Alle reden vom ganz neuen Renault Espace, der als SUV aber nicht mehr viel mit dem Van-Klassiker von einst gemeinsan hat. Und ob sich Renault hier an einen ähnlich irren Umbau trauen würde wir vor fast 30 Jahren? Wir dürfen vorstellen: der Espace F1. Der Name war Programm.

Auch wenn das Ziel sicher schnell erreicht wäre: Eine Fahrt in den Urlaub oder zum Einkaufen ist mit dem "Espace F1" nicht zu empfehlen. Denn dort, wo sonst das Urlaubsgepäck oder der Wochenendeinkauf verstaut wird, brüllte in einer der schnellsten Raumlimousine der Welt ein rund 810 PS starker Renault-Motor aus der Formel 1.

Hintergrund: Anlässlich des zehnjährigen Produktionsjubiläums des Espace und zur Feier der dritten Formel-1-Konstrukteursweltmeisterschaft in Folge hatten Renault, Matra und der Grand-Prix-Rennstall Williams 1994 einen Rennwagen im Espace-Design auf ultrabreite Slick-Reifen gestellt. Unter der Karosserie des Espace II verbarg sich pure Formel-1-Technik.

Renault Espace F1 (1994)
Renault Espace F1 (1994)

Auf Basis des Chassis des Williams FW14 von 1993, mit dem Alain Prost gerade seinen vierten Formel-1-Fahrertitel gewonnen hatte, baute Rennwagenkonstrukteur Gérard Ducarouge eine spektakuläre Fahrmaschine. Für die fünf bequemen Rücksitze sorgte der als Mittelmotor verbaute 810 PS starke 3,5-Liter-V10 von Renault alias RS5b, der ein Jahr zuvor das Maß aller Dinge in der Formel 1 gewesen war.

Den Kofferraum füllte das halbautomatische Williams-Sechsganggetriebe, das über Knöpfe am kleinen Rennlenkrad geschaltet wurde und die Kraft des Zehnzylinders auf die mit profillosen Gummiwalzen bestückten Hinterräder übertrug.

Die Fahrleistungen des Espace F1 gaben dem Sprichwort "Namen sind Schall und Rauch" eine ganz neue, treffende Bedeutung: Bei einem beherzten Tritt aufs Gaspedal entwickelte das Showcar jenen infernalischen Sound, der Musik in den Ohren aller Rennsportfans ist. Beim Beschleunigen - den Sprint von null auf 200 km/h absolvierte der Espace F1 in nur 6,3 Sekunden - qualmten trotz Traktionskontrolle die Socken.

Renault Espace F1 (1994)
Renault Espace F1 (1994)
Renault Espace F1 (1994)

Auf den 27 Zentimeter breiten Reifen vorn und 36 Zentimeter breiten Reifen hinten waren in den Kurven Querbeschleunigungskräfte von 1,5 bis 2,0 g zu spüren. Knapp 300 km/h erreichte der Renn-Van als Höchstgeschwindigkeit. Auch die Verzögerung der Kohlefaser-Bremsscheiben (Durchmesser: 355 Millimeter vorn, 280 hinten) drückte die Insassen im Extremfall mit dem Vierfachen ihres Körpergewichts in die Sechspunktgurte.

Ein riesiger Dachspoiler, ein Heckdiffusor und ein vergrößerter Lufteinlass mit integriertem Frontflügel im Bug sorgten dafür, dass der Espace F1 auf der Rennstrecke nicht den Boden unter den Rädern verlor - bei Tempo 300 schweben selbst Jumbo-Jets durch die Luft.

Apropos Jets: Durch die hinter den Vordersitzen freiliegenden, aber nun überdachten Ansaugtrompeten erreichte die Geräuschemission im Innenraum stattliche 160 dB(A) - dagegen klingt ein mit Nachbrenner startender Düsenjet wie ein laues Lüftchen.

Heiß her ging es im Formel-1-Raum auch bei den Innenraumtemperaturen: Auf 60 Grad Celsius und mehr heizte das Grand-Prix-Aggregat den Innenraum der einzigartigen Raumlimousine auf. Ex-Grand-Prix-Pilot Eric Bernard (45 WM-Läufe für Larousse und Ligier) bemerkte einmal, dass der 1.100 Kilogramm leichte Renn-Espace immer dann am meisten Spaß machte, wenn er auf zwei Rädern durch die Kurven gejagt wurde.

Übrigens: Einen serienmäßigen Van mit Mittelmotor gab es tatsächlich einmal, nämlich die erste Generation des Toyota Previa aus dem Jahr 1990. Aber das ist eine ganz andere Geschichte, die Sie hier lesen können.

Bildergalerie: Renault Espace F1 (1994)