Der Kia EV6 ist nach dem Hyundai Ioniq 5 das zweite Elektroauto auf Basis der Electric Global Modular Platform (E-GMP), mit dem Genesis GV60 wird bald ein drittes Modell folgen. Wir haben den Kia nun in der Version mit großer 77-kWh-Batterie und 239 kW starkem Allradantrieb getestet.

Beginnen wir mit einer kurzen Übersicht über die Versionen, zumal die Preise bisher nicht alle bekannt waren. Noch immer nicht verraten werden die genauen Reichweiten und die Leistungen der einzelnen Motoren:

  Akku / Reichweite Leistung Preis
Standard Range RWD 58 kWh / ca. 400 km 125 kW  44.990 Euro
Long Range RWD 77 kWh / 528 km 168 kW  +4.000 Euro
Long Range AWD 77 kWh / 506 km ca. 168 + 71 = 239 kW  +7.900 Euro
GT AWD 77 kWh / ca. 400 km 430 kW +21.000 Euro

Die Basisversion liegt mit ihrem Nettopreis unter 40.000 Euro, alle übrigen Varianten sind als Upgrades eingestuft. Das hat den Vorteil, dass alle EV6 bis hin zur Topversion GT die maximale Elektroauto-Förderung von fast 10.000 Euro erhalten. Wermutstropfen: Wer jetzt bestellt, bekommt das Auto erst in sechs bis 12 Monaten. Und die extrem sportliche Version GT mit 430 kW kommt sowieso erst Ende 2022.

Antrieb und Batterie

Den EV6 gibt es in vier Antriebs-Akku-Kombinationen. Darunter sind zwei Hecktriebler und zwei Allradler. Nur die Basisversion hat den 58-kWh-Akku, alle anderen eine 77-kWh-Batterie. Letztere ist etwas größer als die große Batterie im Hyundai Ioniq 5. Da der EV6 aber schneller lädt (bis zu etwa 240 kW, einen genauen Wert kommuniziert Kia noch nicht), sind die Ladezeiten ähnlich.

Kia EV6 in Grau Metallic (Detail)

Wir fuhren die Version mit 239 kW Systemleistung. Das sind 325 PS, und dem entsprechend ist der Vortrieb. Mit dem Testwagen kam ich ohne Schwierigkeiten auf 192 km/h (laut Anzeige im Head-up-Display), offiziell liegt die Höchstgeschwindigkeit bei 185 km/h. Der hintere Elektromotor ist mit rund 170 kW deutlich stärker als der vordere mit etwa 70 kW. Daher übersteuert der EV6 leicht: Auf feuchter Fahrbahn schwingt das Heck leicht aus.

Eine Besonderheit des Allradsystems aller E-GMP-Fahrzeuge ist die mechanische Kupplung, die den vorderen Elektromotor von der Achse trennt, wenn dieser nicht gebraucht wird. Das verhindert Schleppverluste und soll die Reichweite um sechs bis acht Prozent erhöhen. Ein Sparwunder in Sachen Stromverbrauch ist der EV6 aber nicht: Ich landete bei 24 kWh/100 km, mein verhaltener fahrende Kollege bei 21 kWh. Damit wären 320 bis 370 km möglich gewesen. Die Norm-Angaben liegen bei 18 kWh und 506 km Reichweite.

Kia EV6 (Interieur)

Cockpit und Innenraum

Als Fahrer guckt man auf die gleichen zwei 12,3-Zoll-Displays wie beim Ioniq 5, unter dem Touchscreen gibt es jedoch eine Einstellleiste mit zwei physisch vorhandenen Rädchen, deren Belegung sich per Fingertipp umstellen lässt – eine Platz sparende, elegante Lösung. Ein weiteres Schmankerl ist, dass sich die Vordersitzlehnen als Kleiderbügel-Ersatz nutzen lassen.

Wie beim Hyundai erscheinen runde Insert-Bilder im Instrumentendisplay, wenn man blinkt. Sie zeigen Kamerabilder vom toten Winkel. Ebenfalls vom Schwestermodell bekannt sind die weit nach hinten umklappbaren Lehnen der Vordersitze. Damit kann man zum Beispiel in der Ladepause gut entspannen.

Der Platz im Fond reicht für mich als 1,76 Meter großen Test-Insassen leicht aus; die Oberschenkel stehen weit weniger nach oben als beim unlängst getesteten BMW i4 M50. Auch der Kofferraum lässt sich gut nutzen.

Rekuperation und Assistenzsysteme

Der EV6 hat fünf Rekuperationsstufen. Wer das One-Pedal-Driving so liebt wie ich, aktiviert zuerst Max, die Stufe mit maximaler Energierückgewinnung. Drei schwächere Stufen lassen sich über die Lenkradwippen aktivieren. Der letzte der fünf Rekuperationsmodi bereitete uns etwas Schwierigkeiten. Erst durch Wälzen der Bedienungsanleitung fand mein Kollege heraus, dass die Funktion zuerst in einem Untermenü des Touchscreens angewählt werden muss, bevor man sie durch gleichzeitiges Ziehen beider Wippen anschalten kann. Den Effekt davon haben wir allerdings nicht wirklich gespürt.

Auch die Übernahme des Tempolimits in den Abstandstempomaten klappte nicht so locker wie von BMW oder Audi gewöhnt. Vor allem muss man erst die Logik dahinter kapieren: Stellt man zum Beispiel 104 km/h ein und es folgt ein Tempo-80-Schild, dann muss man die Tempoverringerung immer erst bestätigen. Wählt man dagegen 100 km/h, klappt es auch ohne Abnicken.

Fazit: Genauso gut wie der Ioniq 5

Den Elektroantrieb und viele Goodies des Kia EV6 kannten wir schon vom Hyundai Ioniq 5. Was das Auto zwar für den Tester weniger interessant macht, aber den Kia nicht schlechter. Da beide Modelle auf der gleichen Plattform basieren, wird es nicht überraschen, dass der EV6 genauso gut ist wie der Ioniq 5, nur anders.

Das Fahrwerk soll etwas anders ausgelegt sein (sportlicher als beim Ioniq 5), aber davon haben wir nicht viel gespürt. Die große Batterie ist beim Kia etwas größer, doch die Reichweiten sind vergleichbar. Ähnliches gilt für die Antriebe. Ein paar Kilowatt hin oder her dürften da kaum den Ausschlag geben.

Wie also soll man sich zwischen den beiden Modellen entscheiden? Wir würden sagen: nach Gusto. Und das heißt hier vor allem nach der Außenoptik. Uns gefällt da der Hyundai deutlich besser.

Mehr Bilder, alle technischen Daten und weitere Test-Eindrücke zum Kia EV6 finden Sie auf unserem Elektroauto-Portal InsideEVs.de.

Bildergalerie: Kia EV6 (Oktober 2021)