Automarken sind wie Fußballvereine. Mal mehr, mal weniger Fans. Einige streben die Champions League an, andere sind glücklich, überhaupt in der ersten Liga mitspielen zu dürfen. Nehmen wir zum Beispiel Audi: 1965 aus zweitaktenden DKW-Ladenhütern (angeblich ließ der neue Firmenboss Rudolf Leiding damals 28.000 DKW-Lagerfahrzeuge verschrotten) entstanden, etablierte sich das Unternehmen spätestens in den 1970er-Jahren durch clever konstruierte Fahrzeuge, deren Technik nebenbei noch VW den Allerwertesten rettete.

Unter der Ägide von Ferdinand Piëch setzten in den 80ern der Audi 100 aus dem Windkanal und insbesondere der quattro samt seinen Rallye-Ablegern dicke Ausrufezeichen. Was lag da näher, als endlich an der Tür zur Oberklasse zu klopfen? Ein erster Schritt dorthin war bereits mit dem Audi 200 gemacht worden, der nicht nur vom Namen her ein noblerer 100 war. Aber obwohl Professor Brinkmann aus der „Schwarzwaldklinik“ im Ober-Audi an der Damenwelt herumdoktorte, wusste man in Ingolstadt, dass Fünfzylinder auf Dauer nicht die Sahne im Kaffee waren. Mehr musste her, um auch die Allradtechnik weiter zu bewerben.

Das Ergebnis geisterte als „Audi 300“ durch die Zeitschriften und kam als „V8“ im Jahr 1988 auf den Markt. Von den Zutaten her durchaus ein leckeres Menü: Namensgebende acht Zylinder plus Vierventiltechnik, 3,6 Liter Hubraum, eine neue Viergang-Automatik und zwei Torsen-Differenziale.

Audi V8

Leider hatten Ferdi und seine Freunde eins vergessen: Das Auge isst mit. Besonders dann, wenn das Gericht fast 100.000 Mark respektive fünf VW Golf kostete. Zwar hieß der Luxus-Audi nicht mehr 300, er sah aber exakt so aus, wie sich Opa Müller einen Audi 300 vorstellte.

Mir geht es bei der ersten Begegnung mit dem V8 genauso. Zeitlos ist das Design zwar, aber mein erster Gedanke geht in Richtung „aufgepeppter Audi 100“. Hinzu kommen kaum veränderte Abmessungen: plus acht Zentimeter in der Länge und nur zwei Zentimeter beim Radstand, was den V8 zwar recht wendig macht, die Proportionen aber nicht wirklich optimierte. Auch beim ersten Sitzkontakt im Innenraum kommt einem alles vertraut vor, wenngleich sich schweres Holz und dickes Leder fleißig um ein luxuriöses Ambiente bemühen. Kurios wirken aus heutiger Sicht die amerikanisch angehauchten Schalter der elektrischen Sitzverstellung. Sie war ebenso serienmäßig wie die taschenrechnerähnlich zu bedienende Klimaautomatik.

Audi V8

Heute findet man Letztere selbst in Kleinwagen, damals war es ein sensationeller Luxus, der als Extra bei Mercedes Unsummen kostete. Auch interessant: Unser Fotowagen hat die Reifengröße 215/60 R15. Fünfzehn Zoll! Solch ein Format bekommt man inzwischen schon beim Audi A1 nur noch mit Mühe. Mühelos ist hingegen das Stichwort für den sahnigen V8, mit dessen üppigem Drehmoment die vier Gänge der Automatik gut klarkommen. Je nachdem, wie stark ich das Gaspedal versenke, schwankt die Klangfarbe zwischen Fünfzylinder und fettem Ami.

Naturgemäß blieb die Motorenauswahl bei einem Auto namens V8 recht beschränkt: 1991 ergänzte ein Achtzylinder mit 4,2 Liter Hubraum und 280 PS das Programm, trotzdem entstanden bis 1994 nur 21.565 Audi V8. Und dennoch ist diese Baureihe ein Meilenstein für Audi. Erstmals wurde BMW und Mercedes klar, dass die vier Ringe um die vorderen Plätze mitspielen wollen.

Das gelang im zivilen Leben erst dem Nachfolger A8 mit Alu-Karosserie, im Rennsport machte der V8 ab 1990 tatsächlich München und Stuttgart nass. Mit 420 PS, 1 250 Kilogramm Leergewicht und entscheidendem Allrad-Vorteil dominierten die brüllenden Schlachtschiffe bis 1991 in der deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM), damals noch ein Sport mit Vollkontakt.

Während meines Studiums hieß es oft: „Geschichte wiederholt sich“. Mit Blick auf den Audi V8 stimmt das tatsächlich. Ende 2001 brachte Ferdinand Piëch erneut eine ungewohnte Luxuslimousine auf den Markt, dieses Mal nicht nur mit V8: den VW Phaeton, ein XL-Passat mit mehr Lametta.

Bildergalerie: Audi V8 (1988)

Bild von: Fabian Grass