Scheitern als Chance: Das klingt nach einem Bestseller der Küchenpsychologie, kommt aber tatsächlich vor. Zum Beispiel beim Porsche 924. Anfang 1972 beauftragte VW die Porsche-Ingenieure in Weissach mit der Entwicklung eines Nachfolgers für den unglücklichen VW-Porsche 914. Das Projekt lief unter der Bezeichnung EA 425.

Doch es gab einen dicken Haken: In den frühen 1970er-Jahren war VW kurz davor, finanziell mit Karacho an die Wand zu fahren. 800 Millionen Mark Minus standen in der Bilanz, als der neue Boss Toni Schmücker 1974 beim EA 425 den Stecker zog. Mit dem einfacheren VW Scirocco hatte man schon ein Sportcoupé auf der neuen Golf-Basis konstruiert. Wozu noch den technisch ambitionierten EA 425 zur Serienreife bringen?

Andererseits war das Fahrzeug fast fertig, noch ein Millionengrab mochte Schmücker auch nicht schaufeln. Zum Glück sprang Porsche in die Bresche: Dort konnte man ein Einstiegsmodell prima gebrauchen, zumal der Wagen auf die in vielen Ländern kritische Steuergrenze von zwei Liter Hubraum hin konzipiert wurde. Und so kam 1975 der Porsche 924 zur Welt.

Freude allenthalben: VW wand seinen Kopf halbwegs glimpflich aus der Schlinge, zusätzlich sicherte die 924-Produktion Arbeitsplätze im bedrohten Audi-Werk Neckarsulm. Obwohl Porsche den Bastard liebevoll adoptierte, spürt man in frühen 924ern die volkswagigen Gene. Hier ein dürres Zweispeichenlenkrad, dort fipsige Lenkstockhebel wie in einem alten Passat. Immerhin, die Sitzposition passt. Ich versinke tief in die psychedelisch gemusterten Integralsitze (Pascha nannte Porsche einst jenes explodierte Schachbrettmuster) und blicke auf einen flachen Vorderwagen.

Zeitreise: Unterwegs im Porsche 924

Darunter verbirgt sich jener Zweiliter-Benziner, der von einem Audi-Block abstammt. Mittels Einspritzung bringt es die Maschine auf 125 PS. Zugegeben, beim Klang spielt der Porsche 924 nur die zweite Geige. Leicht brummig, aber laufruhig schiebt der windschlüpfige Wagen auf Tempo 100. Außen hören Kenner vernehmbar die Audi-Note heraus. Genau dieser Punkt brachte damals die gusseisernen Porsche-Fans auf die Barrikaden. Und überhaupt: Motor vorne, Getriebe hinten, dazwischen eine Antriebswelle. Transaxle? Ausgewogene Gewichtsverteilung? Wo bleibt denn da die Herausforderung für den Sportwagenfahrer? Ganz zu schweigen von dieser seifigen Form des neuen Coupés.

Nun gut, selbst Ferry Porsche war nicht ganz glücklich mit dem 924. Später sagte er, sein Favorit wäre der damals zum Start noch nicht verfügbare Fünfzylinder-Motor von Audi gewesen. Eine interessante Idee! Aber auch so spülte der 924 Geld in die Kasse. Denn die Kundschaft kam eben nicht vom 911, sondern von ganz anderen Marken. In gewisser Weise wurde der 924 so zum Cayenne der 1970er-Jahre.

Zeitreise: Unterwegs im Porsche 924

Bis 1988 blieb der 924 im Programm. Kurz vor dem Ende der Bauzeit verpflanzte Porsche sogar einen hauseigenen Motor mit bis zu 160 PS Leistung in den 924: Der 924 S wurde von 1985 bis 1988 gebaut. Nach einigen Kilometern merke ich, warum sich der 924 so lange im Programm hielt. Klar, die Form mit der großen Glaskuppel über dem Kofferraum ist zeitlos. Aber noch mehr beeindrucken die guten Fahreigenschaften. Auf kurzen Wegen schnippen die Gänge durch die Kulisse, der Federungskomfort fällt sehr manierlich aus. Wo ist die nächste Autobahnauffahrt? Ich muss mal kurz über den Brenner, einen Espresso am Gardasee trinken.

Die Kritiker des 924 stempelten ihn zum „Hausfrauen-Porsche“ ab, weil man eben nicht wie beim 911 hart zupacken musste und halb taub sein Ziel erreichte. Was sie nicht wissen konnten oder wollten: Genau diese alltagstaugliche Auslegung suchten viele bei Porsche. Understatement pur und ein klarer Fall für Kenner, zumal als Gebrauchtwagen. Ich weiß noch, wie es war, damals gegen Ende der 1990er-Jahre: Alte 924 bekam man spottbillig. Wochenlang schaute ich mir in diesem neuartigen Internet gute Angebote an, doch das studentische Girokonto sprach ganz klar dagegen. Ach, hätte ich doch nur zugegriffen! Aber wie war das noch gleich? Scheitern als Chance? Wir sehen uns demnächst im Netz!

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Bild von: Fabian Grass