Die europäischen Energie- und Umweltminister haben eines der umfassendsten Klimaschutzpakete in der Geschichte der EU auf den Weg gebracht. In Luxemburg verständigten sie sich bei ihrem zweitägigen Treffen auf weitreichende Verschärfungen bestehender Klimaschutzvorgaben.

Grundlage dafür ist das "Fit-for-55-Paket" der EU-Kommission, mit der die EU ihre Klima-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent senken und damit die Vorgaben des Pariser Weltklimaabkommens einhalten will. Allerdings haben die Minister das vom EU-Parlament beschlossene komplette Verbrenner-Verbot abgemildert. Nun heißt es lediglich: "PKW-Neuwagen sollen ab 2035 vollständig CO2-frei fahren; dazu soll die Elektrifizierung im Verkehr vorangetrieben werden." 

Es gibt also ein Hintertürchen für den Verbrenner mit Blick auf e-Fuels. Für deren Einbeziehung hatte sich innerhalb der deutschen Bundesregierung die FDP stark gemacht. Jedoch ist ungewiss, wie teuer und energieaufwendig die Produktion von e-Fuels im großen Maßstab sein wird.

Bundesumweltministerin Steffi Lemke: "Europa hat heute die Weichen für mehr Klimaschutz im Verkehr gestellt. Das ist ein riesiger Fortschritt und lenkt den Verkehrssektor auf den Weg der Klimaneutralität. Gerade im Verkehr gibt es enormen Nachholbedarf. Die EU-Mitgliedstaaten haben mit überdeutlicher Mehrheit dafür gestimmt, dass ab 2035 nur noch Autos und leichte Nutzfahrzeuge zugelassen werden, die kein CO2 ausstoßen. Wir setzen damit das klare Signal, dass wir die Klimaziele erreichen müssen. Sie geben der Autoindustrie die Planungssicherheit, die sie braucht."

Im nächsten Schritt werden die Energie- und Umwelträte unter tschechischer EU-Ratspräsidentschaft zusammen mit dem Europäischen Parlament im Trilog-Verfahren weiterverhandeln. Für diese endgültige Neuformulierung relevanter Klimaschutz-Richtlinien des Fit-for-55-Pakets ist das kommende zweite Halbjahr 2022 vorgesehen.

Die EU-Kommission hat im Rahmen des Pakets "Fit für 55" vorgeschlagen, die Vorschriften für die CO2-Emissionen von Personenkraftwagen und leichten Nutzfahrzeugen fortzuschreiben. Demnach müssen die Hersteller ab dem Jahr 2030 anspruchsvollere CO2-Flottengrenzwerte erfüllen, als das bislang der Fall ist. Im Jahr 2035 beträgt die Minderung sowohl bei Pkw als auch bei leichten Nutzfahrzeugen 100 Prozent.

Weiterhin wird dem Beschluss zufolge die Kommission einen Vorschlag machen, wie nach 2035 außerhalb der Flottengrenzwerte noch Fahrzeuge zugelassen werden können, die dann ausschließlich mit klimaneutralen Kraftstoffen (E-Fuels) betrieben werden; dabei muss dies im Einklang mit dem EU-Recht und in Übereinstimmung mit den Klimazielen der EU stehen. Einen Vorschlag für den Bereich außerhalb der Flottengrenzwerte wird die EU-Kommission entwickeln und vorlegen. 

Kritik kommt wenig überraschend vom Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA). Dort heißt es: "Die Einigung im Rat lässt vieles im Unklaren und sieht immer noch ein faktisches Verbrennerverbot 2035 vor. Bei E-Fuels scheint es nur für eine Absichtserklärung gereicht zu haben, deren Umsetzung offen ist. Außerdem fehlen die Rahmenbedingungen und klare Zielvorgaben, die die Voraussetzungen für den entsprechenden Hochlauf der E-Mobilität schaffen, insbesondere der Auf- und Ausbau der Ladeinfrastruktur.

"Mit diesem Beschluss haben die Umweltministerinnen und Umweltminister eine Entscheidung gegen eine technologieoffene Industriepolitik getroffen und ignorieren den immer noch mehr als mangelhaften Auf- und Ausbau der europäischen Ladeinfrastruktur. Sie übernehmen keine ausreichende Verantwortung für einen entschlossenen flächendeckenden Aufbau, der die Lebensrealitäten der Verbraucherinnen und Verbraucher berücksichtigt und Laden immer und überall ermöglicht.

Bei den Vorgaben zum Ausbau der Lade- und H2-Tankinfrastruktur war der Rat bei weitem nicht ehrgeizig genug. Das gefährdet nicht nur die Zielerreichung, sondern verspielt zusätzlich Verbrauchervertrauen sowie die Chance, Klima- und Industriepolitik erfolgreich zu vereinen. Das muss jetzt zeitnah korrigiert werden", erklärt VDA-Präsidentin Hildegard Müller.

"Die Elektromobilität ist ohne Frage die zentrale Säule, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, auch die Autoindustrie engagiert sich hier mit gewaltigen finanziellen Anstrengungen in Forschung und Entwicklung und den Umbau von Werken. Die EU hat bisher aber keine ausreichenden Pläne dafür vorgelegt, wie die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass ab 2035 nur noch Elektroautos verkauft werden können. Wir empfehlen daher weiterhin dringend, dass erst in einem vollumfänglichen Review im Jahr 2028 anhand festgelegter Kriterien über die finale Zielsetzung nach 2030 entschieden wird", so Müller weiter.

Ähnlich äußert sich der europäische Verband der Automobilhersteller ACEA: "Um es ganz klar zu sagen: Die Automobilindustrie wird ihren vollen Beitrag zum Ziel eines kohlenstoffneutralen Europas im Jahr 2050 leisten. Aber die Entscheidung des Rates wirft wichtige Fragen auf, die noch nicht beantwortet sind, etwa wie Europa den strategischen Zugang zu den wichtigsten Rohstoffen für die E-Mobilität sicherstellen wird", so Oliver Zipse, ACEA-Präsident und Vorstandsvorsitzender von BMW.

Als kluge Entscheidung wertet der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) das Votum der EU-Umweltministerinnen und -minister, dass die Möglichkeit geschaffen werden soll, neue Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auch ab 2035 zuzulassen, wenn sie mit klimaneutral hergestellten synthetischen Kraftstoffen betrieben werden. 

Und was sagen "Fridays for Future" und Greenpeace? Hier waren Stand 29. Juni, 12:30 Uhr, noch keine Presse-Staments zu finden ...