Diese Entscheidung lässt aufhorchen: Das EU-Parlament hat sich für ein Verkaufsverbot von Pkw und leichten Nutzfahrzeugen ("cars and vans") mit Verbrennungsmotor ab 2035 entschieden. Das Votum fiel mit 339 zu 249 Stimmen aber relativ eng aus. Jedoch muss diese Maßnahme nun mit den EU-Mitgliedsstaaten verhandelt werden.

Mit dem Vorschlag wird die Verordnung (EU) 2019/631 geändert, indem ehrgeizigere Standards für die Verringerung der CO2-Emissionen von neuen Pkw und Kleintransportern festgelegt werden. Im Vergleich zu den für 2021 geltenden CO2-Emissionszielen müssten bis 2030 die Emissionen von in der EU neu zugelassenen Personenkraftwagen um 55 Prozent und die Emissionen von in der EU neu zugelassenen Kleintransportern um 50 Prozent gesenkt werden.

Bis 2035 müssten die CO2-Emissionen neuer Pkw und Transporter um 100 Prozent gesenkt werden, alle Neufahrzeuge müssten Null-Emissionen aufweisen. Der Anreiz für emissionsfreie und emissionsarme Fahrzeuge würde ab 2030 entfallen.

Ab 2030 könnten nur noch Hersteller, die für weniger als 1 000 Neuzulassungen verantwortlich sind, eine Ausnahme von dem spezifischen Emissionsziel beantragen. Die Ausnahmeregelung für Hersteller, die für 1.000 bis 10.000 Pkw oder 1.000 bis 22.000 Lieferwagen verantwortlich sind, endet 2029.

Die EU-Kommission will bis zum 31. Dezember 2025 und danach alle zwei Jahre über die Fortschritte auf dem Weg zur emissionsfreien Straßenmobilität berichten. Auf der Grundlage der Berichterstattung müsste die Kommission im Jahr 2028 die Wirksamkeit und die Auswirkungen der Verordnung überprüfen.

Die Anhänge der Verordnung würden geändert, um die Formeln für die Berechnung der EU-weiten Flottenziele für 2030 anzupassen und die Formeln für 2035 sowie die jährlichen spezifischen Emissionsziele für jeden Hersteller festzulegen.

Natürlich kommt Kritik an der Entscheidung des EU-Parlaments aus vielen Richtungen: Fridays for Future hätte das Verbot am liebsten schon 2025 gesehen, während die großen Automobilverbände die einseitige Ausrichtung bemängeln. Die Hersteller selbst haben zumeist schon selbst ein Verbrenner-Ausstiegsdatum für Europa genannt, häufig zwischen 2028 und 2030. 

Eric-Mark Huitema, Generaldirektor des Automobilherstellerverbands ACEA, weist auf die wachsende Kluft zwischen Westeuropa und Mittel- und Osteuropa hin, wenn es um emissionsfreie Mobilität geht, und warnt davor, dass ein schlecht gemanagter Übergang nicht nur zu großen sozialen Verwerfungen unter den Autoarbeitern und Bürgern führen könnte, die den Zugang zu erschwinglicher Mobilität verlieren, sondern auch die Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen und die EU untergraben würde.

Das ACEA-Positionspapier begrüßt die Tatsache, dass das Ziel für 2025 unverändert bleibt, stellt jedoch fest, dass das vorgeschlagene Ziel für 2030 eine massive Verbreitung von Elektroautos erfordert, und äußert gleichzeitig die Sorge, dass die vorgeschlagene Infrastruktur für alternative Kraftstoffe keine ausreichende Lade- und Betankungsinfrastruktur bereitstellen würde.

Der ACEA hält das für 2030 vorgeschlagene Ziel für Kleintransporter für äußerst schwierig. Außerdem hält er es für verfrüht, ein Ziel für 2035 festzulegen. Schließlich weist er darauf hin, dass die Arbeitnehmer in der Automobilindustrie umgeschult werden müssen, um eine gerechte und sozialverträgliche Umgestaltung der Wertschöpfungskette in der Automobilindustrie zu erreichen.

CLEPA, der europäische Verband der Automobilzulieferer, kritisiert eine Verordnung zur schrittweisen Abschaffung von Verbrennungsmotoren und behauptet, dass eine halbe Million Arbeitsplätze in der Automobilindustrie verloren gehen würden, wenn man sich nur auf Elektrofahrzeuge konzentrieren würde.

CLEPA und die europäischen Kraftstofflieferanten plädieren dafür, den Fokus weg von den Auspuffemissionen hin zu einer ganzheitlichen Betrachtung des Klimabeitrags der Kombination von Energie- und Antriebstechnologie zu verlagern, und fordern die Kommission auf, eine Strategie für erneuerbare nachhaltige Kraftstoffe zu entwickeln.

Der Europäische Biogasverband empfiehlt, fossile Kraftstoffe durch fortschrittliche Biokraftstoffe (Biomethan) zu ersetzen und eine EU-Gesetzgebung für Kraftfahrzeuge zu verabschieden, die auf einer Lebenszyklusanalyse und einem Well-to-Wheel-Ansatz basiert.

Eurelectric, der Vertreter der Elektrizitätswirtschaft, unterstützt die vorgeschlagenen Ziele, spricht sich jedoch für einen linearen Verlauf der CO2-Emissionsreduzierung zwischen 2025 und 2035 aus und fordert, die Benchmark für den Verkauf von emissionsfreien und emissionsarmen Fahrzeugen nur auf emissionsfreie Fahrzeuge anzuwenden, nicht aber auf Plug-in-Hybrid-Elektrofahrzeuge.

Der Europäische Rat für das Kraftfahrzeuggewerbe (CECRA) nimmt die gestrige Plenarabstimmung des Europäischen Parlaments zur Kenntnis. Man ist jedoch zusammen mit anderen Interessenvertretern der Automobilindustrie nach wie vor von der Notwendigkeit eines Technologiemixes überzeugt, der alle relevanten Lösungen zur Reduzierung der CO2-Emissionen umfasst, ohne die unterschiedlichen Lebensrealitäten der Menschen und die Bedürfnisse der Industrie zu ignorieren. Wir müssen das richtige Gleichgewicht finden!

Die Dekarbonisierung des Straßenverkehrs sollte nicht zu sozialen und wirtschaftlichen Verwerfungen führen. Die jüngsten Entwicklungen wie die Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben die Unsicherheiten erhöht.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hat die Forderung des EU-Parlaments nach einem Verkaufsverbot von Neuwagen mit Verbrennungsmotor ab 2035 kritisiert. Die Abgeordneten hätten "eine Entscheidung gegen die Bürger, gegen den Markt, gegen Innovation und gegen moderne Technologien getroffen", erklärte VDA-Präsidentin Hildegard Müller am Mittwochabend.

"So will diese Entscheidung nicht wahrhaben, dass es in weiten Teilen Europas keine ausreichende Ladeinfrastruktur gibt. Es ist daher für eine derartige Zielsetzung schlichtweg noch zu früh. Die Kosten der Verbraucher werden dadurch erhöht, das Verbrauchervertrauen aufs Spiel gesetzt."

Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) zeigt sich enttäuscht über das Votum des EU-Parlaments, dass synthetische Kraftstoffe nicht positiv auf die neuen CO2-Flottengrenzwerte angerechnet werden sollen. Das führt faktisch zu einem Verbrenner-Verbot ab 2035.

"Damit haben die Parlamentarier eine große Chance vertan, die Zukunft der individuellen Mobilität technologieoffen zu gestalten", bedauert ZDK-Präsident Jürgen Karpinski. "Wer schnelle Erfolge bei der CO2-Reduktion erzielen will, muss den aktuellen Fahrzeugbestand in den Blick nehmen. Das sind in Deutschland rund 46 Millionen Pkw und weltweit 1,5 Milliarden Pkw. Mit klimaneutralen E-Fuels oder Biokraftstoffen könnten alle diese Fahrzeuge klimaneutral angetrieben werden, und die bestehende Tankstellen-Infrastruktur wäre vorhanden."

Unabhängig vom Votum des EU-Parlaments hält der ZDK an seiner Strategie fest, für den Aufbau einer europaweiten E-Fuel-Infrastruktur zu kämpfen. Das würde zudem auch die Abhängigkeit von Lieferungen fossiler Brennstoffe aus dem Ausland reduzieren helfen.

Nach Ansicht des ZDK werden viele Millionen Menschen auch in Europa ihre Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren über das Jahr 2035 weiter betreiben, weil die E-Mobilität für sie aus unterschiedlichen Gründen keine Alternative ist. "Sie mitzunehmen auf dem Weg, mit diesen Fahrzeugen klimaneutral zu fahren, muss Aufgabe der Politik sein, in Europa und insbesondere auch hier in Deutschland", so Karpinski.