Im Frühjahr 2011 hat Ford den neuen Focus losgeschickt, um die Kompaktklasse aufzumischen. Leicht wird das nicht: Das Leittier in diesem Segment ist nach wie vor jener VW, der als Begründer dieser Klasse auch seinen Namen gab: der Golf. Im Jahr 2010 wurden in Deutschland über 250.000 der Wolfsburger Wagen verkauft, knapp 73.000 Opel Astra an die Kunden gebracht und zirka 54.000 fabrikneue Ford Focus der Vorgänger-Reihe mit einem frischen Nummernschild versehen. Doch wie geht die Story weiter? Wir wollen es wissen und haben den Kölner Angreifer mit einem 115 PS starken 1,6-Liter-Diesel gegen einen Golf 1.6 TDI mit 105 PS und einen Opel Astra 1.7 TDCI mit 125 PS antreten lassen.

KAROSSERIE/INNENRAUM
Der neue Focus kommt mit einem recht frischen Design. Das auffällige Gesicht mit breiten Mundwinkeln, flachen Scheinwerferaugen und einer dünnen Nase ist Geschmackssache: ,Der sieht viel zu aggressiv aus!", haben wir mehrfach gehört, besonders von Besitzern des Vorgängers. Auch das Heck des Kölners gibt zu Diskussionen Anlass: Hier polarisieren vor allem die Leuchten, deren Kontur in die Seitenlinie zu laufen scheint. Eines steht dennoch fest: Einen langweiligen Auftritt können wir dem Ford nicht bescheinigen.

Kein blasser Typ
Auch der Astra ist alles andere als ein blasser Typ. Seine Designer mögen spitze Winkel, daher findet sich dieses Element an vielen Stellen, wie den Scheinwerfern und Leuchten, wieder. Seine schnittige Form lässt ihn zum Hingucker werden – das war bei Opel nicht immer so. Dem Astra steht der etwas elegantere Look, der von einer breiten Chromspange am freundlichen Gesicht noch unterstrichen wird.

Ein Anzug, der jedem passt
Wer auf klassisches Design steht, findet den Golf super. Auch die aktuelle sechste Generation ist das, was ein Golf schon immer war: ein Anzug, der jedem zu jeder Gelegenheit passt. Sein schnörkelloser Auftritt wird seit Jahren von Modeströmungen nur wenig berührt. Dass das von Vorteil sein kann, verraten seine Verkaufszahlen.

Hohe Ladekanten bei allen
,Praktische Eigenschaften" stehen bei der Kaufentscheidung für einen Kompaktwagen weit oben in der Checkliste. Wichtig sind vor allem eine breite Kofferraumöffnung und eine niedrige Ladekante. Meist werden die Mobile für den wöchentlichen Einkauf genutzt. Dabei dienen die Wagen jedoch oft als Fitnessgeräte, weil man beispielsweise Wasserkästen mühsam hineinhieven muss. In unserem Vergleich kassiert vor allem der Opel Minuspunkte, denn er hat nicht nur die höchste Ladekante – immerhin 73 Zentimeter ab Boden, sondern auch die schmalste Ladeöffnung. Auch der Ford Focus bekleckert sich nicht mit Ruhm, denn seine hohe Kante – etwa 71 Zentimeter ab Boden – und der tief liegende Kofferraum machen ihn nicht gerade zum Einräum-Wunder. Hier punktet der Golf: Wir müssen unser Gepäck nur 68 Zentimeter hoch heben. Allerdings ist das auch kein Traum-Wert.

Opel: 370 Liter für Gepäck
Bei der Stauraum-Größe nehmen sich die Konkurrenten nicht viel. Der Golf bietet 350 Liter, der Focus 363 Liter und in den Opel passen 370 Liter. Bei allen dreien können wir mit wenigen Handgriffen die Rücklehnen jeweils im Verhältnis ein Drittel zu zwei Drittel umlegen, nur beim Ford lässt sich auch die Bank klappen. Der Kölner hat nach dem Umbau das geringste Volumen: Seinen 1.148 Liter stehen 1.235 Liter beim Opel und immerhin 1.305 Liter beim Golf gegenüber. Doch während der Ford eine nahezu ebene Ladefläche bietet, haben Golf und Opel jeweils eine Schwelle durch die umgeklappten Lehnen.

Platz im Fond: Golf hat den meisten Platz
Wer die zweite Reihe nicht als Stau-, sondern als Passagierraum nutzt, bringt seine Gäste in allen drei Kandidaten nicht schlecht unter. Allerdings gibt es für einen 1,80-Meter-Mann im Kompakt-Kölner recht wenig Kniefreiheit. Den meisten Platz und die beste Kopffreiheit bietet der Golf, wenngleich er in diesem Test aufgrund seiner nicht vorhandenen Fondtüren die Verwindungsfähigkeit seiner Mitfahrer auf die Probe stellt. Aus diesem Grund empfehlen wir dringend, den Aufpreis von 785 Euro nicht zu scheuen und den Wolfsburger als Fünftürer zu bestellen. Der Opel bietet ausreichend viel Raum für Knie, Kopf und Schultern, auch wenn die Beinfreiheit ruhig noch ein bisschen besser sein dürfte.

Weiches Sitzen im Focus
Die Sitze in der ersten Reihe unterscheiden sich bei unseren Dreien voneinander. Während wir im Golf auf einer straffen Polsterung sitzen, sind wir beim Opel weicher und beim Ford richtig weich gebettet. Letzterer hat die Sessel mit dem wenigsten Seitenhalt und der kürzesten Oberschenkelauflage. Beim Opel können wir die Auflage durch Herausziehen noch verlängern. Der Verstellhebel für die Neigung der Ford-Lehne sitzt recht weit hinten, hier haben Opel und VW bessere Karten. Minuspunkte außerhalb der Wertung bekommt der dreitürige Wolfsburger wegen seines weit hinten liegenden Gurts – wir müssen uns verrenken, um an das sichernde Gewebeband zu kommen.

Golf: Zweckmäßig und praktisch
Bei der Inneneinrichtung finden wir den äußeren Eindruck bestätigt. Zweckmäßig, praktisch und nüchtern ist der Golfwagen eingeräumt. Die Bedienung funktioniert ebenso intuitiv wie einfach, störender Schnickschnack ist nicht zu finden. Hier gibt es kaum etwas zu meckern – und nichts zu diskutieren. Ein Golf ist und bleibt ein Golf. Dazu gehören leider auch gesalzene Preise: Die Multimediaanlage mit Navigationssystem kostet 2.685 Euro, punktet aber mit einem 6,5 Zoll großen Touchscreen.

Astra mit Ambiente-Licht
Im Astra finden wir ein elegant gestaltetes Cockpit vor, das auch ergonomisch passend eingeräumt ist. Nachts umspielt rotes Ambientelicht den Schalthebel und leuchtet vornehm hinter den Türzuziehgriffen. Auch unser Test-Astra wird von einem Navigator geleitet. Das Gerät ist für 1.150 Euro an Bord, das Display misst sieben Zoll. Wie beim Golf lässt sich das System selbsterklärend bedienen, die großen Lenkradtasten für Tempomat und Musikanlage geben keine Rätsel auf.

Stylisch, aber nicht funktional
Der Ford ist innen genauso mutig-stylisch eingerichtet, wie er von außen aussieht. Das Styling ist gewöhnungsbedürftig, außerdem leidet die Funktionalität unter dem futuristischen Look. Von einer einfachen Bedienung können wir im Focus nicht gerade sprechen. Es gibt zwar in unserem Testauto je ein sehr gut ablesbares Display zwischen den Uhren und in der Mittelkonsole, doch die Bedienung der vielen Funktionen ist nicht leicht, wenn man keine Einweisung bekommen hat. Das Lenkrad ist mit teils nicht beschrifteten Tasten überfrachtet, die Menüführung durch Bordcomputer und Navigationssystem gestaltet sich kompliziert. Zudem ist der fünf Zoll große Navibildschirm einfach zu klein für die Fülle an Informationen, die angezeigt werden. Die schmalen und schräg angeordneten Bedientasten für das System in der Mittelkonsole sind ebenfalls zu klein und schlecht ablesbar. Wer breite Finger hat, kann auf einer holprigen Straße schon mal danebentippen, wenn er von Navigationsanzeige auf Radio oder CD wechseln will.

MOTOR/GETRIEBE
Unser Test-Golf trägt das "BlueMotion"-Label und bringt deswegen einige Besonderheiten mit. Die sollen in erster Linie beim Sprit sparen helfen und die Umwelt schonen. So werden in der Getriebebox nur fünf Vorwärtsgänge sortiert, bei den anderen beiden Kompakten sind es jeweils sechs. Unter den Hauben schlägt jeweils ein Dieselherz, beim VW ein 105 PS starkes mit 1,6 Liter Hubraum, beim Ford ein gleich großer Motor mit 115 PS, der Opel schafft 125 Pferdestärken aus 1,7 Liter Hubraum heran. Damit setzt sich der Rüsselsheimer schwungvoll in Bewegung, zeigt aber, dass viel PS nicht immer viel Spurtstärke auf dem Papier bedeuten. 11,5 Sekunden braucht der Opel auf Tempo 100, bald überholt vom Golf mit 11,3 Sekunden und absolut getoppt vom Ford Focus mit einer Zeit von 10,9 Sekunden.

Mittelplatz beim Ohrenvergleich
Beim Ohrenvergleich fällt die Opel-Maschine als lautestes Aggregat des Trios auf. Der Ford nimmt den Mittelplatz ein, der Golf kommt mit dem leisesten Antrieb oben aufs Treppchen. Der dient ihm auch dazu, mit einer kleinen Anfahrschwäche nach dem ersten Gasgeben schön kräftig zu beschleunigen und bei Zwischenspurts willig am Gas zu hängen. Der Opel kommt zwar gut in die Gänge und eilt die Drehzahl-Kellertreppe flott hoch, verliert aber beim Beschleunigen aus höheren Touren ein wenig die Lust.

Ford: Nur wenig spritzig
Den Wunsch, schnell und zügig voranzukommen, setzt der Ford nur zaghaft um. Verhalten geht es vom Start weg: Wir müssen das Gaspedal beim Anfahren ungewohnt kräftig drücken, um loszukommen. Auch beim kleinen Sprint zwischendurch ist der Ford nicht der Spritzigste. Wir müssen viel schalten, um beim ambitionierten Fahren Spaß zu haben.

Knackige Schaltung im Golf
Der Griff zum Hebel bereitet uns im Golf die meiste Freude: Kurz und knackig flutschen die fünf Übersetzungen an die richtige Stelle, Gangwechsel machen Vergnügen und können auf kurzen Wegen erfolgen. Die beiden Konkurrenten können da nicht ganz mithalten: Etwas schwergängiger funktioniert die Sortierung beim Blitz-Träger, die Gänge lassen sich aber exakt an die richtige Stelle führen. Nur wenig Spaß macht der Schaltvorgang im Rheinländer: Zäh und langwegig gestaltet sich hier die Getriebearbeit.

Unterschiede beim Verbrauch
Bei der Höchstgeschwindigkeit unterscheiden sich die Kandidaten nicht wesentlich: 190 km/h wird der Golf schnell, 193 km/h der Focus und 195 km/h der Astra. Beim Verbrauch sind die Differenzen schon größer: 3,8 Liter Diesel stehen für den Golf BlueMotion im Datenblatt, 4,2 Liter für den Focus und 4,5 Liter für den Astra. Bei unseren straffen Testfahrten im Stadtverkehr, über Landstraßen und auf Autobahnen haben wir an diese Werte allerdings nicht herankommen können: 7,8 Liter hat der Opel Astra geschluckt, 6,0 Liter der VW Golf und 6,9 Liter der Ford. Hier ist sicherlich für den Einzelnen noch Sparpotenzial vorhanden. Bei den Autos in unserem Vergleich hatten Ford und Golf ein Start-Stopp-System dabei, das Opel für diese Motorisierung nicht anbietet. Der verbrauchsoptimierte BlueMotion-Golf hat darüber hinaus noch Leichtlaufreifen und ein Rekuperationssystem.

FAHRWERK/LENKUNG
Das beste Fahrwerk im Trio hat der Ford. Im Vergleich zum Vorgänger wurde der Kölner komfortabler eingestellt, aber das hat dessen ohnehin schon guten Unterbau noch verbessert. Die Federung schluckt auch gröbere Unebenheit gut, der kompakte Domstädter lässt sich zudem recht dynamisch und ohne große Kursschwankungen durch Kurven ziehen. Dafür dürfte allerdings nach unserem Geschmack die Lenkung gern noch direkter abgestimmt sein. Das können wir beim Rüsselsheimer sogar selber machen: Der Opel in unserem Vergleich hat das adaptive Fahrwerksystem ,FlexRide" an Bord. Bei dem für 980 Euro orderbaren System können wir uns Lenkung, Dämpfer und das Ansprechverhalten des Motors je nach Lust, Laune und Strecke in den Modi ,Sport", ,Normal" und ,Tour" einstellen. Im Sport-Modus haben wir die Möglichkeit, per Menü ein Setup festzulegen. So lässt sich beispielsweise einstellen, dass wir auf Tastendruck gern eine direkte Lenkung, aber ein eher komfortabel ausgelegtes Fahrwerk haben wollen. Diese Individual-Option ist super, denn im vordefinierten Tour-Modus reagiert uns die Steuerung zu indirekt. Wenn wir den Blitz-Wagen optimal konfiguriert haben, können wir den Kompakten schnell und mit viel Spaß durch Wegbiegungen zirkeln. Die Karosserie wankt dabei kaum. Das Menü erlaubt es uns auch festzulegen, dass die Farbe der Instrumentenbeleuchtung auf Tastendruck von Weiß nach Rot wechselt – auf dieses Feature ließe sich zur Not verzichten.

Straffer Golf
Eine vergleichsweise straffe Verbindung zur Straße hat der tiefergelegte BlueMotion-Golf. Der auf Sparsamkeit getrimmte Wolfsburger liegt um 15 Millimeter tiefer als die vergleichbare Normalversion, das soll die Aerodynamik verbessern. Er wankt auch in schnellen Kurven wenig und erlaubt einen flotten Fahrstil. Der Klassenprimus ist zwar nicht bretthart gefedert, meldet allerdings gröbere Schäden der Straße spürbar. Seine Lenkung ist direkt eingestellt und erlaubt ein exaktes Handling.

AUSSTATTUNG/PREIS
Lassen wir die Rechnung kommen. Der Ford Focus 1.6 TDCI mit 115 PS und Sechsgang-Getriebe ist für 22.100 Euro in der Ausstattung Trend zu haben. Die Basis-Linie Ambiente lässt sich mit dieser Motorisierung nicht kombinieren. Etwas verwirrend ist die Aufpreis-Politik beim kompakten Kölner: So gibt es serienmäßig eine Klimaanlage, die Zwei-Zonen-Klimaautomatik ist nur im Paket mit einem automatisch abblendenden Innenspiegel, Nebelscheinwerfern und Sensoren für Licht und Scheibenwischer für 600 Euro zu haben. Der Opel Astra 1.7 CDTI mit 125 PS und ebenfalls einer Sechsgang-Box schlägt in der Design-Edition mit 23.550 Euro zu Buche, die Grundausstattung Selection wird nicht in Verbindung mit diesem Motor angeboten. Die Klimaautomatik für den Rüsselsheimer Kompaktwagen ist 350 Euro teuer. Für den dreitürigen VW Golf 1.6 TDI BlueMotion mit Fünfgang-Schaltung sind 21.850 Euro zu berappen, der Fünftürer kostet ab 22.635 Euro. Wer eine Klimaautomatik will, muss 355 Euro mitbringen. Da das Auto in unserem Test ein BlueMotion-Modell ist, lassen sich nicht alle Extras aus der Zubehörliste für die anderen Golf-Varianten zubuchen.

Wertung

  • ☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆
  • Die Entscheidung fällt nicht leicht: Alle drei sind gut, die Unterschiede liegen in Details. Der VW Golf 1.6 TDI bietet das knackigste Handling, allerdings auch ein recht straffes Fahrwerk. Ganz anders der Ford Focus 1.6 TDCI: Seine Fahrwerksabstimmung ist ausgewogen, er verliert allerdings durch seine schwergängige Schaltung und den zugeschnürt wirkenden Motor. Der Opel Astra 1.7 CDTI nimmt einen guten Mittelplatz ein, schon durch sein adaptives Fahrwerk gewinnt er viel. Bei ihm sind die enge Ladeöffnung und die hohe Ladekante zu kritisieren.

  • Ford Focus 1.6 TDCi
    80%
    ausgewogene Fahrwerksabstimmung
    kompliziertes Bedienkonzept, lange Schaltwege
  • Opel Astra 1.7 CDTI
    80%
    viel Kraft von unten, adaptives Fahrwerk
    hohe Ladekante, enge Kofferraumöffnung
  • VW Golf 1.6 TDI
    90%
    spritziger Motor, knackige Schaltung
    auf schlechten Straßen unkomfortabel

Bildergalerie: Golfklasse im Fokus