bin. Durchaus, das kann er. Aber nicht das, was jetzt kommt: Die Rede ist von einigen mechanischen Upgrades, die für mehr Aggressivität im Habitus des Allrad-Hot-Hatches sorgen sollen.

Die Leistung steigt bei gleichbleibenden 420 Nm von 320 auf 333 PS. Außerdem will man das Ansprechverhalten des guten alten EA888 um 30 bis 40 Prozent verbessert haben. Das klingt nicht besonders schmeichelhaft für den normalen Golf R, aber wir wollen uns sicher nicht beschweren.

VW Golf R
VW Golf R

Schuld ist der überarbeitete Lader des 2.0 TSI. Hier wird er vorgespannt, sprich - bei Teillast-Fahrten konstant auf Drehzahl gehalten. Außerdem bleibt die Drosselklappe in Schubphasen offen. Nehmen Sie Gas weg und hauen dann wieder auf den Pin, wird das Motormoment schneller wieder aufgebaut. Der Motor ist also quasi permanent auf Sendung. Obendrein hat man auch die Getriebesteuerung mit dem ein oder anderen Energydrink gefüttert und zudem den Schaltvorgängen in den sportlicheren Modi die Samthandschuhe ausgezogen.

Ein Wort noch zum schwarzen Gold an den Füßen des 20-Jahre-R: Serie sind Bridgestone Potenza Sport S005. Cupreifen gibt es auf Wunsch. VW setzt aber nicht mehr auf Michelin Cup 2s, sondern auf den Bridgestone Potenza Race, der zuletzt ziemlich viele Testsiege einheimsen konnte. Unser Testwagen stand auf der weniger klebrigen Mischung.

Ganz ehrlich: Macht der "20 Years" irgendeinen Unterschied? 

Für mich tut er das. Der Antrieb profitiert spürbar von den Optimierungen. Die Leistungssteigerung macht das Kraut natürlich nicht fett. Sie können jetzt halt in 4,6 statt 4,7 Sekunden nach dem Ampelstart mit 50 zu viel geblitzt werden. 

Viel wichtiger ist aber, dass der Zweiliter-TSI deutlich renitenter und stacheliger zu Werke geht, als ich das bisher so von ihm kannte. Der ewige EA888 ist ja fraglos ein sauguter Motor mit einem ordentlich geschwollenen Bizeps. Aber in den gefühlt 487 Applikationen, die ich bisher so in die Finger bekam, gerierte er sich eher als Meister der potenten Ausgeglichenheit. Der durchgeknallte Charismatiker mit Wadelbeißer-Attitüde war er nie. 

Das hat sich in dieser Ausbaustufe merklich geändert und es steht im ganz hervorragend zu Gesicht. Die Maschine hängt deutlich besser am Gas, will viel mehr durch die Mitte angreifen als das Spiel in die Breite zu ziehen. Das ist aggressiver, das ist auch oben raus sehr viel lebendiger und das ist ... genau das, was diesem Motor bisher gefehlt hat. Nehmen Sie jetzt noch das rotzigere, härtere Getriebesetup mit in den Mix und in Sachen Amüsement wurde hier einfach Mal das nächste Level freigeschaltet. So einfach kann es manchmal sein.

Und sonst?

Naja, durch den inspirierteren Antriebsstrang macht dieser Golf R einfach dieses kleine bisschen mehr Bock. Der Rest ist die gewohnte Bank. Der 7er R war ja am Ende trotz seines Haldex-Allrads schon ein ziemlich grandioses Gefährt. Das wurde oft unterschätzt. Trotzdem packt sein Nachfolger durch das neue Torque-Vectoring-Allrad-System mit den beiden kraftverteilenden Kupplungen an der Hinterachse einfach noch ein paar Fahrspaß-Schichten drauf. 

Er fliegt jetzt natürlich nicht plötzlich durch die Gegend als hätte ihm jemand "BMW M2" auf den Heckdeckel gepinselt. Aber er bewegt sich in der aktuellen Generation schon ungehemmter. Sie merken das, wenn Sie mal eine Biegung etwas kerniger anfahren. Dann gibt's in der Regel einen wunderbaren Eindrehimpuls von hinten, das Auto fährt schön eng und kompakt rum ums Eck und Sie denken sich: Ja also, das war schon irgendwie ziemlich gut. 

VW Golf R

Geht auch noch eine Stufe ausgelassener, wenn Sie die Lenkung ordentlich einschlagen und einfach mutig draufbleiben auf dem Gas. Da zeigt er erstens, dass er wirklich fast alles mit sich machen lässt, der R. Ohne dabei jemals zickig zu werden. Und was er noch zeigt ist, dass er jetzt ein verschmitzteres Wesen hat. Da geht er dann schon gerne mal rutschen. Nicht in absurden Winkeln, so ein bissl halt. Das es leicht in der Lenkung zupft und man kurz reagieren muss und das macht schon Spaß.

Etwas weniger Spaß bereitet die Lenkung selbst. Bei unserem letzten Test des Standard-Golf R aus dem Jahr 2021 war ich noch ganz glücklich mit Lenkgefühl, Feedback und Co. Zumindest für Performance-Volkswagen-Verhältnisse. Kann natürlich auch an den klebrigeren Cup2-Pneus gelegen haben, die damals montiert waren. Ich möchte das nun - mit Standard-Bereifung - gerne revidieren. Zumindest war es im Falle von WOB-GO 104 immer ein wenig schwierig.

Um die Mitelllage ist die Lenkung nicht die schnellste oder informativste, aber im Großen und Ganzen ziemlich okay. Zu den Rändern hin versteift sie sich aber regelrecht, wird richtig hakelig und macht so natürlich überhaupt keine gute Figur mehr. Stellt man die Lenkeinstellung im Menü auf Sport oder Race wird halt alles schwergängiger und damit tendenziell noch schlimmer. 

Fahrerisch ist das auch beim "20 Years"-Golf im Prinzip der einzige triftige Kritikpunkt. Die Lenkung vermittelt einfach weniger als man sich wünschen würde und generell dürfte die Vorderachse gerne ein Stück mehr Biss haben. Klar, für 90 Prozent der Fahrten ist so eine Aggro-Lenkung mit herzhaften Antriebseinflüssen und überfleissigem Asphalt-Informationsdienst eher nervig, aber sie sorgt halt für Charakter, den die noch immer etwas sterile Front des Golf R vermissen lässt. 

Die Alltagstauglichkeit ist - wir wissen es im Prinzip alle - im Lastenheft einfach immer noch ganz oben angesiedelt. Und hier ist der Golf R der Konkurrenz wie so oft meilenweit überlegen. Der Testwagen hatte das 1.045 Euro teure Adaptiv-Fahrwerk an Bord und ich würde bei der Anschaffung tunlichst darauf achten, dass das Teil mit von der Partie ist.

VW Golf R

15 Stufen zeigt der Wischregler im Zentraldisplay. Bleiben Sie irgendwo im Dunstkreis von "Comfort" oder links davon und die Welt ist sehr in Ordnung. Tolle Dämpfung, super Abrollverhalten, da darf sich der gute Golf auch gerne ein bisschen seitlich bewegen, ein wenig eintauchen, aber er hält da halt auch den Kontakt zur Fahrbahn, hoppelt nicht hilflos durch die Gegend. Sie sehen es ja, wenn Sie den Spezialmodus Nordschleife anklicken - da fährt er auch weich. Die schlauen Ingenieure wissen schon warum. 

Natürlich können Sie den Regler auch ganz nach rechts schieben und die Bude rappelhart machen. Gut, so richtig rappelhart wird es eh nie, aber er zippt und zappt dann schon spürbar nervöser durch die Lande. Harsch und krachern wird es dennoch nicht, dafür ist das Fahrwerk einfach zu gut. 

Und innen?

Zuletzt fuhr ich wieder mal Kompakte von BMW und Mercedes. Natürlich hat da schon jede Standard-Version auf Wunsch sportives Gestühl an Bord. Auffällig: Die Sitze sind oftmals recht klein. Kurze Beinauflagen, am Rücken auch eher zart geschnitten, wenn man größer ist als 1,80 Meter. Bisschen hoch montiert obendrein. Und dann sitzt man da wie der Affe auf dem Schleifstein.

Beim Golf ist es zumindest besser, komplett performant gebettet ist man aber auch hier nicht. Die Sitze sind eigentlich recht gut, wobei mir die Stoff-Variante Halt-technisch überlegen erscheint gegenüber den hier serienmäßigen Ledersesseln.

VW Golf R
VW Golf R

Die Bedienung ist nach wie vor eine mittlere Katastrophe, da konnte das Facelift die klaffenden Wunden auch nur notdürftig versorgen. Immerhin läuft das Infotainment nun stabil und stürzt nicht mehr alle Nase lang ab. Den ganzen Touchflächen-Kram für Klimabedienung und am Lenkrad gibt es jedoch weiterhin. Zähne zusammenbeißen und durch, Freunde. Beim kommenden Tiguan, den der Kollege Hildebrandt hier schon mal vorgefahren ist, hat man bereits für Besserung gesorgt.

Fazit: 8/10

Der Golf R "20 Years" ist dank der Motor- und Getriebe-Updates ein Gewinn. Die aggressivere Schaltstrategie hat man inzwischen offenbar - warum auch immer - wieder abgeschafft. Der Golf R 333 wird wohl ohne auskommen.

Ansonsten machen Sie mit diesem Hot Hatch natürlich einmal mehr überhaupt nix falsch. Das ist hochperformant und das ist für jeden Tag besser als alles andere, was man derzeit in dieser Klasse kriegt. Auch wenn der ewige Civic Type R natürlich das aufregendere (und noch performantere) Fahrzeug ist. 

Ein Riesenproblem ist halt einfach der Preis. 59.995 Euro Basispreis klingen ja schon ziemlich gruselig für einen Kompaktsportler. Unser Testwagen brachte es letztlich auf 71.930 Euro. Da wird's zappenduster in den meisten Geldbeuteln. Oder vielleicht auch nur in unseren. Der Golf R 333 kostete ja nochmal 5.000 Euro mehr. Er war in acht Minuten ausverkauft.  

Bildergalerie: VW Golf R "20 Years" (2023) im Test

Bild von: Fabian Grass

Volkswagen Golf R

Motor Vierzylinder-Turbo-Benziner; 1.984 ccm
Getriebeart 7-Gang-Doppelkupplung
Antrieb Allradantrieb
Leistung 245 kW (333 PS) bei
Max. Drehmoment 420 Nm
Beschleunigung 0-100 km/h 4,6 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit 270 km/h
Leergewicht 1.551 kg
Kofferraumvolumen 374 - 1.230 Liter
Verbrauch WLTP-Verbrauch: 7,9 Liter
Emission 179 g/km CO2
Basispreis 59.995 Euro
Preis des Testwagens 71.930 Euro