Es gibt wahrhaft bessere Tage als einen grauen Samstag mit Dauerregen, um ein Auto wie dieses halbwegs flott auf einer Rennstrecke zu bewegen: Die Rede ist vom Dallara Stradale, einem verdammt flachen und lauten Tracktool. Dank unseren Kollegen von Motor1.com Italien konnten wir den Stradale im Rahmen der Motor1 Days auf dem Autodromo di Modena bewegen.

Was ist das?

Vermutlich werden Sie jetzt sagen? Dalli Dalli, Dall-was? Nun, Dallara betätigt sich als Zulieferer, ist aber vor allem im Motorsport längst eine Legende. 1972 gegründet, hat die Firma ihren Sitz in  Varano de’ Melegari bei Parma, Italien. In der Formel 3, IndyCar Series, GP3-Serie, Formel V8 3.5 und der Formel E werden nahezu ausschließlich Dallara-Fahrgestelle verwendet. Vereinfacht gesagt: Was Cosworth für Motoren, ist Dallara beim Chassis.

Mehr als 45 Jahre Erfahrung im Rennsport hat Firmengründer Gian Paolo Dallara nun in einem einzigen Auto konzentriert, das auf maximale Leistung ausgelegt ist, ohne dabei die Fahrsensitivität zu beeinträchtigen, wobei das Rezept von Colin Chapmans Lotus im Hinterkopf behalten wird.

Der Name ist Programm: "Stradale", auf italienisch ungefähr "straßentauglich", kennt so mancher noch von zivilen Versionen diverser Rallye-Boliden wie den Lancia 037. Beim Dallara Stradale war das Ziel, einen Tag auf der Strecke fahren zu können, um Empfindungen praktisch wie im Rennwagen zu fühlen, aber ohne die Notwendigkeit, dass ein Mechaniker den Wagen startet und Hilfe leistet, oder das Fahrzeug im Anhänger nach Hause zu bringen. Also auf eigener Achse hin, Spaß haben und wieder zurück. Mit Straßenzulassung und Kennzeichen.

Bildergalerie: Dallara Stradale im Test

Daniele Guarnaccia, Leiter des Stradale-Projekts bei Dallara, zeigt mir die Eckpunkte des Wagens: Nur 600 Fahrzeuge werden bis 2023 gebaut, rund 10 bis 12 pro Monat. Jedes davon hat eine Nummer. Homologiert ist der Stradale mit Straßenzulassung für Europa, er erfüllt sogar die Abgasnorm Euro-6d-Temp. Mit Pirelli wurde eine spezielle Trofeo-R-Bereifung entwickelt, optional ist ein schärferes R-Package erhältlich. Querbeschleunigung? Bis zu 2 G.   

Wie bereits erwähnt, stand Leichtbau an erster Stelle. Deshalb ist der Rahmen ein Kohlefaser-Monocoque, die Karosserieteile sind aus dem gleichen Material gefertigt. Die Abmessungen: 4,19 Meter lang, 1,88 Meter breit und 1,04 Meter hoch - sind funktional gedacht, sowohl aus Sicht des Schwerpunktes als auch aus Sicht der Aerodynamik: Mit dem festen Heckflügel erreicht der Abtrieb 820 Kilogramm bei Höchstgeschwindigkeit (280 km/h), praktisch nur 35 kg weniger als die Leermasse des Dallara Stradale. Optional, so verrät mir Signor Guarnaccia, gibt es auch einen Heckflügel, der abmontiert werden kann, sollte ein Stradale-Eigner auch mal vor der Oper vorfahren wollen. 

Apropos Individualisierung: Es gibt die Wahl zwischen Schaltgetriebe und Doppelkupplungsgetriebe, verschiedene Lösungen für die Aufhängungen (auch mit verstellbaren Dreiwege-Stoßdämpfern) und einen noch sportlicheren Auspuff. Besonders interessant ist der obere Teil des Dallara Stradale: Zur Wahl stehen gar keine Windschutzscheibe, kleine Abweiser, eine komplette Scheibe oder sogar zwei kleine Flügeltüren, um ein Kuppeldach wie das eines Jagdflugzeugs zu bilden. Dallara zufolge kann der Oberbau modular je nach Gusto variiert werden, ähnlich einem Hardtop-Dach bei Cabrios.

Dallara Stradale

Wie fährt er sich?

Und genau hier liegt das Problem für meine redakteurseigenen 1,88 Meter: Erst einmal in den Dallara Stradale hineinkommen. Wie erwähnt, öffnen sich zwar die Fenster flügeltürartig, das war es aber auch schon. Also muss man sich in den Italo-Flachmann gekonnt hineinschlängeln. Auf dem Fahrersitz gibt es eine Mulde, in die ich meinen rechten Fuß hineinstellen soll. Danach den Hintern in den Sitz fädeln und das linke Bein irgendwie über den Schweller bekommen. Festgeschnallt fühle ich mich wie ein "Mann mit Rädern dran" (wie es mal Manfred Krug besang): Alles verdammt eng hier und Schuhgröße 45 ist trotz verstellbarer Pedalerie ein echtes Manko, will ich nicht Kupplung, Bremse und Gas auf einmal treten. Sowohl das Kupplungspedal als auch der kurze Schalthebel möchten mit Nachdruck betätigt werden. Pures Rennsport-Feeling wecken die spartanischen Instrumente und das winzige Lenkrad mit unzähligen Knöpfen.

Wie eingangs erwähnt ist die Strecke nass, also lasse ich es erst einmal langsam angehen. Doch schnell spüre ich: Der Dallara Stradale ist kein Kuscheltier. Eher eine kleine Raubkatze, die dressiert werden will, aber dabei faucht, brüllt und ihre Krallen zeigt. Daniele gibt vom Beifahrersitz aus erfahrene Dompteur-Tipps: "Lass den Dritten drin!". Tatsächlich fühlt sich der Stradale im mittleren Drehzahlbereich am wohlsten: 500 Newtonmeter zwischen 3.000 und 5.000 Touren schmieren ordentlich Butter aufs Brot. Und je höher ich drehe, desto besser klingt der Dallara. (Noch geiler wird es übrigens von außen ...) 

Der hinter dem Fahrer angeordnete 2,3-Liter-Vierzylinder stammt von Ford, aber mit einigen von Dallara-Technikern angeforderten Modifikationen: ein größerer Turbo, ein anderes mechanisches Selbstsperrdifferenzial und andere Komponenten. Die sorgen für 400 PS statt der 350 PS des letzten Focus RS. Leider kann ich die für den Stradale angegebenen 3,2 Sekunden auf 100 km/h nicht auskosten, weil mich Daniele schon nach zwei Runden zurück an die Box beordert. Zu schade (wie auch die anderen Motor1-Kollegen anmerken), noch einige Zeit mehr, dann hätten der Stradale und ich uns sicher angefreundet. 

Dallara Stradale im Fahrbericht

Was kostet der Spaß?

Um einen der 600 produzierten Dallara Stradale zu bekommen, müssen Sie mindestens 158.000 Euro einplanen. Ohne Steuern, versteht sich. Im Gegenzug erhält man das Basismodell ohne Heckflügel und Windschutzscheibe. Inklusive Steuern kann es bis zu 250.000 Euro gehen, wenn Sie die Karosserie komplett geschlossen und mit allen Optionen, wie dem Flügel, der sportlicheren Verkleidung, dem Automatikgetriebe und so weiter wünschen. Eine ziemliche Ansage, wenn man bedenkt, was man für solche Summen bei Porsche und Co. kriegen kann. Ob der Name Dallara außerhalb Italiens genug Strahlkraft entwickelt, wird sich zeigen. Ungefilterter kann man jedenfalls Rennsport und Straßentauglichkeit kaum miteinander verbinden.

Bildergalerie: Dallara Stradale (2018)

Motor 2,3-Liter-Turbobenziner
Leistung 400 PS bei 6.200 U/min
Max. Drehmoment 500 Nm zwischen 3.000 und 5.000 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h 3,2 s
Höchstgeschwindigkeit 280 km/h
Länge 4,19 Meter
Breite 1,88 Meter
Höhe 1,04 Meter
Leergewicht 855 kg
Basispreis 158.000 Euro (ohne Steuern)