Audi TT gegen VW Scirocco: Auf dem Papier ist das Duell der beiden Konzernbrüder ein klassisches Patt. Beides schicke Großserien-Coupés zum bezahlbaren Preis und beides – zu großen Teilen – Derivate des VW Golf der fünften Generation. Motorisch herrscht selbstverständlich auch Gleichstand, denn schließlich schlägt unter beiden Coupé-Hauben dasselbe Zweiliter-Turbo-Herz mit 200 PS, und in beiden Wagen zeichnet das exzellente Sechsgang-DSG für blitzschnelle Schaltvorgänge verantwortlich. Noch nicht einmal der Blick in die Historie hilft bei der Vorabqualifizierung weiter: Immerhin beruft sich der Audi auf die coole Knallbüchse NSU Prinz TT, während der VW der Enkel des legendären ersten Scirocco von 1974 ist. Und der war bekanntlich nicht nur ein Golf im Giugiaro-Maßanzug, sondern kann mit Recht als eines der stilprägenden Volks-Coupés der siebziger Jahre bezeichnet werden.

Zurück in die Gegenwart
TT und Scirocco des Jahres 2008 haben mehr als nur die Namen mit ihren berühmten Vorfahren gemein. Beide sprechen nämlich noch heute ein ganz ähnliches Publikum wie in den sechziger und siebziger Jahren an. Damals wie heute zielen beide Coupés in die Herzen von Singles und Paaren, die ein schickes, sportliches und kostengünstiges Auto suchen, denen aber ein Golf GTI zu konventionell und alltäglich erscheint. Und diese Anforderungsprofil erfüllen sowohl das Audi- wie auch das VW-Coupé problemlos.

KAROSSERIE/INNENRAUM
Die zweite neuzeitliche TT-Generation wirkt zwei Jahre nach ihrer Markteinführung noch immer sexy – wenn auch auf die betont kühle und technische Art, die inzwischen im Hause Audi zum guten Ton gehört. Vorbei sind die Zeiten, in denen sich ein TT-Fahrer wie der Chauffeur eines Schützenpanzerwagens fühlte: Front- und Seitenscheiben fallen zwar nicht viel größer als beim Vorgänger aus, aber dieser kleine Unterschied hilft schon beträchtlich. So muss man sich etwa nicht mehr den Hals verrenken, um von der Haltelinie aus die Lichter der Ampel erspähen zu können. Die Verarbeitung im Inneren ist Audi-typisch perfekt und die Materialien wirken sehr edel. Die in unserem Testwagen verbauten Zusatzpakete (Leder und Aluminium) werten das Cockpit ebenso auf wie das optionale, seidenweiche Leder ,Feinnappa". Trotz aller Perfektion: Richtig abgedreht-coole Details wie sein Vorgänger hat der neue TT im Innenraum nicht zu bieten.

Kontrastprogramm
Aber wir wollen uns nicht beklagen: Auffälliges Design gibt's beim Scirocco des Jahre 2008 nämlich nur am Exterieur. Der Innenraum wurde fast komplett vom biederen Blechdachcabrio Eos übernommen. Lediglich die dreieckigen Türinnengriffe aus Hartplastik und die exzellenten Teil-Ledersitze mit dem grob gewebten Stoff auf den Innenbahnen hellen das arg nüchterne Cockpit auf. Ergonomisch gibt's nichts zu meckern: Genau wie im Golf oder Eos (oder im TT) sitzen alle Schalter dort, wo sie hingehören, und das griffige Sportlenkrad liegt super in der Hand. Im Vergleich zum TT allerdings fällt die Sitzposition etwas zu hoch und damit einen Tick weniger sportlich aus.

Scharfes Kleidchen
Ganz anders stellt sich die Sache beim Exterieur dar: Das modern und scharf gezeichnete Blechkleid des VW ist ein echter Augenschmaus und zieht selbst im verwöhnten München die Blicke der Mitmenschen auf sich. Die stylische Keilform hat allerdings auch ihre Nachteile: Anders als im TT kann der VW-Fahrer nur erraten, was sich hinter seinem Auto tut. Die winzige Heckscheibe und die überdimensionierten Rahmenkopfstützen machen die optionale Einparkhilfe (380 Euro) zum Pflichtkauf, und die ultrabreiten C-Säulen versperren zusätzlich die Sicht nach schräg hinten. Im Praxisnutzen-Wettbewerb fährt der VW seinem Ingolstädter Cousin trotzdem locker davon: Mit 292Liter Kofferraumvolumen und zwei vollwertigen Rücksitzen eignet sich der Scirocco auch als Transportmittel für den Familienurlaub. Im TT hingegen werden nur kinderlose Paare glücklich, denn die beiden Notsitzmulden im Fond taugen höchstens als zusätzliche Ablagefläche. Mit 290 Liter fällt der Kofferraum aber wenigstens kaum kleiner als im VW aus.

MOTOR/GETRIEBE
Identische Zutaten, ähnliches Ergebnis: Wie nicht anders zu erwarten, unterscheiden sich die beiden Antriebsstränge nur in Nuancen voneinander. Die 2,0-Liter-Turbos schieben hüben wie drüben bereits unten herum mächtig an und drehen hurtig auf deutlich über 6.000 Touren. Auf den kernigen Klang, den dieses Triebwerk im Golf GTI verbreitet, muss insbesondere der Scirocco verzichten. Der Audi knurrt zwar deutlich sportlicher, echten Gänsehaut-Sound produziert aber auch er nicht.

Blitzschnelle Gangwechsel
Der bullige Charakter der beiden Motoren passt perfekt zum blitzschnell agierenden Doppelkupplungsgetriebe DSG, das im Audi ,S tronic" heißt. Das Hochschalten geht praktisch unmerklich vonstatten und wird unter Volllast von dumpfen Schlägen aus dem Auspufftrakt begleitet. Lediglich beim schnellen Herunterschalten, etwa vom vierten in den zweiten Gang, wirken beide Getriebe nicht ganz so flott. Ebenfalls nicht perfekt für zwei so sportlich ausgelegte Heißsporne ist die Abwesenheit eines echten manuellen Schaltprogramms. Schließlich wachen auch im angeblich händischen Modus die elektronischen Schutzengel über die Schaltbox und legen beim Erreichen des roten Bereichs selbstständig und ungefragt die nächste Stufe ein. Im Alltag allerdings dürfte dies nur die wenigsten Piloten stören, denn in beiden Fahrzeugen gibt sich das Getriebe äußerst umgänglich und serviert auf Einstellung ,D" fast immer die passende Übersetzung. Egal ob DSG oder S-tronic: Viel besser kann eine Automatik heute nicht funktionieren.

Praktisch gleich schnell
Die Unterschiede auf der Straße fallen in der Realität geringer aus, als es die Papierform vermuten lässt: Während der Audi nach 6,4 Sekunden die 100er-Marke passiert, erreicht der VW die magische Schwelle erst nach 7,1 Sekunden. Das klingt dramatisch – wirklich davonfahren kann der TT dem Scirocco damit aber nicht. Auch der Unterschied bei der Höchstgeschwindigkeit ist vernachlässigbar: Der Audi schafft 240 Sachen, während im VW bereits bei 233 km/h Schluss ist. Ähnlich eng sieht es beim Verbrauch aus: Laut Herstellerangabe nimmt sich der VW 7,6 Liter Super auf 100 Kilometer, der Audi 7,7 Liter Super Plus. Im Test erreichte keiner der beiden auch nur annährend diese Werte: Minimal genehmigten sich beide Coupés 10,1 Liter pro 100 Kilometer. Bei forcierter Fahrweise sind allerdings mit beiden Kontrahenten problemlos Verbräuche von elf Liter und mehr drin.

FAHRWERK/LENKUNG
Der Audi geht gleich mit mehreren Vorteilen in die Fahrdynamikwertung: Erstens hat unser Testwagen das adaptive Fahrwerk ,Magnetic Ride" für 1.230 Euro an Bord, das den Ingolstädter auf Knopfdruck noch direkter, straffer und somit kurvenwilliger agieren lässt. Zweitens kommt dem TT seine clevere Konstruktion zugute: Der ,Spaceframe"-Aufbau setzt auf einen Mix aus Aluminium und Stahl, um Gewicht zu sparen und die Gewichtsverteilung zu optimieren. So ruhen rund 60 Prozent der 1.280 Kilogramm auf der Vorderachse. Für einen Fronttriebler ein guter Wert und hinterm Steuer durchaus erlebbar. Im Vergleich zum etwas kopflastigeren und schwereren Scirocco (1.318 kg) fühlt sich der Audi eine ein Stückchen leichtfüßiger und agiler an, besonders dann, wenn Magnetic Ride auf den härteren Sportmodus geschaltet wird. Das heißt allerdings nicht, dass der mit konventionellem Fahrwerk angetretene Wolfsburger ein Langweiler wäre – das Gegenteil ist der Fall. Wie schon im Einzeltest begeisterte uns der VW-Dreitürer mit seinem mega-agilen Einlenkverhalten, dem bei Trockenheit üppig vorhandenen Grip und einem Fahrwerk, das trotz des nicht komplett abschaltbaren ESP viel Spielraum für spaßige Manöver im Grenzbereich lässt.

Typische Audi-Lenkung im TT
Der Audi kann dies alles halt noch einen Tick besser, fühlt sich noch ein wenig neutraler und flotter an und vermittelt somit einen Hauch mehr an Sportlichkeit. Der auffälligste Unterschied betrifft die Konditionierung der Lenkungen. Beide Systeme bieten spontane Reaktionen und gute Rückmeldung. Der VW pflegt allerdings etwas härtere Umgangsformen und gibt sich von Anfang an deutlich straffer. Die TT-Lenkung ist bei moderatem Tempo auffällig leichtgängig und verhärtet sich erst bei höheren Geschwindigkeiten merklich. Egal ob im soften oder harten Modus: Auch das Ingolstädter Setup geht äußerst präzise zu Werk und lässt den Piloten damit spontan Vertrauen in die Fähigkeiten des 2+2-Sitzers fassen. Ebenfalls ähnlich gut, aber unterschiedlich konditioniert sind die Bremsen. Während die Audi-Stopper etwas später zupacken, reagiert das VW-Pedal extrem früh auf Input. Die eigentliche Bremsleistung liegt bei beiden Kandidaten auf hohem Niveau, auch wenn der Audi noch eine Spur bissiger und souveräner verzögert.

KOSTEN
Spätestens wenn es ums liebe Geld geht, schlägt die große Stunde des Scirocco. Beim Verbrauch liegen beide noch in etwa gleichauf, die Kaufpreise hingegen stammen aus zwei verschiedenen Welten. Während sich Audi den deutlich schickeren Innenraum und die aufwendige Alu-Karossiere fürstlich entlohnen lässt, stellt der etwas konventioneller konstruierte Scirocco nämlich fast ein Sonderangebot dar. 27.400 Euro sind für das 200-PS-Modell mit DSG fällig. Selbst unser gut ausgerüsteter Testwagen kommt inklusive Klimaautomatik, Touchscreen-Navi und 18-Zoll-Rädern ,nur" auf 34.481 Euro. Sicher: Das ist kein Pappenstiel, aber für diese Summe gäbe es den Ingolstädter noch nicht einmal in Basisausführung: 35.250 Euro wollen die Audi-Mannen für den 2+2-Sitzer mit S tronic sehen. Der Komplettpreis unseres Exemplars liegt dank zahlreicher Optionen in einer Region, die für die 200-PS-Klasse nur als heftig bezeichnet werden kann: Der Testwagenpreis von 45.365 Euro erscheint angesichts des Gebotenen dann doch reichlich überzogen.

Wertung

  • ☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆
  • Obwohl beide Coupés gleich stark und ähnlich schnell sind, geht das Rennen am Ende nicht so knapp wie zunächst vermutet aus. Der Grund ist simpel: Der Audi mag die etwas schärfere Fahrdynamik und den deutlich schöneren Innenraum bieten, lässt sich für diese Vorzüge aber auch sehr großzügig entlohnen: Beinahe 8.000 Euro Preisunterschied sprechen in dieser Klasse für sich selbst.

    Der cool gestylte Scirocco hingegen enttäuscht lediglich durch seinen arg biederen Innenraum und die etwas zu hohe Sitzposition. Ansonsten verbindet der Newcomer nämlich hohen Nutzwert und einen realistischen Grundpreis mit einer aufregenden Karosserie und den dazu passenden Fahreigenschaften. In seiner Klasse ist er für uns das derzeit verführerischste Angebot.

  • Audi TT Coupé 2.0 TFSI DSG
    85%
    sehr sportliches Fahrverhalten, cooles Interieur
    hoher Grundpreis, teure Extras
  • VW Scirocco 2.0 TSI DSG
    90%
    knackiges Fahrwerk, faire Preisgestaltung
    Motor-Sound mau, Innenraum wenig aufregend

Bildergalerie: Sportler im Familienzwist