Das ist der stärkste Diesel-Audi, den es zur Zeit gibt: der RS 5 TDI concept. RS 5? Diesel? Ja, RS 5 TDI. Leider nur ein Versuchsfahrzeug. Die Ingolstädter haben nämlich den RS 5 genommen, den 4,2-Liter-V8-Otto herausgehoben und den Dreiliter-V6-Diesel aus dem A6 hineingesetzt. Der hat von Haus aus 313 PS und liefert saftige 650 Newtonmeter. Das Exemplar im RS 5 TDI wurde allerdings modifiziert und demonstriert die neueste Power-Technologie im Diesel-Sektor: den elektrischen Verdichter. Als Geheimwaffe soll er das berüchtigte Turboloch, Nervensäge Nummer Eins bei Turbo-Motoren, eliminieren. Wird das gelingen?

Verzögerung beim Anfahren
Mit einem normalen Turbomotor ist es so: Beim Anfahren löst sich das Auto etwas zäh vom Boden, erst ab über 1.000 Touren ziehen die Rösser mächtig an. Und beim Fahren heißt es fleißig Schalten, um die Maschine bei Drehzahl-Laune zu halten. Schuld an dieser partiellen Schwäche ist das Turboloch. Es entsteht, weil ein Turbo-Motor seine Kraft aus dem Ladedruck bezieht, den der Turbolader aufbaut. Der Lader ist aber auf die Energie des Abgases angewiesen und das kommt nun mal erst bei einer höheren Tourenzahl mit Schmackes am Turbinenrad an.

Verdichter greift bei sehr niedrigen Touren
Mit dem elektrischen Verdichter will Audi der Schwachstelle des aufgeladenen Selbstzünders zu Leibe rücken. Das nur etwa handballgroße Teil ist nach dem Ladeluftkühler angeordnet. Bei sehr niedrigen Drehzahlen, wenn der Abgasstrom noch kraftlos ist, wird die Luft über eine Bypass-Klappe zunächst durch den Verdichter geleitet. Dessen Verdichterrad wird von einer kleinen E-Maschine innerhalb von 250 Millisekunden auf maximale Drehzahl beschleunigt und kann so die Luft sofort in die Brennräume pressen. Im Ergebnis wird das Drehmoment beim Anfahren gewaltig erhöht, auch das lästige Zurückschalten – beispielsweise beim Überholen – wird reduziert.

750 Newtonmeter ab 1.250 Touren
Auf einer Rennstrecke in Schweden will uns Audi beweisen, dass der RS 5 TDI die hohe Kunst der Verdichtung bereits beherrscht. Der modifizierte Motor liefert 385 PS und 750 Newtonmeter, das maximale Drehmoment liegt schon bei 1.250 Touren an. Laut Audi rennt der Diesel-RS in etwa vier Sekunden auf Tempo 100 und schafft über 280 km/h Spitze. Schon die Werte allein lassen den rechten Fuß kribbeln. Zur Demonstration der Stärke steht ein Kavalierstart auf dem Programm. Das ist zwar nicht die klassische Alltagssituation eines TDI-Fahrers, aber wenns Mutti nicht sieht … Der Gegner beim Ampel-Duell ist ein RS 6 Avant. Und gegen den soll ich mit meinem RS-Diesel irgendeine Chance haben? 560 PS und 700 Newtonmeter sind kräftige Gegenargumente. Mein Beifahrer, ein Audi-Ingenieur, zählt von Drei runter, bei ,Los" trete ich das Pedal ins Bodenblech. Der Fahrer nebenan im RS 6 auch. Ich schaffe es tatsächlich, beim Lossprinten dem Benziner-Boliden auf den ersten Metern eine Nasenspitze voraus zu sein. Dann erst gewinnt der viel stärkere RS 6 Land. Das finde ich sehr beeindruckend, auch wenn mir ein ähnlicher Diesel ohne Verdichter noch lieber als Gegner gewesen wäre, um einen besseren Vergleich zu haben.

Bald schon in Serie
Die explosive Kraft-Entfaltung schon beim ersten Gasstoß und der vehemente Vortrieb beim Herausbeschleunigen aus den Kurven der Rennstrecke zeigen, dass der Verdichter seinen Zweck erfüllt. Praktisch zu jeder Drehzahl hängt der Audi gierig am Gas, die Power liegt auch bei niedrigen Touren sofort an. Das Turboloch ist wirklich gestopft. Da wird natürlich die Frage laut, wann viele Diesel-Fahrer in den Genuss des Zusatz-Beatmers kommen. Von Audi gibt es bereits die Antwort, wenn sie auch vage ist: In ,naher Zukunft" soll die Verdichter-Technologie im TDI-Sektor angeboten werden, ein Einsatz wäre übrigens auch bei den Ottomotoren denkbar.

48-Volt-Stromnetz
Mit dem Verdichter kommt ein weiteres Novum zum Einsatz: das 48-Volt-Stromnetz. Im RS 5 TDI concept ist es schon verbaut. Das Prinzip ist einfach: In Schubphasen wird durch Rekuperation Energie gewonnen, die eine kompakte Lithium-Ionen-Batterie speichert. Aus diesem Akku wird nicht nur der Motor des Verdichters gespeist, sondern in Zukunft beziehen auch leistungsstarke Verbraucher wie thermoelektrische Heizelemente, elektromechanische Hinterradbremsen oder Öl- und Wasserpumpen von hier ihren Saft. Die höhere Spannung ermöglicht auch niedrigere Ströme – dadurch sollen die Kabelquerschnitte kleiner und das Gewicht des Autos gesenkt werden. Auch das 48-Volt-Netz soll schon bald in mehreren Audi-Modellreihen kommen. Offen bleibt die Frage, wann und ob der stärkste Audi-Diesel einen RS 5 antreibt. Ingolstadt schweigt zu diesem Thema. Wir bleiben gespannt und hoffen darauf.

Bildergalerie: Audi stopft das Turboloch